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Mann bleibt Mann: Wie Sprache uns beeinflusst

Gegnerinnen und Gegner des Genderns argumentieren oft, das generische Maskulinum meine alle Geschlechter. Das ist zwar theoretisch so, aber in unseren Köpfen ploppen trotzdem vor allem Männer auf.

Die Wahl unserer Worte beeinflusst auch, ob wir uns Männer oder Frauen vor unserem inneren Auge sehen - das zeigt eine Studie der Universität Würzburg.
Foto: Marijan Murat/dpa

Astronauten, Forscher, Bürger, Kunden, Polizisten, Richter … bei all diesen Ausdrücken sind Frauen und diverse Menschen doch mitgemeint! So argumentieren Befürworterinnen und Befürworter des generischen Maskulinums, also der Verwendung der maskulinen Form auch in Fällen, in denen nicht nur Männer gemeint sind. Allerdings zeigen immer mehr Studien, dass es für das geistige Auge durchaus einen Unterschied macht, ob beispielsweise die weibliche Form explizit dazugesagt wird.

Das generische Maskulinum war in Deutschland jahrzehntelang üblich. Doch sein Fundament gerät ins Wanken. Immer mehr Menschen und Organisationen greifen auf Alternativen zurück, um Frauen und nicht-binäre Personen – also Menschen, die sich weder als Mann noch als Frau identifizieren – sichtbarer zu machen. Dazu gehört es, konsequent auch die weibliche Form zu verwenden (also zum Beispiel: Richterinnen und Richter). Zudem werden geschlechtsneutrale Ausdrücke wie Mensch, Person und Mitglied genutzt. Teilweise werden auch Substantivierungen wie Lehrende und Studierende verwendet.

Die Schreibweisen mit Genderstern (zum Beispiel Schüler*innen), Binnen-I (SchülerInnen) und Gender-Gap (Schüler_innen und Schüler:innen) werden besonders leidenschaftlich diskutiert. Bayern hat erst kürzlich solche Konstrukte in seinen Behörden, Schulen und Hochschulen verboten.

Mitgemeint ist nicht unbedingt mitgedacht

Studien zeigen, dass sogenannte geschlechtergerechte Sprache grundsätzlich einen Unterschied macht. Die Sozialpsychologen Fritz Strack und Patrick Rothermund von der Universität Würzburg veröffentlichten gerade erst im «Journal of Language and Social Psychology» eine Untersuchung, der zufolge das generische Maskulinum eher mit Männern assoziiert wird – selbst wenn extra dazu gesagt wird, dass Frauen mitgemeint sind.

Das generische Maskulinum könnte die Vorstellung in Richtung Männer verzerren, weil die kommunikative Absicht missverstanden wird – also dass nur Männer gemeint sind, schreiben die Wissenschaftler. Eine weitere Erklärung wäre, dass automatisch männliche Assoziationen mit dem generischen Maskulinum geweckt werden.

Die Untersuchung von Strack und Rothermund zeigt klar, dass es tatsächlich eine automatische Assoziation beim generischen Maskulinum gibt. Daher ist es nicht ausreichend, darauf hinzuweisen und sich daran zu erinnern, dass mit dem generischen Maskulinum nicht nur Männer gemeint sind.

Experimente zum Sprachverständnis

In ihren Experimenten ließen die Forscher jeweils knapp 200 Teilnehmer bestimmte Satz-Kombinationen beurteilen. In einem ersten Satz wurde das generische Maskulinum für eine Gruppe von Menschen benutzt, wie Kellner, Nachrichtensprecher, Autoren, Spaziergänger, Berufsschüler, Nachbarn und Zuschauer. In einem zweiten Satz wurde entweder nur eine männliche oder nur eine weibliche Untergruppe der Gruppe aus Satz eins erwähnt. Dann sollten die Teilnehmer möglichst schnell angeben, ob Satz zwei eine vernünftige Fortsetzung von Satz eins ist.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer die zweiten Sätze häufiger als sinnvolle Weiterführungen der ersten Sätze einstuften, wenn eine männliche Untergruppe erwähnt wurde. Außerdem waren sie in ihrem Urteil dann schneller. Das heißt den Forschern zufolge, dass die Teilnehmerinnen und Teilnehmer das generische Maskulinum eher mit Männern assoziierten.

Auch wenn den Probandinnen und Probanden zu Beginn des Experiments explizit gesagt wurde, dass das generische Maskulinum sowohl Männer als auch Frauen umfasst und in den gezeigten Sätzen ein spezielles Sonderzeichen als Erinnerung eingefügt wurde, war dies der Fall.

So lassen sich im Kopf andere Bilder erzeugen

Während bloßes Erinnern nicht ausreichte, konnten die Forscher in einem weiteren Experiment zeigen, wie deutlicher werden kann, dass Frauen mitgemeint sind. So bekamen Teilnehmerinnen und Teilnehmer im ersten Satz eine zusätzliche Information, welche andere Bilder im Kopf erzeugen sollte – etwa durch Erwähnen stereotyp weiblicher Kleidung, zum Beispiel: «Die Kellner zogen sich helle Hemden und Blusen an». Oder durch noch deutlichere Hinweise, dass die Gruppen nicht nur aus Männern bestehen, wie: «Die Berufsschüler wurden in geschlechtergemischte Klassen eingeteilt.»

Das Team aus Würzburg hat herausgefunden, dass durch diese zusätzlichen Informationen Probanden nicht mehr so oft Männer assoziierten – trotz des generischen Maskulinums.

Grammatikunterricht genügt nicht

Dass es schwierig ist, das generische Maskulinum so zu verstehen, wie es gemeint ist, nämlich inklusive Frauen und diversen Menschen, zeigen auch frühere Studien. «Menschen mögen die Regel in der Schule gelernt haben und sie auch verstehen, aber können sie nicht leicht anwenden», schrieben Forscherinnen und Forscher 2009 in einem Überblicksartikel im «European Journal of Psychology of Education».

Auch in Bezug auf Personengruppen, die stereotyp eher mit Frauen assoziiert sind, weckt das generische Maskulinum häufig männliche Assoziationen, wie andere Studien nahelegen. So wurden in einer Studie mit dem Titel «Wenn alle Männer sind» auch die Wörter Kosmetiker und Geburtenhelfer eher mit Männern in Verbindung gebracht.

dpa