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Falsche Atteste gegen Maskenpflicht? – Arzt vor Gericht

Panikattacke oder Asthma – mit solchen Diagnosen soll ein Hamburger Arzt seine Patienten in der Corona-Zeit vor der Maskenpflicht bewahrt haben. Nun muss sich der 80-Jährige vor Gericht verantworten.

Der 80-jährige Arzt zum Auftakt seines Prozesses im Gerichtssaal in Hamburg.
Foto: Markus Scholz/dpa pool/dpa

In Hamburg hat ein Prozess begonnen, der großes öffentliches Interesse hervorgerufen hat. Es geht um mutmaßlich falsche Gesundheitszeugnisse in der Corona-Pandemie. Ein Arzt für Innere Medizin wird beschuldigt, zwischen April 2020 und September 2021 in 57 Fällen falsche Atteste zur Befreiung von der Maskenpflicht ausgestellt zu haben. Der 80-jährige Beschuldigte hat sich am Montag vor der Großen Strafkammer am Landgericht nicht zu den Vorwürfen geäußert.

Diagnose «CO2-Vergiftung» und «Panikattacken»

Laut Anklage soll er die für die Gesundheitszeugnisse erforderlichen Untersuchungen bei den Patienten nicht gemacht haben. Diagnosen wie «Symptome einer CO2-Vergiftung», «Panikattacken» oder «Asthma bronchiale» soll er teilweise ohne Begründung notiert haben. In einem Fall habe er es unterlassen, eine Patientin durch einen Facharzt für Psychiatrie untersuchen zu lassen. Der Angeklagte habe die Diagnosen in seiner privatärztlichen Praxis in Hamburg und als Leiter der Initiative «Ärzte für Aufklärung» gestellt, hieß es.

Die Initiative wurde während der Corona-Zeit heftig kritisiert für ihre Kritik an den Schutzmaßnahmen und ihre Warnungen vor einer Zwangsimpfung in den Medien. Die Hamburger Ärztekammer hatte sich von der Initiative distanziert.

Verteidiger rügen Besetzung der Strafkammer

Die Verteidiger hatten vergeblich versucht, die Verlesung der Anklage zu verhindern. Anwalt Ivan Künnemann erklärte, dass die Große Strafkammer nicht ordnungsgemäß besetzt worden sei. Das Hanseatische Oberlandesgericht wird bald über ihre Rüge entscheiden.

Die Verteidiger erklärten in einer Pressemitteilung, dass gemäß den damaligen Corona-Eindämmungsverordnungen des Hamburger Senats grundsätzlich jede Person mit einer gesundheitlichen Beeinträchtigung oder Behinderung von der Maskenpflicht befreit war. Es wurde nicht festgelegt, wer solche Beeinträchtigungen bescheinigen durfte.

Die Verteidiger wiesen darauf hin, dass es in der Corona-Pandemie nicht ungewöhnlich war, dass Ärzte ihren Patienten Bescheinigungen ausstellten, ohne sie in ihrer Praxis untersucht zu haben. Sie verwiesen auf die damals übliche telefonische Krankschreibung.

Nach der Verhandlung sagte der Angeklagte vor Pressevertretern: «Ich habe mir nichts vorzuwerfen. Ich habe mich an die Gesetze und die Berufsordnung gehalten.» Ärzte, die unrichtige Gesundheitszeugnisse ausstellen, können zu einer Geldstrafe oder bis zu zwei Jahren Haft verurteilt werden.

Viele Zuschauer und Gerichtstermine

Etwa 100 Zuschauer drängten sich in den Gerichtssaal, aber nicht alle fanden Platz. Das Gericht hat vorerst 18 weitere Termine bis Ende September angesetzt. Der Grund für die erwartete lange Verfahrensdauer ist die große Anzahl von Zeugen. Sofern die Patienten des Arztes bereits rechtskräftig verurteilt sind, haben sie kein Aussageverweigerungsrecht und müssen vor Gericht Rede und Antwort stehen. Ein Verständigungsgespräch vor Beginn der Hauptverhandlung war nicht erfolgreich. Die Verteidigung forderte einen Freispruch, jedoch bestand die Staatsanwaltschaft auf Aufklärung der Vorwürfe, berichtete Behr.

dpa