Mobiles Menü schließen
Startseite Schlagzeilen

Die Römer – Umweltsünder ohne schlechtes Gewissen

Die Römer setzten auf Langlebigkeit und Recycling – aber nur, um Geld zu sparen. In erster Linie waren sie krasse Umweltsünder – was sogar Spuren in der Arktis hinterlassen hat.

Die Römer rotteten die damals noch in Griechenland verbreiteten Löwen aus und dezimierten auch die Bestände in Nordafrika.
Foto: Oliver Berg/dpa

Die Römer bauten Brücken, die nach 2.000 Jahren noch stehen – überall in Europa finden sich Beispiele, in Deutschland etwa in Trier. Die Autobahnbrücken der 1960er und 70er Jahre dagegen zerbröckeln schon nach 50 Jahren, so dass sie nun mit riesigem Aufwand ersetzt werden müssen. Waren die Römer damit Meister der Nachhaltigkeit? «Eher nicht», sagt Kathrin Jaschke vom Römisch-Germanischen Museum in Köln. 

«Sie konnten super Brücken bauen, und die waren natürlich auch dafür gedacht, möglichst lange stehen zu bleiben. Aber es ging ihnen dabei nicht um Nachhaltigkeit», sagt Jaschke. «Hätten sie unseren Spannbeton gekannt, hätten sie den mit Sicherheit auch benutzt. Er bietet architektonisch völlig andere Möglichkeiten.»

Das römische Imperium stellte die bis dahin größte Umwelt- und Klimabelastung der Menschheitsgeschichte dar. Die bekannte britische Althistorikerin Mary Beard berichtet in ihrer BBC-Doku «Rome – Empire without Limit», dass man in 2.000 Jahre alten Eisschichten aus Grönland Auswirkungen der römischen Zivilisation auf die Umwelt mit bloßem Auge erkennen kann: In dem Eis ist in kleinen Luftblasen deutlich mehr Methan aus der Atmosphäre abgelagert als in den noch älteren, aber auch in den darauf folgenden jüngeren Eisschichten. 

Schmelzöfen verpesteten die Luft mit Blei

Das Methan dürfte durch die enormen Viehbestände und das Verbrennen von Holz freigesetzt worden sein. «Wir denken heute etwas anders darüber, aber ich glaube, die Römer wären sehr angetan gewesen, wenn sie gewusst hätten, dass ihr Impact noch so lange nachweisbar sein würde», vermutet Beard. 

Im arktischen Eis kann man auch eine höhere Bleikonzentration aus der Römerzeit feststellen, die durch das Betreiben von Schmelzöfen zur Gewinnung von Silber verursacht wurde. Die Öfen waren mit Schornsteinen ausgestattet, um die giftigen Dämpfe möglichst hoch in die Luft zu leiten. Der Unterschied zwischen der römischen Welt und der vorherigen keltischen Eisenzeit war geradezu atemberaubend.

«Die Römer haben gnadenlos ausgebeutet, zum Beispiel auch einen Kahlschlag unter den Wäldern angerichtet. Sie hatten einen irren Holzverbrauch, zum Beispiel für ihre beheizten Bäder, die Thermen», sagt Kathrin Jaschke. 

Holz aus dem Schwarzwald – weil’s in Köln keine Bäume mehr gab

Die stellvertretende Direktorin des Kölner Museumsdienstes bietet hin und wieder Führungen zum Thema «Römer und Nachhaltigkeit» an. In Köln – das als Römerstadt gegründet wurde – war der Wald in der Umgebung bald weitgehend abgeholzt, so dass mit großem Aufwand Baumstämme aus dem Schwarzwald über den Rhein herbeigeschafft werden mussten. Die komplette Entwaldung großer Landstriche ist allerdings ein Phänomen der frühen Neuzeit.

Die Römer seien von der Natur durchaus fasziniert gewesen, hätten sich als altes Bauernvolk betrachtet und das ländliche Leben geschätzt, so Jaschke. Allerdings sei für sie gute Natur immer gezähmte Natur gewesen, da sie die Naturgewalten in Form von Unwettern oder Vulkanausbrüchen noch viel stärker gefürchtet hätten als heutige Menschen.

Die negativen ökologischen Folgen ihres Handelns hätten sie durchaus gesehen, etwa Bodenerosion aufgrund von Entwaldung. «Es war ihnen durchaus bewusst, dass das nicht so clever ist, aber das hat sie nicht dazu gebracht, ihr Verhalten zu ändern. Im Zweifel ist man einfach weitergezogen. Es war woanders halt noch genug da.» 

Am Höhepunkt des Römischen Weltreichs lebten ungefähr 80 Millionen Menschen, was entspricht der heutigen Bevölkerung allein in Deutschland. Folglich gab es damals viel weniger Menschen und dementsprechend mehr Natur.

Die Römer sind bekannt als große Recycler – Metall und Glas wurden oft recycelt. Es gibt Legionärshelme mit mehreren eingravierten Namen: Sie wurden also weiterverkauft oder vererbt.

«Das geschah aber nicht, weil damit Ressourcen geschont wurden, sondern weil es preiswerter war», stellt Archäologin Jaschke klar. «Vom Mindset her war es eher eine Wegwerfgesellschaft, nur musste man es sich leisten können.» Dass Abfall nur an bestimmten Stellen entsorgt werden durfte, geschah vor allem aus Hygienegründen. 

Damals gab es in Europa noch Löwen – bis die Römer kamen

Was Tiere betrifft, so rotteten die Römer etwa die damals noch in Griechenland verbreiteten Löwen aus, weil sie sie in großer Zahl für ihre Tierkämpfe in den Arenen benötigten. «Bald gab es auch keine Flusspferde mehr in dem Teil des Nils, den die Römer beherrschten, und auch keine Nashörner», so Jaschke. Im Umland von Köln oder Trier wurden vor allem Bären und Wölfe gefangen. 

Einer, der die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen anprangerte, war der Historiker Plinius der Ältere. Die «heilige Mutter Erde» müsse erdulden, dass sie überall dort, wo Edelmetalle und andere Rohstoffe vermutet würden, durchlöchert und aufgeschürft werde, kritisierte er. «Wir dringen in ihre Eingeweide und suchen nach Schätzen. Der Mensch hat gelernt, die Natur herauszufordern», so Plinius. 

Jedoch war es ihm auch nicht um Ressourcenschonung an sich. Was ihn störte, war die Gier nach Luxus, nach Gold- und Silberschmuck – die berühmte römische Dekadenz. Im Jahr 79 nach Christus kam Plinius selbst beim Ausbruch des Vesuvs ums Leben.

Ist die heutige Menschheit den Römern überlegen? «Dass man sich den ökologischen Folgen seines Handelns bewusst ist, aber dennoch nicht umdenkt, ist doch ein Phänomen, dass es heute genauso gibt», findet Jaschke.

«Wir wissen alle, wie schädlich Plastik ist – aber wir verwenden es trotzdem, weil es praktisch ist. Dieses Denken würden die Römer sofort wiedererkennen. Deshalb würde ich sagen: Die Römer sind uns von der Mentalität her sehr nahe. Wir wissen zwar viel mehr als sie über ökologische Zusammenhänge, aber unser Verhalten passen wir deshalb noch lange nicht an.»

dpa