Die Zahl der Neuerkrankungen von Diabetes steigt bei Minderjährigen in Deutschland stark an. Forscher weisen auf veränderte Lebensstile hin. Sie vermuten aber auch Umwelteinflüsse.
Mehr Diabetes-Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen
Die Zahl der Diabetes-Neuerkrankungen bei Kindern und Jugendlichen in Deutschland ist in den vergangenen 20 Jahren deutlich nach oben geklettert. Ein Anstieg ist sowohl bei Typ 1 als auch bei Typ 2 zu verzeichnen. Das schließt ein Team um Anna Stahl-Pehe vom Deutschen Diabetes-Zentrums (DDZ) in Düsseldorf aus seiner Studie, die auf Zahlen aus Nordrhein-Westfalen beruht.
Die Tendenz sei sicherlich in ganz Deutschland ähnlich, sagt ihr DDZ-Kollege und Mitautor Joachim Rosenbauer. Mit einem Plus von fast fünf Prozent (4,9) pro Jahr bei der jährlichen Neuerkrankungsrate fällt das im Langzeit-Trend am stärksten beim Typ-2-Diabetes auf, der oft mit ungesundem Lebensstil und Fettleibigkeit einhergeht.
Bei Typ 1 liegt der berechnete jährliche Anstieg der Neuerkrankungsrate bei zwei Prozent, allerdings sind hier die Fallzahlen wesentlich höher. Typ 1 ist eine Autoimmunerkrankung, bei der Zellen zerstört werden, die das Hormon Insulin produzieren.
Was begünstigt Diabetes?
Übergewicht und Fettleibigkeit seien wichtige Faktoren für die Entwicklung eines Typ-2-Diabetes, bekräftigen die Autoren der Studie. Sie wollen ihre Daten bei der Jahresversammlung der Europäischen Vereinigung zur Erforschung von Diabetes (EASD) Anfang Oktober in Hamburg vortragen.
Allerdings sei bei jeweils einem von vier Kindern mit Typ-2-Diabetes keine Fettleibigkeit diagnostiziert worden, so dass andere Faktoren eine Rolle spielen müssten. Diese seien weiter zu erforschen, sagte Rosenbauer.
Die Forscher stützen ihre Folgerungen auf Daten des Diabetes-Registers des bevölkerungsreichsten Bundeslands Nordrhein-Westfalen. Dort seien auch klinische Erhebungen zu seltenen Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen, Daten aus jährlichen Praxisbefragungen sowie eine bundesweite Diabetes-Patienten- Dokumentation zusammengeführt, erklärt Rosenbauer.
Von 2002 bis 2020 wurde der Studie zufolge in NRW bei fast 15.000 Kindern und Jugendlichen unter 20 Jahren (darunter 8165 Jungen) ein Typ-1-Diabetes neu diagnostiziert. Damit habe die Neuerkrankungsrate in dem Studienzeitraum im Schnitt für Typ 1 bei 22,9 Fällen auf 100.000 Menschen pro Jahr gelegen. Beim Typ-2-Diabetes waren es im Studienzeitraum 670 Betroffene in der dazu analysierten Altersgruppe von 10 bis 19 Jahren. Hier lag die Neuerkrankungsrate im Schnitt bei 2,0 pro 100.000 Menschen und Jahr.
Umwelteinflüsse als Faktor
Während der Anstieg der Neuerkrankungsrate bei Typ 1 bei Kindern bis vier Jahren gering blieb (plus 0,5 Prozent jährlich), waren die Zuwachsraten in den anderen Altersgruppen deutlich höher – mit plus 2,7 Prozent jährlich am stärksten bei den 10- bis 14-Jährigen.
Auch bei der Typ-2-Diabetes war der Anstieg in dieser Altersgruppe am höchsten, fiel aber mit jährlich plus 6,7 Prozent deutlich stärker aus.
Die Forscher vermuten, dass die steigende Neuerkrankungsrate beim Typ-1-Diabetes mit veränderten Umwelteinflüssen zu tun hat – darunter Ernährung, Lebensstil, virale Infektionen, verminderte biologische Vielfalt – oder mit einem komplexen Zusammenspiel solcher und genetischer Faktoren. Trotz intensiver Forschungen in den vergangenen Jahrzehnten seien eindeutige externe Umstände bislang aber nicht identifiziert worden.
Diabetes mellitus, oft auch einfach «Zuckerkrankheit» genannt, ist eine krankhafte Störung des Zuckerstoffwechsels, die unbehandelt schwere Folge-Erkrankungen nach sich ziehen kann.