Ein Berufungsgericht kassierte die Verurteilung Weinsteins wegen Verfahrensfehlern. Die Anschuldigungen von drei Frauen werden erneut vor Gericht gebracht.
Weinstein-Prozess: Neue Verhandlung nach Aufhebung des Urteils
Eine Reihe von Anschuldigungen gegen den ehemaligen Hollywood-Mogul Harvey Weinstein wegen schwerer sexueller Übergriffe löste die weltweite MeToo-Bewegung im Kampf gegen männlichen Machtmissbrauch aus. Der Schuldspruch aus dem Jahr 2020 war juristisches Neuland. Allerdings führten Verfahrensfehler zur Aufhebung des Urteils. Was man über die Neuauflage des Prozesses gegen den 73-Jährigen ab Dienstag (15.4.) wissen muss.
Warum wird der Prozess gegen Harvey Weinstein neu aufgerollt?
Im April 2024 hob ein Berufungsgericht in New York überraschend die ursprüngliche Verurteilung Weinsteins aus dem Jahr 2020 auf. Die Richter bemängelten schwerwiegende Verfahrensfehler, insbesondere die Zulassung von Zeugenaussagen, die nicht Teil der Anklage waren, jedoch dazu dienten, Muster in Weinsteins mutmaßlichen Taten aufzudecken.
«Die einzigen Beweise gegen den Angeklagten waren die Aussagen der Klägerinnen», hieß es in der Begründung des Berufungsgerichts. Die zusätzlichen Zeuginnen hätten unrechtmäßig das Bild Weinsteins vor den Geschworenen geprägt.
Welche Rolle spielt der Fall für die MeToo-Bewegung?
Die Anschuldigungen gegen Weinstein werden als Auslöser der weltweiten MeToo-Bewegung gegen männlichen Machtmissbrauch und sexuelle Übergriffe angesehen. Seit 2017 haben über 80 Frauen öffentlich erklärt, dass der einst mächtige Filmproduzent («Pulp Fiction», «Gangs of New York») seine Position für sexuelle Übergriffe ausgenutzt habe.
Der Schuldspruch im Jahr 2020 lautete schließlich auf 23 Jahre Haft wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung. Das Urteil wurde in vielen Kreisen als gesellschaftlicher Fortschritt und juristischer Meilenstein gefeiert, weil die Aussagen der Zeuginnen auch ohne klare materielle Beweise ausreichend waren, um die Jury von Weinsteins Schuld zu überzeugen. Sogar die Vereinten Nationen sprachen von einem «wichtigen Wendepunkt» bei der Verfolgung von Gewalt gegen Frauen.
Die Aufhebung des Urteils hat viele Unterstützer von MeToo schockiert. Der kulturelle Wandel, der durch den Fall angestoßen wurde und Fortschritte bei der Stärkung der Frauenrechte gebracht hat, bleibt jedoch nach Ansicht von Experten weitgehend unberührt von der juristischen Entscheidung.
Worum geht es im neuen Verfahren?
Die Anschuldigungen zweier Frauen standen damals wie heute im Mittelpunkt des Prozesses: Weinstein soll 2006 die Produktionsassistentin Mimi Haleyi zum Oralsex gezwungen und 2013 die Schauspielerin Jessica Mann vergewaltigt haben.
Die Staatsanwaltschaft bringt nun beide Anschuldigungen erneut vor Gericht, hat jedoch einen weiteren Fall hinzugefügt: Eine Frau behauptet, dass Weinstein sie auch im Jahr 2006 zum Oralverkehr gezwungen hat. Obwohl sie sich bereits vor dem ersten Prozess bei den Behörden gemeldet hatte, wurden ihre Aussagen damals nicht berücksichtigt.
Die Auswahl der Jury im Weinstein-Prozess beginnt am Dienstag, und die Eröffnungsplädoyers sollen am 22. April folgen. Das Verfahren könnte sich über fünf Wochen erstrecken. Weinstein hat stets jede Schuld zurückgewiesen. Seine Anwälte betonen, die sexuellen Kontakte seien einvernehmlich gewesen.
Was wird im Prozess noch anders?
Die Zeuginnen, deren Missbrauchsanschuldigungen beim ersten Prozess angehört wurden, die aber nicht Teil der Anklage waren, werden nicht wieder aussagen dürfen. Auch Begriffe wie «Überlebende» dürfen im neuen Prozess nicht verwendet werden – ein Versuch von Richter Curtis Farber, das Verfahren nüchterner und rechtlich stringenter zu führen.
Auch untersagte der Richter das Wort «Gewalt» in einer Schilderung einer Zeugin bei einer Anhörung vor Prozessbeginn. Das Gericht ließ zudem die Aussage einer Psychologin im Prozess zu, die zu den psychischen Folgen sexueller Gewalt sprechen wird.
Was wird nicht neu verhandelt?
Während die Schuldsprüche des alten Verfahrens keine Rolle mehr spielen dürfen, bleiben die Freisprüche aus dem Jahr 2020 bestehen. Dazu zählen unter anderem die beiden schwerwiegendsten Vorwürfe – darunter der des «raubtierhaften sexuellen Angriffs». Diese dürfen im neuen Prozess nicht neu verhandelt werden.
Trotz der aufgehobenen Verurteilung in New York bleibt Weinstein weiterhin in Haft. Im Jahr 2023 wurde er in einem separaten Prozess in Los Angeles auch zu weiteren 16 Jahren Gefängnis wegen Sexualverbrechen verurteilt. Dieses Urteil wird ebenfalls von seiner Verteidigung angefochten.
Wie ist Weinsteins Gesundheitszustand?
Seit Monaten wird über Weinsteins angeschlagene Gesundheit diskutiert. Sein Team gibt an, dass er unter Bluthochdruck, Herzproblemen, Diabetes leidet – und Berichten zufolge wurde auch eine Leukämie-Erkrankung bestätigt. Mehrmals wurde er aus dem Gefängnis ins Krankenhaus verlegt. Der 73-Jährige erscheint vor Gericht meist im Rollstuhl und bat den Richter, das Verfahren schnell zu beginnen. Es bleibt ihm nicht mehr viel Zeit.