Clubboss kämpft gegen Krise, Nationalspielerinnen vor ungewisser Zukunft, Hoffnung schwindet, Zeit drängt, Existenzängste
Finanzkollaps bei HB Ludwigsburg – Zukunft ungewiss
Die Kapitänin ist sehr wütend, der Vorstandschef stark betroffen. Der Finanzkollaps der HB Ludwigsburg hat im deutschen Frauen-Handball für großes Aufsehen gesorgt – mit schwerwiegenden und teilweise noch nicht absehbaren Konsequenzen. Xenia Smits und andere Nationalspielerinnen stehen nur wenige Monate vor der Heim-WM vor einer unsicheren Zukunft. Clubchef Christian Köhle versucht, den Meister und Pokalsieger noch aus der Krise zu führen. Doch die Aussichten sind düster – und die Zeit drängt.
Liga-Start noch nicht abgeschrieben
«Unser Ziel ist weiterhin, den Supercup zu bestreiten und in der kommenden Saison in der 1. Bundesliga zu spielen. Ob es umsetzbar ist, werden wir sehen», sagte Köhle der Deutschen Presse-Agentur. «Wir hoffen, dass wir bis Ende der Woche mehr Klarheit haben.» Auch aus Verantwortung gegenüber Liga und Fans könne sich der Prozess ja «nicht ewig hinziehen».
Am 23. August wird der Supercup gegen die HSG Blomberg-Lippe in München ausgetragen, eine Woche später beginnt die Liga. Es gibt derzeit wenig Anzeichen dafür, dass viele Spielerinnen auch weiterhin das Ludwigsburger Trikot tragen werden.
«Wie kann man so mit Existenzen spielen? Ich verspüre Wut, weil so eine Mannschaft wird es nie wieder geben. Ich verspüre Wut, weil meiner Mannschaft geschadet wurde», sagte die frustrierte Smits. Bei einem «klaren Zukunftsplan» hätte sich die 31-Jährige vorstellen können, Abstriche zu machen und weiterhin für Ludwigsburg aufzulaufen. «Aber solch ein Plan wurde uns nie vorgelegt. Das ist ein hoffnungsloses Projekt», kommentierte Smits.
Starauswahl vor dem Zerfall
Was ist geschehen? Vor zwei Wochen hat der Club den Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens gestellt, am Montagabend wurde seine Mannschaft dann darüber informiert, dass die Finanzierung der kommenden Spielzeit nicht gesichert sei. Die Spielerinnen sind nicht mehr an ihre Verträge gebunden. Sie können sich also neue Vereine suchen – oder zu geringeren Bezügen bleiben.
«Es stehen noch Antworten von über 200 angefragten Sponsoren aus. Vielleicht kriegen wir die Lücke ja doch noch ein Stück weiter geschlossen», sagte Clubchef Köhle. Der Hauptsponsor hatte im Sommer 2024 angekündigt, seine Leistungen ab der Saison 2025/2026 zu reduzieren. Mehrere Verträge von Spielerinnen sollen schon vorher geschlossen worden sein. Fest steht: Das entstandene Finanzloch hat der Verein, dessen Jahresetat Schätzungen zufolge bei rund drei Millionen Euro liegen soll, seither nicht mehr gestopft bekommen.
Selbst, wenn zeitnah frische Gelder fließen, ist der Club darauf angewiesen, dass ihm auch die Spielerinnen finanziell entgegenkommen. Wahrscheinlicher ist jedoch, dass sich das Starensemble in alle Himmelsrichtungen zerstreut – auch, wenn die meisten Teams ihre Kaderplanungen schon abgeschlossen haben. «Viel Auswahl wird es nicht geben», sagte Rückraumspielerin Smits.
Sorgen bei Blick auf die Heim-WM
Sorgen bereitet dabei auch der Blick auf die WM, die ab Ende November in Deutschland und den Niederlanden ausgetragen wird. «Wir haben sechs bis sieben DHB-Spielerinnen bei uns. Wir werden sicherlich keinen Verein finden, bei dem wir wieder alle zusammenspielen. Da geht Trainingszeit verloren, da geht Einspielzeit verloren», sagte Smits.
«Für alle Beteiligten gilt es jetzt, so schnell wie möglich Lösungen zu finden», kommentierte Bundestrainer Markus Gaugisch. Für eine «super Station» wie Ludwigsburg sei es so kurz vor dem Saisonstart schwierig, adäquaten Ersatz zu finden. Aktuell laufe die WM-Planung unverändert weiter, erklärte Gaugisch. Man müsse die Situation natürlich im Auge behalten, erklärte der 51-Jährige.
Auch für den DHB keine gute Nachricht
Die Weltmeisterschaft rückt näher – und das Aushängeschild des deutschen Frauen-Handballs gerät in Schwierigkeiten. Auch beim Verband sorgt dies für Sorgen.
«Der Fall Ludwigsburg zeigt, wie schwierig der Markt für professionellen Frauen-Sport trotz positiver Entwicklung in Deutschland und Europa ist», sagte der Vorstandschef des Deutschen Handball-Bunds, Mark Schober. «Gerade deswegen ist der DHB überzeugt, durch eine größere Aufmerksamkeit dafür zu sorgen, das wirtschaftliche Umfeld für den Frauen-Handball gemeinsam mit der Handball-Bundesliga Frauen schrittweise weiter zu professionalisieren.»
Die SG BBM Bietigheim hat jahrelang Titel um Titel gesammelt. Erst vor einem Jahr zog sie nach Ludwigsburg um und setzte die Erfolgsgeschichte mit dem Double aus Meisterschaft und Pokalsieg in der letzten Saison fort. Nun steht die beste deutsche Frauen-Handballmannschaft vor dem Aus.