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Leon Goretzka: Vom Abstellgleis zum Comeback-Star

Mit seinem Energie-Auftritt in Mailand feiert Goretzka ein beeindruckendes Comeback in die Nationalmannschaft und wird als wertvollster Akteur gefeiert.

In der Pose eines Siegers: Leon Goretzka feiert gegen Italien.
Foto: Domenico Cippitelli/LiveMedia-IPA/ZUMA Press Wire/dpa

Juni 2024: Allein sitzt Leon Goretzka auf einem Klappstuhl auf einer Holzterasse und schaut auf das Wasser. Die Kapitänsmütze scheint fehl am Platz, verkehrt herum auf seinem Kopf. Im Hintergrund fällt ein Regenschauer.

Im März 2025 steht Leon Goretzka als großer Sieger vor dem deutschen Fan-Block im San Siro. Er reckt die Arme triumphierend nach oben, ballt die Hände zu Fäusten und sein Blick ist energisch und entschlossen.

Es sind 285 Tage vergangen seit dem melancholisch wirkenden Social-Media-Foto eines sportlich degradierten Spielers, der von der Heim-EM 2024 ausgeschlossen wurde. Und dem Torjubel-Bild des großen deutschen Comeback-Stars aus Mailand. Mit seinem energiegeladenen Auftritt im Viertelfinal-Hinspiel der Nations League in Italien, einschließlich des Siegtors zum 2:1, hat der Münchner eine wohl einmalige Rückkehr ins Trikot der Fußball-Nationalmannschaft gebührend gefeiert.

«Man traut sich hin und wieder mal, vor dem Spiel so ein Szenario auszumalen. Das habe ich tatsächlich diesmal auch gemacht», erzählte der Mittelfeldspieler des FC Bayern in der ARD: «Das ist, das muss ich zugeben, eine ganz runde Geschichte», fügte Goretzka nach seinem 58. Länderspiel an. Mit nun 15 Toren ist er nebenbei auch noch der deutsche Top-Torschütze im aktuellen Kader. 

https://x.com/DFB_Team/status/1902834507172007996

Nagelsmann: «Das gibt es nur im Fußball»

Lobeshymnen gab es von allen Seiten. Bayern-Kollege Joshua Kimmich sagte: «Ich freue mich sehr, sehr für ihn.» 1:1-Schütze Tim Kleindienst meinte: «Es hat Spaß gemacht, mit ihm zu spielen.» Und der Bundestrainer wirkte förmlich erleichtert, dass er Goretzka wieder als Nationalspieler würdigen konnte. «Ein Top-Comeback, das klingt immer so hochtrabend, nach alldem was passiert ist. Das gibt es nur im Fußball», sagte Nagelsmann in der Mailänder Nacht. 

Er bescheinigte Goretzka einen «Top-Charakter». Nie habe er anderes gesagt, trat der Bundestrainer dem Eindruck entgegen, die Demission zum Start ins EM-Jahr 2024 habe andere als sportliche Gründe gehabt. 

In der Rückschau wird deutlich, dass Goretzka einfach ein Opfer von Kroos war. Das Comeback von Toni Kroos machte ihn im Nationalteam überflüssig. Die Rolle als Ersatzspieler wäre nicht passend für ihn gewesen und somit auch nicht für das Team. Szenarien auf der Ersatzbank sind jetzt nicht mehr relevant. In seiner aktuellen Verfassung ist der 30-Jährige die klare Nummer eins auf der Sechserposition.

Gesucht wird nur der Nebenmann

Die Frage vor dem Rückspiel gegen Italien am Sonntag (20.45 Uhr/RTL) in Dortmund lautet nicht mehr, ob Goretzka spielt. Sondern, wer neben ihm spielen darf. Pascal Groß? Robert Andrich? Angelo Stiller? Goretzka jedenfalls düste vom Abstellgleis direkt in die Pole Position.

Der Charakter von Goretzka hat sich nicht geändert. Er bleibt der bedächtig Wirkende. Manchmal erscheint er dadurch unnahbar. Ein TV-Interview musste auch reichen. Mit schnellen Schritten marschierte er durch die schmucklose Pressezone des Giuseppe-Meazza-Stadions. «Ich habe schon gesprochen», warf er den im grellen Neonlicht wartenden Reportern noch leise einen Satz zu.

Schweigen als Stärke

Der Bayern-Profi wurde von Nagelsmann für seine Stabilität, Power und sein Siegtor gelobt. Sein Durchhaltevermögen in schwierigen Zeiten wurde ebenfalls gerühmt, ebenso wie seine Fähigkeit, trotz vieler Kritik zu schweigen. Ähnlich wie im Sommer 2024 einsam am Wasser.

«Er hat bewiesen, dass es sich lohnt, auch mal Täler zu durchschreiten. Und sich aus vielen Diskussionen herauszuhalten, das war der cleverste Move von ihm, dass er nicht alles kommentiert hat», sagte der Bundestrainer über seinen Rückkehrer, dem er selbst vor einem Jahr die schmerzhafte Degradierung samt EM-Ausbootung zugefügt hatte. Goretzka sei nun der «MVP» gewesen, der wertvollste Akteur.

https://x.com/EURO2024DE/status/1902998294751547872

Die lange Pause inklusive der Nicht-Nominierung für die Heim-EM vor einem Jahr sei «natürlich nicht einfach» gewesen, gab Goretzka zu. Das Bild am Wasser wirkt noch nach. «Aber ich möchte lieber nach vorne gucken als zurück. «Ich hoffe, dass es jetzt so weitergeht», sagte er.

dpa