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„Tatort: Der Mörder in mir“: Warum muss der Täter nicht ins Gefängnis?

Das Ende von „Der Mörder in mir“ kommt plötzlich. Der „Tatort“ verzichtet dabei auf eine echte Erklärung, warum der Täter nur milde bestraft wird, da seine Nachbarin nicht aussagt. Doch warum ist das so?

Lannert (Richy Müller) und Bootz (Felix Klare, r.) auf der Suche nach belastbaren Aussagen zur Todesursache.
Foto: SWR Presse/Bildkommunikation

Der Stuttgarter „Tatort: Der Mörder in mir“ endet abrupt. Für manche Zuschauer vielleicht sogar zu abrupt. Weswegen wird der Täter jetzt verurteilt? Warum ist Mord plötzlich vom Tisch? Und warum hängt alles an der Aussage der Nachbarin? Wieso wäre mit der Aussage von Laura Rensing eine Mordanklage möglich und warum kommt ohne dieser Aussage Ben Dellien mit einer milden Strafe davon?

Die Gretchenfrage, die hinter diesem realen Dilemma steckt: Bei Mord sieht der Gesetzgeber eine lebenslange Freiheitsstrafe vor – ohne Ausnahme. Bei einer Verurteilung zu versuchtem Mord durch Unterlassen – was in solchen Fällen von tödlichen Verkehrsunfällen mit Fahrerflucht meist ausgesprochen wird – wird der Täter immer noch regelmäßig zu empfindlichen und mehrjährigen Haftstrafen verurteilt.

Bei einer fahrlässigen Tötung hingegen ist das oft anders. Das Gericht hat in diesen Fällen sogar die Möglichkeit auch eine Geldstrafe auszusprechen und auf eine Freiheitsstrafe gänzlich zu verzichten. Diese Diskrepanz ist riesig: Eine lange Haftstrafe zerstört Existenzen. Eine Geldstrafe ist in vielen Fällen deutlich leichter verkraftbar. Doch wie genau kommt es zu den Unterscheidungen?

Und warum keine Mordanklage bei „Der Mördern in mir“?

Theoretisch ist eine Verurteilung wegen versuchten Mordes bei diesem tödlichen Unfall mit Fahrerflucht möglich – wenn nachgewiesen werden kann, dass der Täter wusste oder davon ausgehen musste, dass er einen Menschen angefahren hat. So haben echte Gerichte bei ähnlichen Fällen zum Beispiel bereits eine versuchte Tötung durch Unterlassen festgestellt. Das Landgericht Stuttgart urteilte zum Beispiel in einem Fall aus dem Jahre 2015, dass eine Frau billigend in Kauf genommen habe, dass durch ihre unterlassene Hilfeleistung jemand stirbt.

Als Mordmerkmal stellten die Richter die Verdeckung einer Straftat fest, da die Fahrerin durch das Entfernen vom Unfallort nicht ertappt werden wollte. Alles ähnlich wie im „Tatort“. Aber anders als im realen Fall hatte Dellien in „Der Mörder in mir“ keine schweren Schäden am eigenen Fahrzeug. Somit könnte ein Gericht womöglich nicht allein aufgrund des beschädigten Fahrzeugs des Anwalts davon ausgehen, dass er in jedem Fall wusste, dass er einen Menschen anfuhr. Das Gericht müsste ihm genau das aber nachweisen.

Herr Dellien bleibt wahrscheinlich ein freier Mann

Das scheint fast unmöglich, wenn Frau Rensing nicht aussagt: Nur sie könnte bestätigen, dass Herr Dellien die Mütze des Opfers in seinem Besitz hatte und somit wusste, dass er einen Menschen anfuhr. Vor Gericht wird der Täter aber nichts davon zugeben. Somit bliebe realistisch nur noch eine vergleichsweise milde Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung: Herr Dellien bliebe mit hoher Wahrscheinlichkeit ein freier Mann.

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