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Politische Statements und künstlerische Leistungen bei Berlinale 75

Ein Festival voller Kontroversen und emotionalem Drama – von politischer Kritik bis hin zu preisgekrönten schauspielerischen und filmischen Glanzleistungen.

Radu Jude wurde mit einem Silbernen Bären ausgezeichnet.
Foto: Ronny Hartmann/AFP Pool/dpa

Zum Finale der diesjährigen Berlinale haute der rumänische Regisseur Radu Jude kräftig auf die Pauke. In Bezug auf die Bundestagswahl in Deutschland sagte er, er hoffe, «dass das nächste Festival nächstes Jahr nicht mit dem „Triumph des Willens“ von Leni Riefenstahl eröffnet wird».

Eine deutliche Warnung vor rechtsextremen Kräften. Der 1935 veröffentlichte Riefenstahl-Film verherrlicht die mörderische NS-Ideologie. Auch in diesem Jahr prägten politische Statements wie diese die Abschlussgala der 75. Ausgabe der Filmfestspiele.

Man konnte mehrmals an den Gaza-Konflikt denken – jedoch vermieden die Beteiligten nach dem Eklat des Vorjahres, konkret zu werden.

Regisseur Jude schimpft gegen «mordende Bastarde»

Jude, der einen Silbernen Bären für das beste Drehbuch zu seinem Film «Kontinental ’25» erhielt, sagte auf der Bühne auch: Er hoffe, dass der Internationale Gerichtshof in Den Haag «seine Arbeit machen wird gegen all diese mordenden Bastarde». Er führte nicht aus, worauf genau er sich bezieht. Aus dem Publikum gab es zu seiner Aussage viel Beifall und Jubel.

Im vergangenen Jahr erließ der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag Haftbefehle gegen den israelischen Premierminister Benjamin Netanjahu, den ehemaligen Verteidigungsminister Joaw Galant und den Hamas-Anführer Mohammed Deif. Es war jedoch nicht eindeutig, ob sich dies auf einen Juden bezog. Das Gericht hatte auch einen Haftbefehl gegen den russischen Präsidenten Wladimir Putin wegen des Ukrainekrieges erlassen.

Jude machte Andeutungen, die gelegentlich an den Gaza-Konflikt erinnerten, sprach ihn aber nicht direkt an. Ähnlich wie Meryam Joobeur, Mitglied der Jury der neuen Sektion Perspectives.

Rede über «Bombenabwürfe» auf Kinder

Auf der Bühne sagte sie: «In jüngster Zeit und in der Gegenwart haben wir miterlebt, wie Männer und Frauen durch die Linse eines Scharfschützengewehrs blickten, auf den Kopf und das Herz eines Kindes zielten und abdrückten. Wir haben die Vernichtung Tausender Kinder gesehen, die von politischen und journalistischen Kräften als reine Kollateralschäden abgetan wurden.»

Auch Joobeur erwähnte keinen konkreten Konflikt, sagte aber: «Wir haben gesehen, wie lächelnde gewählte Amtsträger für Bombenabwürfe auf Schulen und Krankenhäuser unterschrieben haben, als ob sie Geburtstagskarten oder Dankesbriefe unterzeichnet hätten.»

Zurückhaltung nach dem Eklat des Vorjahres – und bewusste Zeichen

Die diesjährige Zurückhaltung in den Äußerungen könnte auf den Vorfall des letzten Jahres zurückzuführen sein: Nach der Abschlussgala der Berlinale wurde kritisiert, dass einige Preisträger das Vorgehen Israels stark kritisiert hatten, ohne den Terroranschlag der islamistischen Hamas im Oktober 2023 zu erwähnen.

Dieses Mal hat die Berlinale unter ihrer neuen Chefin Tricia Tuttle Zeichen gegen Antisemitismus gesetzt, hatte etwa zwei Filme über das Schicksal israelischer Hamas-Geiseln im Programm. Einer von ihnen, «Holding Liat» von Brandon Kramer, wurde als bester Dokumentarfilm gekürt.

Darum geht es im Gewinner-Film «Drømmer»

Einen ganz anderen Fokus hingegen hat der Gewinner des Goldenen Bären: «Drømmer» (deutscher Titel: «Oslo Stories: Träume») des norwegischen Regisseurs Dag Johan Haugerud. Der Spielfilm erzählt die Geschichte der 17-jährigen Schülerin Johanne (Ella Øverbye), die sich in ihre Lehrerin (Selome Emnetu) verliebt. Doch die Gefühle der Jugendlichen werden nicht erwidert.

Johanne, die Enkelin einer Schriftstellerin, verarbeitet ihre Fantasien und ihren Liebeskummer durch das Schreiben. Später wird der Text als Buch veröffentlicht. Auf diese Weise erzielt sie ihren ersten Erfolg als Autorin.

«Der Film erinnert uns vielleicht daran, wie es war, sich zum ersten Mal zu verlieben», sagte Haugerud der Deutschen Presse-Agentur. 

«Oslo Stories: Träume» ist der dritte Teil seiner Trilogie zu Liebe und Sexualität. Die Coming-of-Age-Geschichte hat einen fast literarisch anmutenden Erzählstil. Über weite Strecken berichtet Johannes Stimme aus dem Off von den Ereignissen. Die Geschichte von der Suche nach der eigenen Sexualität erzählt auf originelle Weise von der Schwierigkeit, erwachsen zu werden – und ist ein Plädoyer an alle Menschen, einander vorurteilsfrei zu begegnen.

Das sind weitere Gewinner

Thematisch passen dazu weitere Gewinnerfilme: Der Große Preis der Jury ging an den poetischen Spielfilm «O último azul» («The Blue Trail») des brasilianischen Regisseurs Gabriel Mascaro über eine Rentnerin, die sich gegen massive Bevormundung zur Wehr setzt.

Den Preis der Jury erhielt die elegische Familiensaga «El mensaje» («The Message») des argentinischen Regisseurs Iván Fund. Die Auszeichnung für die beste Regie bekam der chinesische Filmemacher Huo Meng für sein Gesellschaftspanorama «Sheng xi zhi di» («Living the Land»). 

Die Australierin Rose Byrne nahm einen Silbernen Bären für die beste schauspielerische Leistung in einer Hauptrolle entgegen. In der Tragikomödie «If I Had Legs I’d Kick You» (Regie: Mary Bronstein) spielt Byrne eine ausgelaugte Mutter kurz vor dem Nervenzusammenbruch. Ihr Ehemann und sie seien aus Freude über die Auszeichnung in Tränen ausgebrochen, sagte die Schauspielerin der dpa.

Der Ire Andrew Scott («Sherlock») wurde für seine Nebenrolle im Kammerspiel «Blue Moon» geehrt. Er war nicht im Saal, bedankte sich aber per Videobotschaft. Das kreative Ensemble von «La Tour de Glace» («The Ice Tower») bekam eine Auszeichnung für eine herausragende künstlerische Leistung.

Die künstlerisch eigenwilligen Statements werden von der Internationalen Jury unter der Leitung von Präsident Todd Haynes vor allem für ihre schlichte Menschlichkeit geschätzt.

dpa