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Israel erwägt vor Rafah-Angriff neuen Geisel-Deal

Zahlreiche Zivilisten sollen Rafah vor Israels angekündigter Militäroffensive schon verlassen haben. Kommt in letzter Minute doch noch eine Feuerpause zustande? Die News im Überblick.

Israelische Panzer auf dem Weg zur Grenze: Israel hält eine Offensive in Rafah für unumgänglich, um die dort verbliebenen Bataillone der Hamas zu zerschlagen.
Foto: Leo Correa/AP/dpa

Kurz vor der erwarteten Bodenoffensive Israels in Rafah im Süden des Gazastreifens gibt es laut Medienberichten neue Anzeichen für Bewegung in den festgefahrenen Verhandlungen über eine Feuerpause. Israels Regierung ist angeblich bereit, von ihrer ursprünglichen Forderung nach der Freilassung von 40 lebenden Geiseln durch die islamistische Hamas als Gegenleistung für eine vorübergehende Waffenruhe abzurücken.

Israelische Medien haben berichtet, dass Israel bereit ist, in einer ersten Phase eines Abkommens die Freilassung von nur 20 Geiseln – laut einem hochrangigen Beamten 33 Geiseln – zu akzeptieren. Es handelt sich um israelische Frauen, Männer über 50 Jahre und schwer Erkrankte. Heute sind Gespräche zwischen einem israelischen Verhandlungsteam und einer ägyptischen Delegation in Israel geplant. Ägypten strebt eine Einigung an, um Israels Militäreinsatz in Rafah noch zu verhindern.

Temporärer Hafen vor Gaza soll Anfang Mai einsatzfähig sein

Inzwischen sind US-amerikanische Schiffe vor der Küste des umkämpften Gazastreifens im Einsatz, um dort eine provisorische Hafenanlage für die Versorgung der Not leidenden Bevölkerung mit Hilfsgütern zu errichten. Das US-Militär hat bereits mit den Arbeiten begonnen und ist mit Schiffen vor Ort, sagte Pentagon-Sprecher Pat Ryder.

Die US-Regierung geht davon aus, dass die Anlage vor der nördlichen Küste des Kriegsgebiets Anfang Mai betriebsbereit sein wird. Erneut warnte die US-Regierung eindringlich vor einer drohenden Hungersnot in Gaza. Unterdessen protestierten in Israel Angehörige der im Gazastreifen festgehaltenen Geiseln vor dem Militärhauptquartier in Tel Aviv und forderten lautstark ihre Rückholung, während drinnen das Kriegskabinett tagte.

Die USA, Deutschland und 16 weiterer Länder hatten zuvor die Hamas zur sofortigen Freilassung aller Geiseln aufgerufen, die seit mehr als 200 Tagen im Gazastreifen festgehalten werden. «Das Schicksal der Geiseln und der Zivilbevölkerung in Gaza, die unter dem Schutz des Völkerrechts steht, ist von internationaler Bedeutung», hieß es in einer gemeinsamen Erklärung.

Die islamistische Terrororganisation hat vor kurzem einen Kompromissvorschlag der Vermittlerstaaten abgelehnt, der die Freilassung von 40 Geiseln gegen 900 palästinensische Häftlinge während einer sechswöchigen Waffenruhe vorsah.

Ringen um Freilassung der Geiseln

Laut Berichten hätte die Hamas Frauen, Soldatinnen, Männer über 50 Jahre sowie Männer unter 50 Jahre mit schweren Erkrankungen freilassen sollen. Die Hamas gab jedoch an, dass sie keine 40 lebenden Geiseln aus diesen Kategorien habe, woraufhin Israel vorgeschlagen habe, die Lücke mit Soldaten oder Männern unter 50 Jahren zu füllen. Trotzdem konnte keine Einigung erzielt werden. Bis vor einigen Wochen ging Israel davon aus, dass fast 100 der rund 130 in Gaza verbliebenen Geiseln noch am Leben waren. Inzwischen wird befürchtet, dass deutlich mehr von ihnen bereits verstorben sein könnten.

Israel ist nun angeblich bereit, flexibel zu sein. Es wurde jedoch nicht angegeben, wie lange eine Waffenruhe dauern würde, um 20 oder 33 Geiseln freizulassen. Es ist unklar, ob und wie viele palästinensische Häftlinge aus israelischen Gefängnissen entlassen würden. Israel wird sich jedoch nicht auf ein Ende des Krieges einlassen, wie es von der Hamas gefordert wird.

Seit Monaten führen Israel und die Hamas indirekte Verhandlungen über eine Feuerpause und die Freilassung weiterer Geiseln, die Terroristen der Hamas und anderer extremistischer Gruppen am 7. Oktober des vergangenen Jahres nach Gaza entführt hatten. Ägypten, die USA und Katar agieren als Vermittler. Ägypten äußerte Bedenken, dass bei einem israelischen Angriff auf Rafah viele Palästinenser in großer Zahl die Grenze von Gaza überschreiten könnten.

Bericht: Zehntausende verlassen Rafah

Israel betrachtet eine Offensive in Rafah als unvermeidlich, um die verbliebenen Hamas-Bataillone zu besiegen. Es wird auch vermutet, dass sich dort Geiseln befinden. Laut Hilfsorganisationen suchten über eine Million Menschen in Rafah Schutz vor den Kämpfen im restlichen Gazastreifen.

Inzwischen hätten jedoch angesichts der drohenden Offensive 150.000 bis 200.000 palästinensische Zivilisten Rafah teils Richtung der zuvor umkämpften Stadt Chan Junis verlassen, meldete die «Jerusalem Post» unter Berufung auf die Armee. Israels Militär hofft demnach darauf, dass weitere Zivilisten dem Beispiel folgen und in neu errichtete Zeltstädte im Süden sowie im Zentrum Gazas ziehen. Das Militär wollte sich auf Anfrage nicht zu dem Bericht äußern. 

«Die humanitäre Lage in Gaza ist unglaublich schlimm», sagte eine Vertreterin der US-Behörde für internationale Entwicklung (USAID). Fast 30 Prozent der Kinder im Norden des abgeriegelten Küstenstreifens zeigten Anzeichen schwerer Unterernährung. Im Süden sei fast ein Viertel der Bevölkerung mit «katastrophaler Ernährungsunsicherheit» konfrontiert.

Die US-Regierung hatte Anfang März den Bau eines temporären Hafens angekündigt, um Lebensmittel, Wasser und Medikamente ins Kriegsgebiet zu bringen. Israels Armee soll bei der Logistik und Sicherheit unterstützen. Laut US-Regierungsvertretern sind etwa tausend US-Soldaten an dem Projekt beteiligt, die jedoch nicht ins Kriegsgebiet eintreten würden.

Bemühungen um Aufstockung der Hilfe für Gaza

Es wurde angekündigt, dass die Hilfslieferungen zunächst über Zypern erfolgen würden. Handelsschiffe sollen sie von dort zur schwimmenden Anlage bringen, die mehrere Kilometer vor der Küste Gazas liegt. Auf der Plattform sollen die Lieferungen dann auf kleinere Schiffe umgeladen werden. Anschließend sollen die Hilfsgüter mit Lastwagen beladenen kleineren Schiffen zu einem provisorischen schwimmenden Landungssteg am Gazastreifen gebracht werden.

Die Waren würden im Gazastreifen an einem sicheren Ort entladen, von US-Partnern abgeholt und schließlich an die bedürftigen Zivilisten im Kriegsgebiet verteilt, so die Aussage.

Der Krieg begann mit einem beispiellosen Massaker, bei dem mehr als 1200 Menschen getötet wurden, das Terroristen der Hamas und anderer Gruppen am 7. Oktober letzten Jahres in Israel begangen hatten. Über 250 Personen wurden nach Gaza entführt. Israel reagierte darauf mit massiven Luftangriffen und einer Bodenoffensive. Laut Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde wurden seit Beginn des Krieges mehr als 34.200 Menschen im Gazastreifen getötet und mehr als 77.200 weitere verletzt.

Die Zahlen, die keine Unterscheidung zwischen Kämpfern und Zivilisten treffen, sind nicht unabhängig überprüfbar. Aufgrund der hohen Anzahl ziviler Opfer und der katastrophalen humanitären Lage im Gazastreifen, der ungefähr die Größe von München hat, wurde Israel international stark kritisiert.

dpa