Mobiles Menü schließen
Startseite Schlagzeilen

Bayern-«Angstgegner»: Kiel feiert ersten Bundesliga-Aufstieg

Einen solchen Jubel haben in Kiel nicht einmal die Handballer des THW mit ihren vielen Erfolgen ausgelöst. Die Stadt ist jetzt auch im Fußball erstklassig. Ein Holstein-Profi klingt besonders forsch.

Die Kieler Spieler feierten mit den Anhängern, die nach dem Schlusspfiff auf das Spielfeld gestürmt waren.
Foto: Axel Heimken/dpa

Lewis Holtby hatte möglicherweise den wichtigsten Job bei der großen Aufstiegsparty von Holstein Kiel. Der ehemalige Nationalspieler stand auf der Tribüne und verteilte Bierflaschen an die jubelnden Fans. Vor ihm, hinter ihm, neben ihm – alles verwandelte sich an diesem Samstagabend in ein riesiges blau-weißes Jubelmeer.

Und mitten in dieser Euphorie schickte der 34-Jährige schon einmal einen Gruß an die künftigen Kontrahenten aus der Fußball-Bundesliga: «Ich glaube, wir sind der Angstgegner von Bayern München», sagte Holtby. «Hier war schon einmal ein Schneesturm-Spiel. Wenn Thomas Müller hier wieder herkommt, dann kriegt er Flashbacks. Und Harry Kane nehme ich in Manndeckung.»

Die Kieler haben den großen FC Bayern bereits im tiefsten Winter 2021 aus dem DFB-Pokal geworfen. Seit dem 1:1 (1:0) im Zweitliga-Spitzenspiel gegen Fortuna Düsseldorf steht fest: In der nächsten Saison werden sie auch der erste Fußball-Erstligist in der Geschichte Schleswig-Holsteins sein.

Symbolfigur Holtby

Der Mittelfeldspieler Holtby steht symbolisch für diesen Erfolg. Mit dem Hamburger SV scheiterte er einst am großen Ziel Aufstieg. In Kiel hat er es im dritten Jahr geschafft. Hier wird alles Schritt für Schritt gemacht. Er ist die Führungsfigur in einem komplett neu zusammengestellten Team aus deutschen Toptalenten (Tom Rothe), im Ausland entdeckten Nationalspielern (Marko Ivezic) und Altstars wie ihm oder Steven Skrzybski, die nach schwierigen Zeiten in anderen Städten noch einmal allen zeigen wollen, was sie können.

«Ich bin extrem dankbar, dass ich das erleben darf: Mit Holstein Kiel etwas Historisches zu erreichen», sagte Holtby. «In Kiel hat immer der THW für positive Schlagzeilen gesorgt. Jetzt kommt mit dem Fußball noch mal etwas dazu. Ich bin extrem stolz, ein Teil dieser Geschichte zu sein.»

Was am späten Samstagabend und in der Nacht für Begeisterung sorgte, haben selbst die Kieler Handballer nach ihren 23 Meisterschaften und vier Champions-League-Siegen nie erreicht. Über dem Holstein-Stadion wurde ein Feuerwerk entzündet. Autokorsos fuhren von der Arena durch die Stadt. Torwart Thomas Dähne trug das Maskottchen des Vereins in Form einer Storch-Mütze auf dem Kopf und suchte in dem ganzen Trubel nach seiner Tochter und seiner Frau.

Thioune gratuliert: «Mehr als verdient»

Selbst der Düsseldorfer Trainer Daniel Thioune, der nach einem nicht gegeben Handelfmeter gleich zu Beginn des Spiels allen Grund gehabt hätte, stinksauer zu sein, sagte anerkennend: «Glückwunsch an Holstein Kiel. Das ist mehr als verdient. Sie haben eine wunderbare Saison gespielt!»

Die Kieler haben schon immer Trainer, Manager und Spieler für die Bundesliga ausgebildet. Jetzt ist der gesamte Club nach den beiden verlorenen Relegations-Duellen 2018 und 2021 selbst dort angekommen. Trainer Marcel Rapp setzte die Arbeit fort, die vor ihm Ole Werner (Werder Bremen) machte. Sport-Geschäftsführer Uwe Stöver folgte auf Fabian Wohlgemuth, der gerade beim VfB Stuttgart einen Champions-League-Kader zusammengebaut hat.

«Der Verein hat es verdient. Er war zweimal nah dran. Hier wurde immer kontinuierlich gearbeitet – schon vor meiner Zeit», sagte der Aufstiegstrainer Rapp.

Was dieser Erfolg tatsächlich bedeutet, kann aber vor allem jemand einschätzen, der schon die grauen Zeiten in der viertklassigen Regionalliga miterlebt hat. Der frühere Handball-Nationalspieler Wolfgang Schwenke wurde 2009 Vizepräsident und Geschäftsführer. Am Samstagabend sagte er stolz: «Mein Auftrag war, diesen Verein zu professionalisieren. Jetzt diese Krönung – das hätte ich mir nicht träumen lassen. Wenn mir das vorher einer gesagt hätte, dann hätte ich ihm Fieber gemessen.»

dpa