Ukrainische Truppen haben bei einem Großangriff russische Truppen umzingelt und tausende russische Zivilisten werden evakuiert.
Krisen-Sitzung bei Putin nach Ukraine-Großangriff
Der ukrainische Angriff auf das russische Grenzgebiet hat die russische Führung offenbar völlig unvorbereitet getroffen. Zahlreiche russische Medien und Geheimdienst-Experten, darunter der angesehene Ermittler Christo Grozev, berichten, dass Kreml-Chef Wladimir Putin eine Krisensitzung einberufen hat, die derzeit in Moskau stattfindet.
Diktator ruft wichtigste Berater zusammen
Der sogenannte Sicherheitsrat der Russischen Föderation tritt zusammen, darunter der ehemalige Präsident Dmitri Medwedew, der frühere Verteidigungsminister Sergej Schoigu, der aktuelle Verteidigungsminister Andrei Beloussow sowie die Leiter der russischen Geheimdienste. Zuvor soll Putin ein Treffen mit seinem Regierungskabinett abgehalten haben. Anlass für die Krisensitzungen ist der unerwartete Angriff der ukrainischen Armee auf russisches Territorium. Berichten zufolge haben Kiews Truppen die Grenze zur Region Kursk im Südwesten Russlands überschritten und sind mehrere Kilometer vorgedrungen.
Laut Kreml-Behörden werden Tausende Menschen aus der betroffenen Grenzregion evakuiert. Russische Propagandisten berichten von einer „angespannten“ Situation für ihre Soldaten – einige seien eingekesselt, während andere in heftige Gefechte verwickelt sind. Eines scheint klar: Die russische Armee, die im Februar 2022 die Ukraine überfiel, wurde von diesem Vorstoß völlig überrascht.
Russen überrascht von Angriff
Das russische Verteidigungsministerium veröffentlichte eine Mitteilung, die indirekt zugesteht, dass die Russen überrascht wurden: Man habe verhindert, dass der Feind „tief“ in russisches Territorium eindringen konnte. Das deutet darauf hin, dass es den Ukrainern offenbar gelungen ist, russischen Boden zu erreichen. Kurz zuvor hatte Moskau dies noch bestritten. Über die Verluste der Ukraine, die laut russischen Angaben hoch sein sollen, gibt es bislang keine bestätigten Informationen.
Die russische Blogger-Gruppe „Rybar“, die als gut informiert gilt und auf Telegram 1,2 Millionen Abonnenten hat, berichtet: „Nach Angaben unserer Quellen konnten sich die ukrainischen Truppen trotz intensiver Angriffe und Gegenattacken der russischen Streitkräfte in der Grenzregion festsetzen.“ Demnach hat der Feind seine „Kontrollzone ausgeweitet“ und rückt in Richtung der Stadt Sudscha und des Ortes Goncharovka vor, wo aktuell Kämpfe stattfinden sollen. Über die Truppenstärke der Ukrainer wird berichtet: „Nach vorläufigen Informationen befinden sich bis zu 400 Mitglieder ukrainischer Einheiten im von den ukrainischen Streitkräften kontrollierten Gebiet der Region Kursk. Das feindliche Kommando verlegt weiterhin Reserven in diesen Abschnitt.“
Größte grenzüberschreitende Offensive
Es sind noch mehr Soldaten beteiligt: „Insgesamt hat das Kommando der ukrainischen Streitkräfte bis zu zweitausend Soldaten entlang der Grenze konzentriert.“ Den Ukrainern sei es gelungen, drei Siedlungen zu besetzen, allerdings verloren sie dabei mehrere Panzerfahrzeuge. In einigen dieser Orte dauern die Kämpfe an. In einer Siedlung sei die Lage besonders „angespannt“, da russische Soldaten fast vollständig umzingelt sind und erbitterte Kämpfe gegen den zahlenmäßig überlegenen Feind führen.
Yaroslav Trofimov, der außenpolitische Chefkorrespondent des „Wall Street Journal“ und ein ausgewiesener Ukraine-Experte, spricht von einem „dichten Kriegsnebel“ rund um die ukrainischen Vorstöße. Er bezeichnet sie als die „größte grenzüberschreitende Offensive seit Kriegsbeginn“. In seiner Analyse betont er: „Heute wird sich zeigen, ob es sich lediglich um ein Grenzgefecht handelt oder ob die Ukraine tatsächlich versucht, ein bedeutendes Gebiet in Russland zu erobern, um es möglicherweise später gegen besetztes ukrainisches Territorium einzutauschen.“