Mobiles Menü schließen
Startseite Schlagzeilen

Streit zwischen Baerbock und Netanjahu? – AA widerspricht

Netanjahu soll der deutschen Außenministerin bei einem Treffen Aufnahmen eines mit Lebensmitteln gefüllten Markts in Gaza gezeigt haben. Einem Bericht zufolge führte dies zu einem Streit.

Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und Israels Premier Benjamin Netanjahu trafen sich am Dienstag in Jerusalem.
Foto: Ilia Yefimovich/dpa

Das Auswärtige Amt hat einen Bericht über einen Disput zwischen Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu über die Lage im Gazastreifen als irreführend bezeichnet. Kernpunkte der Darstellung des einstündigen Treffens der beiden am Mittwoch seien falsch, schrieb das Auswärtige Amt am Freitag auf der Plattform X (vormals Twitter). Der deutsche Botschafter in Israel, Steffen Seibert, äußerte sich gleichlautend.

Eine Reporterin des israelischen TV-Senders Channel 13 hatte zuvor auf X über ein schwieriges Treffen zwischen Baerbock und Netanjahu berichtet. Der Grund war angeblich, dass Baerbock Aufnahmen aus dem Gazastreifen gezeigt wurden, auf denen mit Lebensmitteln gefüllte Märkte zu sehen waren. Die Grünen-Politikerin wies daraufhin auf den Hunger der Menschen in dem Küstengebiet hin und bot Netanjahu an, Bilder hungernder Kinder auf ihrem Handy zu zeigen.

Netanjahu soll geantwortet haben, dass sie sich die Fotos der Märkte und auch der Menschen am Strand ansehen solle, da es keine Fälle von Hunger dort gebe. Baerbock empfahl ihm laut Bericht, die Bilder nicht zu zeigen, da sie nicht der Realität im Gazastreifen entsprächen.

Netanjahu antwortet mit Nazivergleich

Israels Regierungschef hat daraufhin lautstark erwidert, dass die Fotos echt seien und Israel nicht wie die Nazis eine erfundene Realität zeige. Die Nazis hatten 1942 ein Filmteam beauftragt, einen Propagandafilm mit inszenierten Szenen des Alltags im Warschauer Ghetto zu drehen.

Baerbock fragte dann Netanjahu, ob er behaupten wolle, dass Mediziner im Gazastreifen und internationale Medien nicht die Wahrheit berichteten.

Fotos von mit Obst und Gemüse gefüllten Marktständen

Vor kurzem veröffentlichte die israelische Cogat-Behörde Aufnahmen von Marktständen, die mit Obst und Gemüse gefüllt waren. Diese Märkte befinden sich im Norden des Küstengebiets, das besonders vom Lebensmittelmangel betroffen ist. Laut Hilfsorganisationen und Cogat sind einige Hilfsgüter in der Region angekommen, jedoch reichen sie nach Angaben von Helfern und Anwohnern bei weitem nicht aus.

Nach Angaben des Welternährungsprogramms (WFP) war die Rate der im Gazastreifen einfahrenden Lastwagen mit Nahrungsmitteln im März und April aber insgesamt nur halb so hoch wie im Januar. «Derzeit kommen immer noch zu wenige Lastwagen rein, es gibt weiter lange Wartezeiten an den Checkpoints und die anhaltenden Kämpfe erlauben keine sichere flächendeckende Verteilung von Hilfe», sagte der Leiter des Berliner Büros des UN-Welternährungsprogramms, Martin Frick. Noch immer gelange aber nicht genügend Hilfe vor allem über den wichtigen Landweg in das Gebiet, sagte Baerbock am Mittwoch bei ihrem Besuch in Israel. Sie forderte dabei erneut eine Ausweitung der Hilfslieferungen und eine sichere Verteilung der Güter vor Ort.

USA fordern Israel zu mehr humanitärer Hilfe auf

Die USA haben Israel kürzlich aufgefordert, die humanitäre Hilfe für die Zivilbevölkerung im Gazastreifen rasch auszuweiten, angesichts der katastrophalen humanitären Lage. Daraufhin beschloss das israelische Kriegskabinett Anfang April, den Grenzübergang Erez im Norden des Küstengebiets sowie vorübergehend den Hafen von Aschdod für Hilfslieferungen zu öffnen.

Israel behauptet, dass ausreichende Hilfe in den Gazastreifen gelangt, das eigentliche Problem sei die Verteilung der Lebensmittel vor Ort.

Die Bilder von mehreren palästinensischen Badegästen am Strand von Dair al-Balah im Zentrum des Gazastreifens, über die auch Netanjahu bei seinem Treffen mit Baerbock gesprochen hat, sind kürzlich im Netz und in israelischen Medien viral geworden. Augenzeugen haben der Deutschen Presse-Agentur berichtet, dass sie sich aufgrund der derzeitigen hohen Temperaturen im Meer abkühlen und aufgrund des Wassermangels auch dort duschen.

Furcht vor Krankheiten

«Ich habe keine Ventilatoren, Klimaanlage oder Strom, womit wir diese Situation bewältigen könnten», sagte die Palästinenserin Aridsch Nassar, die in einem Zelt in der Stadt im Zentrum des Gazastreifens untergekommen ist. Tagsüber seien die Temperaturen im Zelt unerträglich. Deshalb badeten sie und ihre kleinen Kinder im Meer. Sie wasche dort auch die Kleidung der Familie. Aufgrund des Wassermangels fürchtet sich die Frau vor Krankheiten.

«Die Menschen draußen denken, dass wir das Meerwasser genießen», sagte der 55 Jahre alte Samir al-Ajubi der dpa. Das Baden sei aber vielmehr den äußeren Umständen geschuldet. «Wir müssen wir täglich duschen und Wasser finden wir nur im Meer.» Der fünffache Vater hat sein Zelt am Ufer des Strandes aufgeschlagen. Zuvor war er wegen der drohenden israelischen Offensive aus der Stadt Rafah im Süden des Küstengebiets geflohen. 

1,5 Palästinenser leben unter schwierigsten Bedingungen

Aufgrund des Gaza-Krieges mussten Hunderttausende Palästinenser den Norden des Gazastreifens in Richtung Süden verlassen. Laut Schätzungen von UN-Organisationen leben in Rafah etwa 1,5 Millionen der insgesamt 2,2 Millionen Palästinenser unter extrem schwierigen Bedingungen.

Bei ihrem siebten Israel-Besuch am Mittwoch traf Baerbock unter anderem Netanjahu und Staatspräsident Izchak Herzog.

dpa