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Sprengt „Im Westen nichts Neues“ alle deutschen Oscar-Rekorde?

Sagenhafte neun Nominierungen stehen für „Im Westen nichts Neues“ zu Buche. Der Oscar-Abend Mitte März könnte noch historischer werden.

Hauptdarsteller Felix Kammerer aus "Im Westen nichts Neues".
Foto: Netflix / Reiner Bajo

Unverhofft, aber sicherlich nicht unverdient ist das deutsche Netflix-Kriegsdrama „Im Westen nichts Neues“ von Edward Berger (53) für neun Oscars nominiert worden. Das allein stellt bereits einen Rekord dar. Noch nie heimste eine deutsche (Ko-)Produktion mehr Chancen auf einen Goldjungen ein, „Das Boot“ kam 1983 auf sechs Stück. Vor allem die Nominierung in der Königsdisziplin „Bester Film“ kam dabei völlig überraschend. Ein Blick in die lange Geschichte der Academy Awards zeigt: Deutschland war von Stunde eins an dabei, insgesamt jedoch selten im Mittelpunkt.

1929 fand die erste Oscarverleihung statt – knackige 15 Minuten dauerte sie damals. Zum ersten besten Hauptdarsteller wurde ein Mann namens Emil Jannings (1884-1950) gekürt – ein zwar in der Schweiz geborener, aber deutscher Staatsbürger. Ebenfalls besonders: Jannings wurde damals für seine Darbietung in gleich zwei Stummfilmen mit dem Preis gewürdigt.

Beinahe ebenso lange ist es her, dass letztmals ein deutscher Schauspielstar den Oscar in den Händen halten durfte: 1937 und sogleich im Folgejahr gewann die gebürtige Düsseldorferin Luise Rainer (1910-2014) jeweils in der Kategorie „Beste Hauptdarstellerin“ den Goldjungen. Zumindest halb durften wir uns 2009 („Inglourious Basterds“) und 2012 („Django Unchained“) für Christoph Waltz (66) freuen. Der Wiener hat einen aus München stammenden Vater. In den Schauspiel-Kategorien wird „Im Westen nichts Neues“ allerdings für keine weitere Kerbe sorgen können – hier ging der Antikriegsfilm und insbesondere Hauptdarsteller Felix Kammerer (27) leer aus.

Einen erwähnenswerten Beitrag leistete die deutsche Filmindustrie auch bei Michael Hanekes (80) Drama „Liebe“ („Amour“). Die Koproduktion aus Österreich, Frankreich und Deutschland war 2012 in der „Bester Film“-Sparte nominiert, musste sich aber „Argo“ geschlagen geben. Sollte „Im Westen nichts Neues“ diesen Preis einheimsen, wäre er nach Südkoreas Beitrag „Parasite“ aus dem Jahr 2019 erst der zweite nicht-englischsprachige Film, dem dieses Kunststück überhaupt gelungen ist.

Die Oscars der Anderen

Auch in der Kategorie „Bester fremdsprachiger Film“ ist Deutschland dank des Antikriegsfilms im Rennen. 20 Mal war dies seit Bestehen der Academy Awards schon der Fall, mehrfach durfte die hiesige Filmindustrie auch final jubeln: 1980 gewann Volker Schlöndorffs (83) Romanverfilmung des Grass-Klassikers „Die Blechtrommel“ den Ausland-Oscar. 13 Jahre später angelte sich Caroline Link (58) mit „Nirgendwo in Afrika“ den Preis. Bislang zum letzten Mal hielt ihn für Deutschland Florian Henckel von Donnersmarck (49) dank seines Stasi-Dramas „Das Leben der Anderen“ in den Händen. 2007 war das, also vor über 15 Jahren. Die vormals letzte deutsche Nominierung ging ebenfalls auf Henckel von Donnersmarck zurück – 2019 gelang mit „Werk ohne Autor“ dieser Achtungserfolg.

Beim Thema „Beste Filmmusik“ sind deutsche Komponisten seit den 50er Jahren gut im Geschäft. Allein vier Oscars konnte der gebürtige Berliner André Previn (1929-2019) abstauben, insgesamt ging die Auszeichnung achtmal an einen Deutschen. 2022 übrigens an Hans Zimmer (65), der das Sci-Fi-Epos „Dune“ musikalisch untermalt hatte. Seinen ersten Oscar hatte er 1995 für „Der König der Löwen“ in derselben Kategorie erhalten. Vielleicht kann dieses Jahr Volker Bertelmann (57) dazustoßen?

Alles ist möglich – in beide Richtungen

Neben den bereits genannten Kategorien ist „Im Westen nichts Neues“ noch für „Beste Kamera“, „Bestes adaptiertes Drehbuch“, „Beste visuelle Effekte“, „Bester Ton“, „Bestes Szenebild“ und „Bestes Make-up/Frisuren“ nominiert. Die „technischen Oscars“ sind bislang kein Steckenpferd eines deutschen Anwärters gewesen. Zwar hielten schon viele Landsmänner- und frauen Preise in diesen Kategorien hoch, zumeist jedoch für rein US-amerikanische Produktionen. Hier könnte Bergers Film also in der Nacht vom 12. auf den 13. März große Vorreiter-Arbeit leisten.

Doch nicht vergessen: Wer hoch fliegt, der kann umso tiefer fallen. Angesichts der Rekordzahl an Nominierungen droht auch eine „negative Bestmarke“: Von seinen sechs Nominierungen konnte „Das Boot“ 1983 keine einzige in einen Preis ummünzen. Bei neun Chancen auf einen Goldjungen gänzlich ohne Auszeichnung zu bleiben, würde sich für die „Im Westen nichts Neues“-Macher ohne Zweifel wie eine herbe Enttäuschung anfühlen. Man kann es jedoch positiv ausdrücken: So schnell würde auch das kein anderer deutscher Film nachmachen können.

spoton