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Lauterbach-Plan: Arzneimittel ohne Apotheker vor Ort

Deutschlands Patientinnen und Patienten müssen sich auch beim Besorgen von Medikamenten umgewöhnen. Deutschlands Apotheker aber sind gar nicht zufrieden mit den jüngsten Plänen von Karl Lauterbach.

Plant umstrittene Apothekenreform: Karl Lauterbach
Foto: Joerg Carstensen/dpa

Patientinnen und Patienten in Deutschland sollen weiterhin ihre Medikamente vorzugsweise in einer nahegelegenen Apotheke erhalten – jedoch oft nicht mehr von voll ausgebildeten Apothekerinnen und Apothekern. Dies ist das Ziel einer geplanten Reform von Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach. Der SPD-Politiker plant, sein Gesetz trotz Widerständen der Apothekerschaft am 17. Juli im Bundeskabinett vorzulegen, wie er bei einem Besuch einer Apotheke in Teltow, Brandenburg, bekannt gab.

Apotheker macht seinem Unmut bei Scholz Luft

Der Apotheker Mike Beyer aus Teltow hatte bei einem vorherigen Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im März seinen Unmut über die geplante Apothekenreform geäußert. Scholz bat daraufhin den Gesundheitsminister, vor Ort Überzeugungsarbeit zu leisten, wie es aus dem Gesundheitsministerium hieß. Nach einem etwa dreißigminütigen Gespräch zwischen dem Minister und dem Apotheker wurde deutlich: Das war nur teilweise erfolgreich. Lauterbach betonte zwar, dass es trotz früherer Gespräche mit Apothekern interessant für ihn gewesen sei. In der Sache blieb er jedoch hart – und Beyer sowie die Präsidentin des Apothekerverbands ABDA, Gabriele Regina Overwiening, schüttelten teilweise ihre Köpfe über Lauterbachs Aussagen.

Was die Ampel plant

Ein Kernpunkt der Pläne: Filialapotheken sollen auch dann öffnen dürfen, wenn nur eine Apothekerin oder ein Apotheker in einer anderen Filiale für eine telepharmazeutische Beratung zur Verfügung steht. «In diesem Fall können erfahrene pharmazeutisch-technische Assistentinnen/Assistenten die Arzneimittelversorgung vor Ort übernehmen», so das Gesundheitsministerium. «Bei Bedarf kann die pharmazeutische Beratung von Kunden über Telepharmazie erfolgen.» Komplexe Herstellungsprozesse und die Abgabe von Betäubungsmitteln sollen aber weiter die Anwesenheit des Apothekers erfordern. An mindestens acht Stunden pro Woche soll die Apothekenleitung persönlich in der Apotheke anwesend sein müssen.

Alternative Apothekensterben?

Lauterbach stellte die Reform als nötig dar. «Wir stehen vor einem großen Apothekensterben auf dem Land», sagte Lauterbach. «Wir versuchen, durch Filialapotheken und Telepharmazie diese Versorgung zu erhalten.» Auch künftig müssten die Apotheken durch Apotheker geleitet werden. «Aber es muss nicht zu jedem Zeitpunkt rund um die Uhr auch ein Apotheker in der Filiale sein.» Lauterbach: «Sie haben entweder im ländlichen Raum gar keine Apotheke und den Versandhandel oder Sie haben dort eine Tochterapotheke, wo an ein oder zwei Tagen dann der Apotheker vor Ort ist.» Schließlich müsse er etwas für die Menschen tun – «und nicht nur für die Honorare derjenigen, die jetzt schon Apotheker sind». 

Der Minister zeigte sich zuversichtlich, dass er bei der notorisch zerstrittenen Ampel-Koalition die Reform durchbringt. «Wir werden mit der Reform am 17. 7., also an dem Tag, an dem im Kabinett auch der Haushalt beschlossen wird, im Kabinett sein.» Die vorab laufenden Abstimmungen innerhalb der Regierung liefen ausgezeichnet.

Apotheken warnen

Apotheker Beyer warnte vor Leistungseinschnitten für die Versicherten und zu wenig Geld für die Apothekerinnen und Apotheker. «Alle 17.500 Apotheken sind betroffen von dieser Reform.» Anreize sollten geschaffen werden, das Leistungsangebot der Apotheke zu reduzieren. 

ABDA-Präsidentin Overwiening mahnte: «Wir brauchen aber auch die Apothekerinnen und Apotheker in ihrer Apotheke. Das ist das Kernelement, das ist das Leitbild unseres gesamten Berufsstandes.» Die Verbandschefin betonte: «Und dieses Leitbild zu verlassen, das ist das, was wir hier eben nicht wollen.» Persönliches Zugegensein des Apothekers führe dazu, dass die Menschen besser versorgt würden. So zeigten Studien, dass sie ihre Mittel dann mit mehr Einahmetreue nähmen. Auch etwa für die Versorgung Sterbenskranker brauche es die Apotheker und Apothekerinnen.

Was noch geplant ist

Weitere Bestandteile des geplanten Gesetzes sollen Apothekern eine höhere Vergütung bringen. Der Notdienstzuschlag pro Arzneimittelpackung soll von 21 auf 28 Cent erhöht werden, was jährlich rund 50 Millionen Euro kostet. Die Vergütung für jeden geleisteten Notdienst soll um etwa 30 Prozent auf 550 Euro steigen.

Bekannt wurde zudem, dass Pharmaunternehmen künftig unter bestimmten Bedingungen mit den gesetzlichen Krankenkassen Geheimpreise für patentgeschützte Medikamente aushandeln dürfen. Entsprechende Änderungsanträge zum zugrundeliegenden Medizinforschungsgesetz sollten dem Nachrichtenportal «Politico» zufolge von den Fraktionen beschlossen werden. Festgelegt wird, dass die Geheimhaltung zwingend zu einem Abschlag von neun Prozent führt, wie in Ampel-Kreisen bestätigt wurde. 

“Der Zug nach Berlin fährt um 10:30 Uhr ab”, sagte der Mann am Ticketschalter.

dpa