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Sieben Prozent mehr in der Chemieindustrie gefordert

585.000 Menschen beschäftigt die chemisch-pharmazeutische Industrie. Die Gewerkschaft IG BCE hat jetzt ihre Forderungen für die Tarifrunde beschlossen – und droht mit Streiks.

Die Chemie- und Pharmabranche ist Deutschlands drittgrößte Industriebranche.
Foto: Jan Woitas/dpa

Die Gewerkschaft IG BCE geht mit der Forderung nach sieben Prozent mehr Geld in die Tarifrunde für die rund 585.000 Beschäftigten in der deutschen Chemie- und Pharmaindustrie. Außerdem strebt sie tarifliche Vorteile für ihre Mitglieder sowie eine Modernisierung des Entgelttarifvertrages an. Diesen Beschluss hat die Bundestarifkommission der IG BCE in Erfurt einstimmig gefasst.

Die Verhandlungen in den neun bundesweiten Tarifbezirken sollen in der kommenden Woche beginnen – mit dem Start am 15. April in Frankenthal (Rheinland-Pfalz). Die erste Verhandlungsrunde auf Bundesebene ist für den 14. und 15. Mai in Teistungen in Thüringen geplant.

Der derzeitige Tarifvertrag und mit ihm die Friedenspflicht läuft nach Gewerkschaftsangaben am 30. Juni aus. «Wenn wir bis Ende Juni nicht in die Nähe eines Abschlusses kommen, dann können wir unsere Forderungen auch anders deutlich machen», sagte IG-BCE-Tarifvorstand und Chemie-Verhandlungsführer Oliver Heinrich der «Süddeutschen Zeitung». «Arbeitskämpfe zählen zu unserem Werkzeugkasten.» Die Warnung ist für die Chemiebranche ungewöhnlich offen: Streiks hat es hier seit mehr als 50 Jahren nicht mehr gegeben.

Arbeitgeber wollen Tarifvertrag «für die Krise»

Die Chemie- und Pharmabranche ist nach dem Auto- und Maschinenbau Deutschlands drittgrößte Industriebranche. Aufgrund gestiegener Energiepreise und der schwachen Konjunktur steckt sie in der Krise. Im letzten Jahr ist der Umsatz laut dem Branchenverband VCI um gut zwölf Prozent auf 229,3 Milliarden Euro im Vergleich zum Vorjahr gesunken.

«Das Jahr 2024 haben viele Unternehmen aufgrund fehlender Aufträge bereits abgeschrieben», hatte der Hauptgeschäftsführer des Bundesarbeitgeberverbands Chemie (BAVC), Klaus-Peter Stiller, jüngst erklärt. «Eine Branche in der Krise braucht einen Tarifabschluss für die Krise.» Der Schutz des Standorts habe oberste Priorität.

Laut einer Umfrage des BAVC erwarten 63 Prozent der Unternehmen keine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage vor 2025. Jeder zwölfte Betrieb geht davon aus, dass sich wesentliche Teile seines Geschäfts in Deutschland nicht mehr erholen werden.

Mehr Freizeit oder Geld für Gewerkschaftsmitglieder?

Tarifliche Vorteile für IG-BCE-Mitglieder könnten für einen höheren Organisationsgrad der Beschäftigten und eine bessere Tarifbindung sorgen, erklärte die Tarifkommission. Das könnten mehr Freizeit, mehr Geld oder eine bessere soziale oder gesundheitliche Absicherung für Gewerkschaftsmitglieder sein. «Seit Jahren reden wir über spürbare Differenzierungsregelungen für unsere Leute, seit Jahren halten uns die Chemie-Arbeitgeber hin», sagte Heinrich. Die Entgeltforderung berücksichtige die differenzierte Lage der Unternehmen – die Personalkosten machten im Schnitt nur ein Siebtel des Umsatzes aus.

Heinrich warnte die Arbeitgeber davor, die Situation der Branche systematisch schlechtzumachen und dadurch eine Verschärfung des Konflikts zu provozieren. «Wir erleben keine branchenweite Krise von Chemie und Pharma – wir erleben eine gesellschaftliche Krise aus Reallohnverlusten und fehlender Binnennachfrage», so der Verhandlungsführer der Gewerkschaft. Der Attraktivitätsverlust der Branche als Arbeitgeberin müsse gestoppt werden. «Das geht nur mit mehr Geld und Wertschätzung – und nicht mit Schwarzmalerei.»

Es wird unter anderem bei der geforderten Modernisierung des Bundesentgelttarifvertrags aus dem Jahr 1987 um mehr Fairness, verbesserte Aufstiegschancen und weniger Bürokratie gehen.

dpa