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Aufstieg und Ausnahmezustand: «Der HSV war nie weg»

Welche Bedeutung der HSV für die Stadt, die Region und seine Fans hat, zeigt sich nach der Bundesliga-Rückkehr. Dem Aufstieg folgt eine magische Nacht. Einer steht dabei besonders im Mittelpunkt.

Stürmer Davie Selke ist mit dem HSV in die Bundesliga aufgestiegen.
Foto: Christian Charisius/dpa

Die Wucht des Hamburger SV bekam Davie Selke nach der Rückkehr in die Fußball-Bundesliga hautnah zu spüren. «Ich bin auch schon ein paar Jahre dabei. Das habe ich aber so auch noch nicht erlebt», sagte der 30 Jahre alte Stürmer und einer der Aufstiegsgaranten nach der Rückkehr in die deutsche Beletage. «Und ja, ich bin echt richtig stolz, dass ich das hier miterleben durfte.» 

Nach der 6:1-Gala gegen den SSV Ulm entlud sich bei den Spielern, den Fans, in der Stadt und in der Region das, was sich in sieben Jahren nur schwer zu verkraftende Zweitklassigkeit aufgestaut hatte. «Es ist mir so vorgekommen, als hätte einer seit sieben Jahren eine große Champagnerflasche geschüttelt, und heute hat einer den Korken aufgemacht», sagte Sportvorstand Stefan Kuntz (62) beim Sender Sky.

Ein Sturm von Zehntausenden Anhängern, Feuerwerke am Stadion, Autokorso auf dem Kiez, Bierduschen, Gesangseinlagen von Spielern wie Selke, Robert Glatzel, Youngster Otto Stange oder Ludovit Reis: die Emotions-Explosion war noch lange nach dem Schlusspfiff im und rund um das Volksparkstadion und in der Stadt zu spüren. Und auf dem Rasen zu sehen: Viele Fans nahmen sich ein Stück als Erinnerung. Die Begeisterung für das Team unter der Leitung des jungen Cheftrainers Merlin Polzin kannte keine Grenzen.

Verletzte bei Platzsturm

Es gab jedoch auch unschöne Szenen mit schlimmen Konsequenzen. Als Fans von den Tribünen auf den Rasen sprangen und das Feld in Massen stürmten, wurden 20 Personen schwer verletzt. Einer von ihnen schwebte sogar in Lebensgefahr. Über 60 Rettungskräfte und Feuerwehrleute mussten sich um die Verletzten kümmern.

Die allgemeine Hochstimmung konnte davon nicht getrübt werden. «Der HSV ist wieder da, wo er hingehört», sagte Selke. Und nicht nur er, die HSV-Anhänger oder die Club-Verantwortlichen, sondern auch der meisten Fußball-Nostalgiker sind dieser Meinung.

Zwei Hamburger bringen HSV wieder hoch

Der Verein mit der großen Vergangenheit, den großen Namen und großen Titeln fasziniert trotz des Makels der sieben Jahre Zweitklassigkeit die Massen. «Der HSV war nicht in der ersten Liga, der HSV war aber nie weg», sagte Trainer Polzin. 

Der in Bramfeld geborene Hamburger kennt die Bedeutung des HSV nur allzu gut. Zusammen mit seinem Co-Trainer Loic Favé aus Eimsbüttel stand er als junger Mensch bei den Fans im Volksparkstadion und begleitete die Mannschaft zu Auswärtsspielen. Mit 34 Jahren hat er erreicht, was seinen berühmteren Vorgängern als Cheftrainer nicht gelang.

«Der HSV ist einer der größten Vereine, was die Mitglieder angeht. Der Verein hat überall in Deutschland und Europa, in der ganzen Welt seine Anhänger», betonte er. «Wir wissen, was der Verein in der Stadt den Leuten bedeutet, aber auch darüber hinaus.»

Polzin ist so, wie der HSV sein will

Polzin ist einer der neuen Vertreter des HSV und zählt zu den herausragenden Botschaftern des Vereins. Die Fans sehen ihn als einen von sich. Die Spieler vertrauen ihm und er den Spielern. Einige von ihnen, angeführt von Mittelfeldspieler Ludovit Reis, stürmten die Pressekonferenz und übergossen ihn unter lautem Jubel mit Bier.

Und auch im Verein ist der ehemalige Lehramtsstudent aktiv. Pressesprecher Philipp Langer hielt am Ende der Pressekonferenz im Namen vieler Mitarbeiter des Vereins eine ungewöhnliche Laudatio.

Er habe in den letzten Monaten mit seinem Team und den Club-Verantwortlichen «Unglaubliches geleistet», sagte Langer. «Aber viel mehr hast du mit deiner menschlichen Komponente überzeugt. Du hast nicht nur von Zusammenhalt gesprochen. Du hast ihn vorgelebt.»

Polzin gewinnt schnell Profil

Seit Polzin wurde im November nach der Trennung von Steffen Baumgart erst zum Interims- und einen Tag vor Weihnachten von Sportvorstand Kuntz zum Cheftrainer befördert, hat er schnell an Profil gewonnen. Aus Rückschlägen hat er schnell gelernt.

Er beschönigt nichts, tritt bescheiden, fast demütig auf, ohne sich zu verkleinern. Er vermittelt das Gefühl, dass der Posten des Cheftrainers bei seinem Herzensverein nicht einfach ein Job ist, sondern eine Berufung.

«Merlin kommt aus Hamburg. Das ist zwar kein Kriterium, ein guter Trainer zu sein oder ein HSV-Trainer zu sein, aber mit welcher Klarheit, welcher Überzeugung er von Tag eins an vorweg marschiert ist, auch in diesen schwierigen letzten Wochen, wo es wirklich auch Rückschläge gab – das nötigt mir den größten Respekt ab, und das ist einfach eine glatte Eins», sagte Sportdirektor Claus Costa. 

Jetzt noch die Zweitliga-Meisterschaft

Bevor für Polzin und den HSV das Abenteuer Bundesliga beginnt, hat der Trainer noch ein sportliches Ziel. Wenn der Partyrausch abgeklungen ist, möchte er beim Saisonfinale bei der SpVgg Greuther Fürth die Zweitliga-Meisterschaft holen. «Keiner trainiert, um Zweiter zu werden», sagte er. 

Danach geht es in die Detailplanung für die neue Saison. HSV-Legende und Nachwuchschef Horst Hrubesch hat da schon einen Wunsch. «Wir müssen sehen, dass wir dann eine Mannschaft haben, die auch in der ersten Liga bestehen kann und nicht um den Abstieg spielt, sondern eben dort versucht, gleich von Anfang an in der Liga mitzuspielen», sagte der 74-Jährige bei Sky.

dpa