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Oscar-Countdown: Wie stehen die Chancen für „Im Westen nichts Neues“?

Der deutsche Oscar-Kandidat „Im Westen nichts Neues“ kommt vor der Verleihung der 95. Academy Awards auf die Rekordmarke von neun Oscar-Nominierungen. Aber wird der von Netflix produzierte Kriegsfilm am Ende auch triumphieren?

"Im Westen nichts Neues" geht als einer der Favoriten in die 95. Oscarverleihung.
Foto: Reiner Bajo/Netflix

Der deutsche Antikriegsfilm „Im Westen nichts Neues“ von Regisseur Edward Berger (53) ist bei der diesjährigen Oscarverleihung ganze neun Male nominiert – darunter in der prestigeträchtigsten Kategorie „Bester Film“. Kein deutscher Film ist in der langen Geschichte der seit 1929 verliehenen Academy Awards auf mehr Nominierungen gekommen, und kein deutscher Film war jemals zuvor als „Bester Film“ nominiert. Wie stehen also die Chancen der Netflix-Produktion bei der in der Nacht vom 12. zum 13. März stattfindenden Oscarverleihung?

Favorit als „Bester internationaler Film“

Auch bei neun Nominierungen ist es möglich, wenn auch unwahrscheinlich, dass „Im Westen nichts Neues“ bei der 95. Oscarverleihung komplett leer ausgeht. Als haushoher Favorit gilt der fesselnde, hoch-immersive Kriegsfilm selbstverständlich in der Kategorie „Bester internationaler Film“. Die übrigen vier nominierten Werke „Argentinien, 1985“, „Close“, „EO“ und „The Quiet Girl“ können nämlich jeweils keine weiteren Oscarnominierungen vorweisen, was – zumindest in den Augen der Mitglieder der Academy of Motion Picture Arts and Sciences – dann doch einen deutlichen Qualitätsunterschied markiert.

Zudem entwirft Bergers mit 20 Millionen US-Dollar budgetiertes Werk ein überwältigendes Schlachtenpanorama, das die genannten Mitbewerber in den Schatten stellen dürfte. Einzig „Argentinien, 1985“ könnte in dieser Kategorie zur Gefahr werden, denn das Werk von Regisseur Santiago Mitre (42) wurde in diesem Jahr bereits mit einem Golden Globe als „Bester fremdsprachiger Film“ ausgezeichnet.

Außenseiter als „Bester Film“

In der Königskategorie „Bester Film“ wird es für „Im Westen nichts Neues“ hingegen wohl eher nicht zum Triumph reichen. Zu übermächtig scheint hier die Konkurrenz, bestehend aus den Kritikerlieblingen „Everything Everywhere All at Once“ (elf Nominierungen) und „The Banshees of Inisherin“ (wie „Im Westen nichts Neues“ neun Nominierungen) sowie den Mega-Blockbustern „Top Gun: Maverick“ und „Avatar: The Way of Water“.

Und dennoch erscheint es auch nicht komplett unmöglich, dass „Im Westen nichts Neues“ in dieser Kategorie den Goldjungen mit nach Hause nehmen könnte. Denn der Ukraine-Krieg verleiht dem Antikriegsfilm eine erschreckende Aktualität. Zudem gelang Bong Joon-hos (53) „Parasite“ im Jahr 2020 als erstem nicht-englischsprachigen Film ein Sieg in der Kategorie „Bester Film“ – nachdem das kapitalismuskritische Werk bei den 92. Academy Awards zuvor bereits als „Bester internationaler Film“ ausgezeichnet worden war.

Für den Streamingdienst Netflix wäre es der erste Sieg in dieser so bedeutenden Oscar-Kategorie.

Kamera, Ton, Szenenbild: Hervorragende Oscar-Chancen für „Im Westen nichts Neues“

Angesichts der schieren Anzahl der Nominierungen erscheint es verhältnismäßig sicher, dass „Im Westen nichts Neues“ in den sogenannten technischen Kategorien der Oscarverleihung nicht komplett leer ausgehen wird. Am besten stehen hier wohl die Chancen für James Friend in der Kategorie „Beste Kamera“. Denn der britische Kameramann fängt sowohl die Trostlosigkeit der Schützengräben als auch das Grauen der Schlachten in wunderbar entsättigten, grobkörnigen Bildern ein. Auch dürfte Friend – und damit „Im Westen nichts Neues“ – helfen, dass die Konkurrenz in dieser Kategorie nicht allzu stark ist.

Ähnliches gilt für die Oscar-Kategorien „Bester Ton“ und „Bestes Szenenbild“, in denen der handwerklich ganz exzellent gemachte und mit riesigem Aufwand produzierte „Im Westen nichts Neues“ ebenfalls gute Siegeschancen besitzt. Deutlich schwieriger dürfte hier schon ein Sieg in der Kategorie „Beste visuelle Effekte“ werden, wo „Avatar: The Way of Water“ von Regie-Legende und Effekte-Genie James Cameron (68) als klarer Favorit gilt.

Auch in der Kategorie „Bestes Make-up und beste Frisuren“ dürfte es schwer werden für „Im Westen nichts Neues“. Zu stark scheint hier die Konkurrenz von „The Whale“ und „Elvis“ zu sein. Denn für „The Whale“ wurden Hauptdarsteller Brendan Fraser (54) tagtäglich 136 Kilogramm schwere Make-up-Prothesen angelegt, während sich Austin Butler (31) für „Elvis“ auf faszinierende Weise in den „King of Rock ’n‘ Roll“ Elvis Presley (1935-1977) verwandelte.

Drehbuch und Filmmusik: Gute Chancen für „Im Westen nichts Neues“

Für die eindringliche Filmmusik von Volker Bertelmann (57) könnten sich die Academy-Voter da schon eher begeistern, setzt der deutsche Komponist doch in seinem Score auf eine stimmige Mischung aus traditionellen und modernen Klängen.

Bleibt noch als letzte die Kategorie „Bestes adaptiertes Drehbuch“, in der sich Regisseur Berger die Nominierung mit Lesley Paterson (42) und Ian Stokell (63) teilt. Bei der deutschen Filmkritik stieß die Adaption des weltberühmten Romans von Erich Maria Remarque (1898-1970) nicht auf sonderlich viel Gegenliebe. Neuerfindungen des Autoren-Trios wie etwa das Einfügen der historischen Figur Matthias Erzberger (1875-1921), gespielt von Daniel Brühl (44), wurden hingegen von der US-Kritik tendenziell eher gelobt. Auch hier erscheint ein Sieg nicht unmöglich – nicht zuletzt, wie in der Kategorie „Beste Kamera“, begünstigt durch die nicht übermächtige Konkurrenz.

Es bleibt also zu hoffen, dass „Im Westen nichts Neues“ nicht den Weg von „Die Farbe Lila“ (1985) oder „Am Wendepunkt“ (1977) gehen wird, die beide bei jeweils elf Nominierungen keinen einzigen Goldjungen mit nach Hause nehmen konnten. Mindestens ein Oscar-Sieg sollten für die Netflix-Produktion drin sein – und im besten Fall kommen noch einige weitere Goldjungen hinzu.

spoton