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Wahl in Russland fortgesetzt – Drohungen gegen Kremlgegner

Niemand zweifelt daran, dass Putin sich am Ende zum Sieger der russischen Präsidentenwahl erklären wird. Doch eine geplante Protestaktion scheint den Machtapparat nervös zu machen.

Eine Frau verlässt eine Wahlkabine in einem Wahllokal während der Präsidentschaftswahlen.
Foto: Dmitri Lovetsky/AP

Unter Ausschluss der Opposition und im Schatten des Krieges setzt Russland am Samstag seine Präsidentschaftswahl zur Sicherung der Macht von Kremlchef Wladimir Putin fort. Bereits am Nachmittag des zweiten von drei Abstimmungstagen gab Russlands zentrale Wahlkommission die Wahlbeteiligung mit mehr als 50 Prozent an. Beobachter verweisen jedoch auf Betrug und Manipulation.

Insbesondere Staatsbedienstete wurden Berichten zufolge bereits massenhaft zur Abstimmung gedrängt. Vor einer geplanten Protestaktion am Sonntag berichten Kremlgegner in Moskau zudem von Drohnachrichten.

Um 16.00 Uhr Moskauer Zeit (14.00 Uhr MEZ) am Samstag hatte bereits mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten ihre Stimme entweder in einem Wahllokal oder online abgegeben, sagte der stellvertretende Vorsitzende der Wahlkommission, Nikolai Bulajew, laut der Agentur Interfax. Die Wahlbeteiligung ist für den Kreml ein wichtiger Wert, damit Putin am Ende zeigen kann, dass angeblich ein Großteil der Bevölkerung ihn und seinen Angriffskrieg gegen die Ukraine aktiv unterstützt. Laut den Daten staatlicher Meinungsforscher strebt der Kreml eine Beteiligung von mehr als 70 Prozent an.

Busse fahren zu Abstimmungsorten

Laut Berichten unabhängiger Beobachter wurden jedoch Mitarbeiter von Staatsbetrieben in großer Zahl zur Abstimmung gedrängt. Zahlreiche Unternehmen haben angeblich bereits Gruppenfotos ihrer Belegschaften vor den jeweiligen Wahllokalen in sozialen Netzwerken veröffentlicht. Videos zeigen zudem, wie Menschen mit Bussen zu den Abstimmungsorten gebracht wurden. Es wurde auch über starken Druck auf ukrainische Bürger berichtet, die in den besetzten Gebieten an Abstimmungen teilnehmen sollen, die völkerrechtswidrig sind und daher international nicht anerkannt werden.

Die Wahl in Russland, die Putin eine fünfte Amtszeit als Präsident sichern soll, dauert bis Sonntagabend um 19.00 Uhr MEZ. Der 71-jährige Kremlchef hat keine echten Gegenkandidaten. Ernstzunehmende Oppositionelle wurden entweder nicht als Kandidaten zugelassen, sind ins Ausland geflohen, sitzen im Straflager oder sind tot. Deshalb rufen Kremlgegner zu Protestaktionen auf.

Am Sonntag Protestaktion geplant

Am ersten Wahltag am Freitag haben Männer und Frauen in verschiedenen Wahllokalen Farbe in die Wahlurnen gegossen, um die darin enthaltenen Stimmzettel ungültig zu machen. Einige haben sogar kleinere Brände gelegt. Mehrere Personen wurden festgenommen. Am Samstag wurde einer Frau in Jekaterinburg am Ural von Polizisten daran gehindert, grüne Flüssigkeit in eine Wahlurne zu gießen.

Die Hauptprotestaktion ist jedoch für Sonntag geplant: Verschiedene Oppositionelle rufen die Russen dazu auf, in dem Riesenland mit seinen elf Zeitzonen um exakt 12.00 Uhr der jeweiligen Ortszeit vor den Wahllokalen zu erscheinen. An den langen Warteschlangen – so die Hoffnung – soll sich dann die Unzufriedenheit im Land ablesen lassen. Befürchtet wird, dass es auch hierbei wieder zu Festnahmen kommen wird. Russische Behörden haben bereits vor einer Teilnahme an der Aktion gewarnt und behauptet, dass sie «Anzeichen extremistischer Aktivitäten» darin sähen.

Im Vorfeld berichteten kremlkritische Menschen in der Hauptstadt Moskau von Droh-SMS, die sie auf ihre Handys erhalten hätten. Unter anderem das unabhängige Portal Meduza veröffentlichte Screenshots von einer Sammelnachricht, in der es heißt: «Unabhängig davon, dass du Ideen extremistischer Organisationen unterstützt, freuen wir uns, dass du in Moskau wählen wirst.» Dann folgt eine Aufforderung, «ruhig» an der Wahl teilzunehmen – «ohne Warteschlangen und Provokationen». Wer hinter den Nachrichten, die auf Telegram und Signal verschickt wurden, steckt und wie die Empfänger ausgewählt wurden, ist bisher nicht bekannt.

Erneut Beschuss in russischer Grenzregion Belgorod

Moskau ruft insgesamt 114 Millionen Menschen zur Abstimmung auf, die als völlig undemokratisch kritisiert wird – mehr als 4,5 Millionen davon in den besetzten Teilen der ukrainischen Gebiete Donezk, Luhansk, Saporischschja und Cherson. Auch auf der Schwarzmeer-Halbinsel Krim, die Moskau bereits 2014 annektierte, werden Abstimmungen organisiert. Kremlgegner fordern die internationale Gemeinschaft auf, das Ergebnis nicht anzuerkennen.

Auch in russischen Staatsgebiet wird die Abstimmung durch den Krieg überschattet, den Putin vor mehr als zwei Jahren angeordnet hat. Auch am zweiten Wahltag gab es in der Grenzregion Belgorod wieder starken Beschuss. Gouverneur Wjatscheslaw Gladkow zufolge wurden am Samstag zwei Menschen getötet. In der Region Samara gab es laut russischen Behörden auch Drohnenangriffe auf zwei Ölraffinerien, wobei in einer Anlage ein Brand ausbrach. Ukrainische Geheimdienstquellen sprachen von drei angegriffenen Raffinerien.

dpa