Labour-Partei unter Keir Starmer könnte 14 Jahre konservative Regierung beenden.
Historische Abstimmung in Großbritannien: Konservative vor Niederlage
Großbritannien steht vor einer historischen Abstimmung. Bei der Parlamentswahl droht Premierminister Rishi Sunak und seiner Konservativen Partei eine heftige Niederlage. Neuer Regierungschef dürfte Keir Starmer von der Labour-Partei werden – darauf deuten alle Umfragen hin. Damit würden 14 Jahre konservativer Regierung enden. Die Wahllokale öffnen um 8.00 Uhr und schließen um 23.00 Uhr (jeweils MESZ).
Starmer betonte die Notwendigkeit eines Wechsels. Es sei für Großbritannien nicht tragbar, weitere fünf Jahre von einer konservativen Regierung regiert zu werden. Unter seiner Führung werde das Land ein neues Kapitel aufschlagen, erklärte der 61-Jährige.
Das Abschneiden der Liberaldemokraten wird mit Spannung erwartet, da sie laut einigen Berechnungen sogar die Chance haben, die Konservativen als größte Oppositionsfraktion abzulösen. Die rechtspopulistische Partei Reform UK von Nigel Farage, der maßgeblich den Brexit vorangetrieben hat, wird voraussichtlich erstmals ins Unterhaus einziehen. Experten gehen davon aus, dass die ehemalige Brexit-Partei den Konservativen viele Stimmen am rechten Rand abnehmen wird.
Mehr als 46 Millionen Menschen haben das Recht zu wählen und besitzen jeweils eine Stimme. Alle Sitze im Unterhaus werden durch Direktmandate vergeben. Der Kandidat oder die Kandidatin mit den meisten Stimmen in einem der 650 Wahlkreise gewinnt dabei immer. Die absolute Mehrheit im Unterhaus liegt bei 326 Sitzen.
Konservative setzen auf Schadensbegrenzung
Arbeitsminister Mel Stride räumte im rechten Sender GB News ein, Labour steuere auf einen Erdrutschsieg zu, «wie ihn dieses Land wohl noch nie erlebt hat». Bei der sich abzeichnenden Pleite für die Tories dürften mehrere aktuelle Regierungsmitglieder ihre Mandate verlieren. Selbst Premier Sunak zittere um seinen Sitz, schrieb die Zeitung «Guardian». Der Wahlkreis des 44-Jährigen in Nordengland gilt eigentlich als sichere Bank der Konservativen. Es wäre das erste Mal in der Geschichte, dass ein amtierender Premier aus dem Unterhaus fliegt. In diesem Fall wird ausgeschlossen, dass Sunak den Parteivorsitz behält.
Aber auch wenn der Noch-Regierungschef erneut ins Parlament einzieht, dürfte sich die Partei neu aufstellen. Mit dem moderaten Kabinettsmitglied Penny Mordaunt sowie den Hardlinern Kemi Badenoch, der Wirtschaftsministerin, und Suella Braverman, einst Innenministerin, laufen sich mehrere Kandidatinnen warm. Braverman betonte in einem Gastbeitrag für die Zeitung «Telegraph»: «Es ist vorbei, und wir müssen uns auf die Realität und Frustration der Opposition vorbereiten.»
Sunak ist optimistisch. Wenn nur 130.000 unentschlossene Wähler in etwa 100 umkämpften Wahlkreisen ihre Stimme den Konservativen geben würden, würde das Tory-Ergebnis bereits anders aussehen, sagte er.
Allerdings deuteten die Aussagen des 44-Jährigen eher auf Schadensbegrenzung hin. Labour dürfe keine «Supermehrheit» bekommen, warnte Sunak. Im politischen System Großbritanniens spielt aber keine Rolle, ob eine Partei 10 oder 200 Sitze Vorsprung im Parlament hat.
Medien unterstützen Labour-Chef Starmer
Mittlerweile haben sich auch viele Medien für Labour ausgesprochen. Zuletzt betonte die Boulevardzeitung «Sun», die vorwiegend konservative Positionen vertritt, Starmer müsse eine Chance erhalten.
Es gibt viele Gründe für den Niedergang der Konservativen. Die Partei hat die Auswirkungen des Brexits unterschätzt und konnte die wirtschaftlichen Probleme, die aus dem EU-Austritt entstanden sind, nicht lösen. Auch zahlreiche Skandale und Affären, insbesondere unter dem ehemaligen Premierminister Boris Johnson, spielten eine große Rolle. Dadurch wurde das Vertrauen genauso stark beeinträchtigt wie durch die chaotischen Wirtschaftspläne von Kurzzeit-Regierungschefin Liz Truss. Die Hypothekenzinsen für den Immobilienkauf stiegen stark an und belasten noch heute viele Menschen.
Fünf Premierminister in acht Jahren
Seit einigen Jahren gibt es keine personelle Stabilität mehr. Sunak, der seit Oktober 2022 im Amt ist, ist bereits der fünfte Premierminister seit dem Brexit-Referendum 2016. In verschiedenen Kabinettsposten gab es noch viel mehr Wechsel.
Nachdem die Wahllokale um 23.00 Uhr (MESZ) geschlossen wurden, wird eine Prognose erwartet. Die Auszählung der einzelnen Wahlkreise wird noch bis Freitagmorgen fortgesetzt. König Charles III. erteilt dem neuen Premierminister am Freitag offiziell den Auftrag zur Regierungsbildung.