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Jeff Nichols’ "The Bikeriders": Ein Blick in die 60er-Jahre Motorrad-Gang-Welt

Der Film erweckt das Fotobuch von 1968 mit einem stargespickten Ensemble zum Leben. Die Geschichte zeigt den Übergang vom Motorradclub zur kriminellen Bande.

Tom Hardy (li.) und Austin Butler in "The Bikeriders".
Foto: Kyle Kaplan/Focus Features

Jeff Nichols (45, bekannt für “Mud”) führt in “The Bikeriders” eine sowohl nostalgische als auch ungeschönte Reise in die Welt einer US-Motorrad-Gang der 1960er Jahre. Mit einem Ensemble voller Stars erweckt er die Welt des 1968 erstmals veröffentlichten Fotobuchs “The Bikeriders” zum Leben.

Zwischen 1963 und 1967 begleitete der Fotojournalist Danny Lyon den Chicago Outlaws Motorcycle Club, interviewte die Mitglieder und fotografierte sie. Nichols erzählt basierend auf dem Buch seine eigene Geschichte eines Motorradclubs im Chicago der Mitte der 1960er-Jahre. Johnny (Tom Hardy, 46), der Anführer der Vandals, gründet aus seiner Liebe zu schnellen Motorrädern einen rebellischen Motorradclub, in dem verschiedenste Charaktere, vom Maschinen-Nerd über den Spaßvogel der Gruppe bis hin zur rechten Hand des Anführers, eine Heimat finden. Der Club wird immer populärer und neue Chapter entstehen in anderen Städten.

Das Unheil nimmt seinen Lauf: Aus einer Gruppe geschwindigkeitsliebender Außenseiter wird eine kriminelle Bande, die scheinbar vor nichts mehr zurückschreckt. Das muss auch Vandals-Mitglied Benny feststellen. “Elvis”-Star Austin Butler (32) spielt den scheinbar furchtlosen Typen, der wenig spricht und als einsamer Wolf in der Biker-Gemeinschaft Halt gefunden hat. Doch er steht zwischen den Fronten. Johnny will, dass Benny bald das Ruder übernimmt und sein Nachfolger wird, während Ehefrau Kathy (Jodie Comer, 31) verlangt, dass er aus der immer bedrohlicher werdenden Gang aussteigt. Das Pflichtgefühl gegenüber dem Club und seiner Ehe mit Kathy einerseits und sein Freiheitsdrang andererseits zwingen Benny zu einer Entscheidung.

Die Suche nach Identität

Der Film zeigt eine Gruppe von Außenseitern einer Subkultur, die auf der Suche nach einer Identität sind, welche sie innerhalb der Gruppe finden. Allerdings kann sich das soziale Gefüge in Zeiten turbulenter politischer, wirtschaftlicher und sozialer Veränderungen in Amerika nicht den äußeren Entwicklungen entziehen. Nichols’ Werk begleitet die Mitglieder bei Gruppentreffen, Motorradrennen und familiären Zusammenkünften und dokumentiert den Übergang vom Motorradclub zur Biker-Gang bis zum “Ende des goldenen Zeitalters” des Clubs, das durch den Neuzugang der Vandals, nur als The Kid (Toby Wallace, 28) bekannt, eingeleitet wird.

Neben dem Leben in einer Außenseitergruppe wird die Dreiecksbeziehung zwischen Kathy, Benny und Johnny beleuchtet. Kathy, die von Danny (Mike Faist, 32) als “Zeugin” zu den Bikern befragt wird, wird zur Erzählerin der Geschichte. Die Britin Comer, die sich für den Film den Chicagoer Akzent der Arbeiterklasse aneignete, zeigt eine überschwängliche Frau, die unverblümt das sagt, was sie denkt, und ihre oftmals wenig schmeichelnde Perspektive auf den Club aufzeigt. Findet sie anfangs als konventionelle Bürgerin noch Gefallen am Abenteuer und dem aufregenden Leben in dem rebellischen Club, sieht sie immer mehr seinen negativen Einfluss auf ihren Mann. Sie wird zur Außenseiterin der Außenseiter.

Kein Actionfilm, kein Liebesdrama

Obwohl der Titel es andeuten könnte, kommen Motorradfans in “The Bikeriders” nicht auf ihre Kosten, was ausgedehnte Fahrten oder Verfolgungsjagden angeht. Das Drama ist daher nicht besonders schnell, auch nicht in Bezug auf die Handlung. Die Geschichte bis zum entscheidenden Showdown hat ihre Längen und weckt den Wunsch, mehr über die tieferen Hintergründe der Charaktere und deren Beziehungen zu erfahren.

Obwohl Kathys Beobachtungen und ihre Ehe zu Benny eine zentrale Rolle in der Geschichte spielen, bleiben gemeinsame Szenen oberflächlich und private Momente selten, wodurch echte Chemie und Emotionen zwischen den beiden beim Zuschauer nicht spürbar werden. Die dominierende Außenperspektive von Kathy führt dazu, dass viele der Figuren nicht nur für Bennys Ehefrau, sondern auch für das Publikum bis zum Ende mysteriös und schwer fassbar bleiben. Dadurch konzentriert sich der Fokus weiterhin auf die Entwicklungen, Strukturen und Abhängigkeiten im Motorradclub.

Die Nostalgie und der Cast stimmen

Visuell konnte Jeff Nichols auf die Aufnahmen von Lyons zählen und die Zeit originalgetreu wiederaufleben lassen und authentisch darstellen. Der Vintage-Look des Films mit den alten Motorrädern, den Lederkutten und den gegelten Haaren macht das Zusehen unterhaltsam. Auch die Schauspieler tragen den Film trotz einer holprigen Handlung. Nichols kann auf sein stargespicktes Ensemble vertrauen, das alles aus den Figuren herausholt.

Austin Butler, obwohl dem attraktiven Schauspieler ein wenig die Rauheit fehlt, spielt mit Lässigkeit den Rebell Benny, und Tom Hardy ist als heruntergekommener Club-Chef eine ideale Besetzung. Toby Wallace als junger Biker-Nachwuchs und Michael Shannon (49) als Vandals-Mitglied Zipco tragen ebenfalls dazu bei, dass der Film sehenswert ist.

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