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Ermittler sprengen großen Ring von Callcenter-Betrügern

Sie sitzen im Ausland, arbeiten mit perfidesten Methoden: Seit Jahren nehmen Telefonbetrüger vor allem ältere Bürger aus. Nun haben Hunderte Ermittler aus ganz Europa den Spieß umgedreht.

Nach Durchsuchungsmaßnahmen in fünf Ländern kam es zu Festnahmen.
Foto: Karl-Josef Hildenbrand/dpa

Hunderte Ermittler aus Deutschland und anderen Ländern haben ein riesiges Netzwerk von Telefonbetrügern zerschlagen. Der baden-württembergische Innenminister Thomas Strobl (CDU) sprach in Stuttgart davon, dass man den «wohl europaweit größten Callcenter-Betrug aufgedeckt» habe. 

Die Beamten im Landeskriminalamt Baden-Württemberg haben ein eigenes Call-Center eingerichtet, um Gespräche abzuhören, Trickbetrüger zu verfolgen und deren Opfer zu warnen. Seit Dezember waren mehr als 100 Beamte im Schichtdienst im Einsatz und konnten so 1,3 Millionen Telefonbetrugs-Gespräche aufzeichnen. Insgesamt konnten die Ermittler auf diese Weise in etwa 6000 Fällen einen Schaden von rund zehn Millionen Euro verhindern.

Mitte April wurden bei umfangreichen Durchsuchungen zusammen mit Europol und dem Bundeskriminalamt in fünf Ländern, hauptsächlich im Westbalkan, 12 Callcenter aufgelöst und 21 Personen verhaftet. 16 von ihnen befinden sich im Ausland in Untersuchungshaft. Neun der Beschuldigten sind Callcenter-Betreiber. Auch die Landesjustizministerin Marion Gentges (CDU) bezeichnete dies als den wohl größten Erfolg im Kampf gegen Callcenter-Betrüger in Europa.

Bankmitarbeiter brachte Stein ins Rollen

Ein aufmerksamer Bankmitarbeiter hatte den Beginn der Ermittlungen eingeleitet. Im vergangenen Jahr hatte ein Betrüger eine 76-jährige Frau aus Freiburg als vermeintlicher Polizist angerufen, um an ihr Geld zu gelangen, wie Gentges berichtete. Als die Dame 120.000 Euro von ihrem Girokonto abheben wollte, informierte der Bankberater die Polizei. Die internetbasierte Nummer des Betrügers erwies sich für die Ermittler als äußerst hilfreich, da sie zu einem umfangreichen Callcenter-Netzwerk führte.

Das LKA Baden-Württemberg richtete eine Ermittlungsgruppe ein, in die auch die Polizei aus Bayern, Sachsen und Berlin eingebunden war. Name: «Pandora». Statt die ermittelte Nummer abzustellen, hörten sie rund um die Uhr Zigtausende Gespräche in Echtzeit mit, konnten die potenziellen Opfer warnen – und sich selbst Zeit verschaffen für die Ermittlungen. 

80 Prozent der Straftaten konnten verhindert werden

Die Täter bedienten sich den Angaben zufolge am ganzen Spektrum der Telefonbetrügereien – sie gaben sich als nahe Verwandte aus, als Bankangestellte, Angehörige der Verbraucherzentrale, Mitarbeiter eines Inkassounternehmens oder als Polizisten oder Staatsanwälte. Mit Strafandrohungen, Gewinnversprechen, Inkasso-Forderungen oder Prepaid-Karten-Betrug versuchten sie, ihre Opfer im ganzen Bundesgebiet um ihr Erspartes zu bringen. Mehr als 80 Prozent der Straftaten konnten die «Pandora»-Ermittler verhindern.

Am 18. April wurden zeitgleich mit Unterstützung von Europol und dem Bundeskriminalamt Wohnungen und Geschäftsräume in verschiedenen Ländern des Westbalkans und im Libanon durchsucht. Bei diesem koordinierten Schlag wurden Datenträger, Schriftstücke, Bargeld und Vermögenswerte in Höhe von einer Million Euro sichergestellt. Die Beweismittel werden derzeit ausgewertet.

dpa