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Neue Schuldenregeln für EU-Staaten sind beschlossen

Seit Jahren sollen die Staatsschulden und Haushaltsdefizite in der EU reformiert werden, in den letzten Monaten sind die Pläne konkreter geworden. Jetzt steht die Reform.

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Foto: ---/dpa-Infografik/dpa

In der Europäischen Union werden in Zukunft neue Regeln für die Staatsschulden und Haushaltsdefizite der Mitgliedsländer eingeführt. Der Ministerrat hat in Luxemburg abschließend Reformpläne für den sogenannten Stabilitäts- und Wachstumspakt angenommen, wie EU-Diplomaten der Deutschen Presse-Agentur bestätigten.

Die Zustimmung des Rates der Europäischen Union war der abschließende Schritt für die lange geplante Reform des Regelwerks. Es legt den Staaten unter anderem Schuldenobergrenzen fest. Künftig sollen klare Mindestanforderungen dafür gelten, wie stark hoch verschuldete Länder ihre Schuldenquoten senken müssen. Gleichzeitig soll die individuelle Situation der Länder stärker bei EU-Zielvorgaben berücksichtigt werden.

Letzte Woche hatte das Europaparlament in Straßburg bereits die Reformpläne genehmigt. Nach der Zustimmung der EU-Länder müssen die neuen Vorschriften jetzt noch im EU-Amtsblatt veröffentlicht werden, damit sie wirksam werden. Dies wird voraussichtlich Anfang Mai geschehen.

Was ist der Stabilitäts- und Wachstumspakt?

Das Regelwerk soll sicherstellen, dass die Länder die Budgetdisziplin einhalten und somit solide öffentliche Finanzen gewährleisten. Diese sind eine wichtige Voraussetzung für die Stabilität in der EU und im Euro-Raum. Wenn die Obergrenzen überschritten werden, können Schulden-Strafverfahren, auch Defizitverfahren genannt, eingeleitet werden. Das betroffene Land muss dann Maßnahmen ergreifen, um die Verschuldung und das Defizit zu reduzieren.

Die bisherigen Regeln aus den 1990er Jahren wurden seit langem von Kritikern als zu kompliziert und zu streng kritisiert. „Zuletzt waren die Strafverfahren wegen der Corona-Krise sowie der Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine aber ganz ausgesetzt. Vor allem 2020 lagen die Defizite in fast allen EU-Ländern deutlich über der Drei-Prozent-Marke.“

Was künftig gelten soll 

Im Grunde soll in der EU unter den neuen Vorschriften auch weiterhin gelten, dass der Schuldenstand eines Mitgliedstaates 60 Prozent der Wirtschaftsleistung nicht überschreiten darf. Außerdem soll das gesamtstaatliche Finanzierungsdefizit – also die vor allem durch Kredite zu deckende Lücke zwischen den Einnahmen und Ausgaben des öffentlichen Haushalts – unter drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) gehalten werden.

In Zukunft sollen laut den Plänen unter anderem die individuelle Lage von Ländern stärker berücksichtigt werden. Die EU-Kommission, die für die Aufsicht zuständig ist, soll beispielsweise während einer Übergangszeit den Anstieg der Zinszahlungen bei der Berechnung der Anpassungsanstrengungen berücksichtigen können. Falls Mitgliedstaaten überzeugende Reform- und Investitionspläne vorlegen, die die Widerstandsfähigkeit und das Wachstumspotenzial verbessern, könnte auch der Zeitraum zur Schuldenverringerung verlängert werden.

Zusätzlich sind auch Schutzmaßnahmen geplant: Länder mit einem Schuldenstand von über 90 Prozent müssen ihre Schuldenquote jährlich um einen Prozentpunkt senken, während Länder mit Schuldenständen zwischen 60 und 90 Prozent um 0,5 Prozentpunkte reduzieren müssen.

Warum die neuen Vorschriften umstritten sind

Kritiker betonen immer wieder, dass die Regeln erforderliche Investitionen in Bereiche wie Klimaschutz oder Soziales einschränken. Eine Analyse des Europäischen Gewerkschaftsbundes (EGB) und der New Economics Foundation (NEF) ergab Anfang April, dass ab 2027 nur noch Dänemark, Schweden und Irland in der Lage sein werden, die erforderlichen Ausgaben zu tätigen, wenn die geplanten Regeln eingehalten werden. Auch in Deutschland würden Investitionen laut der Analyse stark behindert. Die Grünen im Europaparlament sehen die Reform daher ebenfalls sehr kritisch. „Sie entspricht nicht den Anforderungen der Zeit“, sagte die Europaabgeordnete Henrike Hahn.

Bundesfinanzminister Christian Lindner hingegen ist zufrieden. Deutschlands zentrales Anliegen – «finanzpolitische Stabilität» – finde sich in den Gesetzestexten wieder, sagte der FDP-Politiker jüngst. «Wir bekommen klare Regeln für den Schuldenabbau, die dann auch mit einer realistischen Perspektive durchgesetzt werden können.» Auch die christdemokratische EVP-Fraktion im Europaparlament sprach sie für die Reform aus. Das neue Regelwerk schaffe mehr Klarheit und stelle die Wirtschafts- und Währungsunion auf ein solides Fundament, sagte der wirtschaftspolitische Sprecher Markus Ferber (CSU). 

Wie es weitergeht

Ab diesem Frühjahr sollen die Defizitverfahren wieder eröffnet werden können – aller Voraussicht nach sollen dann bereits die neuen Regeln gelten. Nach den neuesten Daten des EU-Statistikamtes Eurostat haben mehrere Länder im vergangenen Jahr die Obergrenzen überschritten.

dpa