Die erste Runde der Parlamentswahlen in Frankreich kommt einem politischen Beben gleich. Die Rechtsnationalen könnten stärkste Kraft werden. Nun richten sich alle Augen auf die kommende Woche.
Machtkampf in Frankreich: Front gegen Sieg von Le Pen
In Frankreich ringen rechtsnationale und bürgerliche Parteien nach der ersten Runde der Parlamentswahl um die Macht im Land. Marien Le Pens Rassemblement National (RN) hofft nach ihrem bemerkenswerten Abschneiden in der ersten Runde, die absolute Mehrheit in der Nationalversammlung zu erlangen und somit an die Regierung zu gelangen. Präsident Emmanuel Macron und das linke Lager planen, dies durch eine gemeinsame Front bei den Stichwahlen am 7. Juli zu vereiteln.
Wie erwartet, führte das RN mit seinen Verbündeten in der ersten Runde der vorgezogenen Parlamentswahl in Frankreich mit 33 bis 34,2 Prozent. Dies könnte bedeuten, dass die Rechtspopulisten Prognosen zufolge im Unterhaus mit 230 bis 280 Sitzen die stärkste Kraft werden. Allerdings könnten sie knapp an der absoluten Mehrheit von 289 Sitzen vorbeischrammen.
Das Mittelager von Präsident Emmanuel Macron landete mit 20,7 bis 22 Prozent auf dem dritten Platz hinter dem Linksbündnis Nouveau Front Populaire mit 28,1 bis 29,1 Prozent. Die Linken könnten auf 125 bis 200 Sitze kommen. Macrons Liberalen droht, auf nur noch 60 bis 100 Sitze abzusacken.
Kandidaten ziehen aus taktischen Gründen zurück
In Stichwahlen am kommenden Sonntag wird entschieden, wie viele Sitze die Blöcke in der Nationalversammlung erhalten. Sowohl das Linksbündnis als auch Macrons Partei haben angekündigt, in den Wahlkreisen, in denen sie auf dem dritten Platz gelandet sind, zugunsten der Kandidatinnen und Kandidaten zurückzutreten, die in der Lage sind, das Rassemblement National zu besiegen.
Premier Gabriel Attal, der um seinen Posten bangen muss, mahnte: «Noch nie in unserer Demokratie war die Nationalversammlung wie heute Abend dem Risiko ausgesetzt, von der extremen Rechten dominiert zu werden.» Es sei eine moralische Pflicht, alles zu tun, um das Schlimmste zu verhindern.
Le Pen rief hingegen dazu auf, ihrer Partei bei den kommenden Stichwahlen zu einer absoluten Mehrheit zu verhelfen. «Nichts ist gewonnen, die zweite Runde ist entscheidend.» RN-Parteichef Jordan Bardella kündigte an, mit einer absoluten Mehrheit im Parlament als Ministerpräsident die Regierung übernehmen zu wollen.
Rechtsruck hätte international Folgen
Falls das RN tatsächlich die absolute Mehrheit erreichen sollte, müsste Macron tatsächlich einen Premierminister aus den Reihen der Rechtsnationalen ernennen. Denn das Unterhaus hat die Möglichkeit, die Regierung zu stürzen. Während die Anhänger des RN auf einen Machtwechsel hoffen, fürchten viele Franzosen eine Übernahme der Rechtsnationalen. Am Sonntagabend protestierten Tausende Menschen in Paris und anderen Städten gegen die extreme Rechte.
Deutschland und Europa müssten sich darauf vorbereiten, dass das gespaltene Land keinen klaren Kurs mehr verfolgt und unzuverlässiger wird. Als Präsident hat zwar Macron in der Außenpolitik Vorrang. Sollte jedoch der 28-jährige Bardella Premierminister werden, dürfte er seine Linie kaum ungehindert fortsetzen können. Anstelle neuer Initiativen stünde in Frankreich Verwaltung an er Tagesordnung.
Das RN gibt im Gegensatz zu Macron wenig auf die enge Zusammenarbeit mit Deutschland. Die Partei strebt auch danach, den Einfluss der Europäischen Union in Frankreich einzudämmen.
Frankreich droht Stillstand
Falls die aktuellen Prognosen eintreffen und keine der Parteien eine absolute Mehrheit erhält, würde Frankreich vor schwierigen Koalitionsverhandlungen stehen. Es ist derzeit unklar, wie die verschiedenen politischen Akteure eine Regierung bilden könnten.
Falls keine Lösung gefunden wird, könnte die derzeitige Regierung als Übergangsregierung weitermachen oder eine Expertenregierung eingesetzt werden. In einem solchen Szenario droht Frankreich politischer Stillstand. Eine Regierung ohne Mehrheit könnte keine neuen Vorhaben umsetzen.