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Astronaut Reiter wird 65: Sein Weg zum Raumfahrtpionier

Zwölf Deutsche waren bisher im All – Thomas Reiter flog sogar zu zwei Raumstationen. Jetzt wird der frühere Astronaut 65 Jahre alt und ist immer noch begeistert vom Weltraum.

Der deutsche Astronaut Thomas Reiter an Bord der Internationalen Raumstation ISS: Hier hantiert er mit Teilen einer Laborgefriereinrichtung.
Foto: NASA/dpa

Er war der erste Deutsche auf der Internationalen Raumstation ISS und der erste Deutsche, der ins freie All ausstieg: der Astronaut Thomas Reiter. «Das lautlose Schweben über den Kontinenten, verbunden mit der Schwerelosigkeit, ist überwältigend», schwärmt er noch heute.

«Der Anblick der am Horizont versinkenden Sonne und der vorbeiziehenden Regionen geht durch Mark und Bein.» Sein Flug zum Außenposten der Menschheit 2006 war Reiters zweite Mission – elf Jahre zuvor war er zum Himmelslabor «Mir» geflogen. Heute wird der deutsche Raumfahrtpionier 65 Jahre alt.

Frühe Begeisterung

Das Weltall beschäftigt den am 23. Mai 1958 in Frankfurt/Main geborenen Reiter schon in der Kindheit. «Mein Zimmer war gepflastert mit Zeitungsausschnitten über den Kosmos», erzählt er im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Als Elfjähriger schreibt er einen Brief an Neil Armstrong, den ersten Menschen auf dem Mond.

Jahrzehnte später erhält er Antwort: Als Reiter 1995 auf der «Mir» arbeitet, schickt ihm Armstrong einen Gruß ins All. Die US-Raumfahrtagentur Nasa hatte von Reiters Frau von dem Brief erfahren und die Antwort organisiert.

«Da die Chance klein ist, in Europa Astronaut zu werden, habe ich nach der Schule zunächst die Luftfahrt gewählt», sagt Reiter. Er besucht die Offiziersschule der Luftwaffe in Fürstenfeldbruck und schließt 1982 sein Studium für Luft- und Raumfahrttechnik in München ab. In den USA wird er zum Jetpiloten ausgebildet. Als 1989 die Europäische Weltraumorganisation Esa Astronauten sucht, ist Reiter unter vielen Bewerbern. Er wird genommen – und fliegt 1995 ins All.

Gleich zwei Missionen

Beim Start konzentriert er sich auf die Arbeit in der Kapsel. «Aber ich habe mich auch an meine Kindheitsträume erinnert und gedacht: «Das alles kann ich eigentlich gar nicht glauben»», erzählt er.

Von seiner Mission auf der «Mir» bringt Reiter ein besonderes Souvenir mit: die Handschuhe des Außeneinsatzes. «Das bedeutet mir sehr viel. Die Handschuhe haben jetzt meine Söhne.» Damals seien die Spezialanfertigungen drei Mal benutzt gewesen und wären vernichtet worden. Reiter war 1995/96 rund 177 Tage auf der «Mir», die 2001 beim kontrollierten Absturz größtenteils in der Atmosphäre verglühte.

Gut ein Jahrzehnt später startet er zur ISS. Der Nachfolger der «Mir» rast mit 28.000 Stundenkilometern um die Erde. Raumfahrer schwärmen vom Blick aus 400 Kilometern Höhe auf unseren Planeten. «Ich hatte nach beiden Missionen das Gefühl, den Ausblick zu selten genossen zu haben», sagt Reiter.

«Einfach schauen – ohne zu fotografieren. Für einen selbst, mit Musik im Ohr. Etwa Klassik oder «Albatross» von Fleetwood Mac. Wenn ich dieses Lied höre, sind die Erinnerungen sofort da.» Auf der ISS arbeitet er 166 Tage. Von den deutschen Raumfahrern war nur Alexander Gerst insgesamt länger im All.

Besonders der Ausstieg in den Weltraum beeindruckt Reiter. «Ich ringe nach so vielen Jahren noch nach Worten», sagt er an seinem Wohnort bei Oldenburg. «Der wunderschöne Himmel und die Eiskristalle, die beim Öffnen der Luke nach draußen gesogen werden und im Sternenlicht glitzern – dieses Bild lässt einem den Atem stocken.»

Weltall verändert

Europas früherer Raumfahrtchef Jan Wörner würdigt Reiter als «hervorragenden Botschafter der Raumfahrt und guten, lieben Freund». Nach seinem zweiten Raumflug habe er Reiter gewinnen können, Vorstand im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) zu werden, erzählt Wörner.

Dort habe Reiter die Raumfahrtforschung vorangebracht und einen sehr guten Entwurf für eine nationale Raumfahrtstrategie formuliert. «Dann ist er als Direktor zur Esa gewechselt, und ich konnte als Generaldirektor auf seine zuverlässige Arbeit vertrauen.»

Reiter ist überzeugt, dass der Blick auf unseren Planeten und die Schwerelosigkeit, die diese Wahrnehmung noch verstärke, jeden Menschen verändere. «Ich laufe jetzt nicht mein Leben lang mit diesen Bildern vor dem geistigen Auge umher. Aber wenn ich Nachrichten sehe und dann an den Kontrast zwischen der unglaublichen Schönheit unseres Planeten und der Wirklichkeit denke, ist das manchmal schmerzhaft.»

Seine Missionen hätten ihm die Zuversicht gegeben, dass die Menschheit ihre Probleme nur gemeinsam lösen könne. «Ich weiß, dass die Realität anders aussieht», sagt Reiter. «Manchem mag diese Sicht naiv erscheinen. Aber ich möchte von dieser Hoffnung nicht lassen.»

dpa