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Russische Behörden verhängen Ausnahmezustand im Gebiet Kursk

Die Ukraine startete einen unerwarteten Vorstoß über die russische Grenze. Russland sichert nun das Atomkraftwerk in Kursk. Und auch die europäische Gasversorgung könnte unter den Kämpfen leiden.

Die ukrainischen Angriffe im russischen Gebiet Kursk treffen auch Ziele im tieferen Hinterland. (Archivbild)
Foto: ---/Administration of the Kursk region of Russia via AP/dpa

Nach dem Vorstoß ukrainischer Truppen ins russische Gebiet Kursk ist in der Region der Ausnahmezustand verhängt und der Schutz für das dortige Atomkraftwerk erhöht worden. «Die Region Kursk ist weiterhin mit einer schwierigen operativen Situation in den Grenzgebieten konfrontiert», teilte der geschäftsführende Gouverneur des Gebiets Kursk, Alexej Smirnow, bei Telegram mit. Er leite einen Operationsstab, der rund um die Uhr arbeite. Im benachbarten Gebiet Orjol traf unterdessen eine erste Gruppe von evakuierten Einwohnern des russischen Grenzgebiets ein.

Laut dem russischen Gesundheitsministerium wurden durch ukrainischen Beschuss im Kursker Gebiet über 30 Menschen verletzt. Davon wurden mindestens 19 zur Behandlung in Krankenhäuser eingeliefert. Unter den Verletzten ist auch der bekannte Kriegskorrespondent des russischen Fernsehens, Jewgeni Poddubnyj. Das Staatsfernsehen berichtete, dass er in einem örtlichen Krankenhaus behandelt wird. Berichten zufolge erlitt er schwere Verbrennungen durch einen Drohnenangriff.

Russland erhöht Schutzmaßnahmen für AKW Kursk

Die russische Nationalgarde hat den Schutz des Atomkraftwerks Kursk verstärkt, das vier Blöcke und eine Leistung von fast zwei Gigawatt hat und sich nur gut 60 Kilometer von der ukrainischen Grenze entfernt befindet. Zusätzliche Kräfte wurden für die Bekämpfung von Sabotage- und Aufklärungstrupps in den Gebieten Kursk und Belgorod mobilisiert, teilte die Behörde mit. Dies geschieht in Zusammenarbeit mit den russischen Grenztruppen und der Armee. Die Angaben beider Kriegsparteien sind in der Regel nicht unabhängig überprüfbar.

Einige Tage zuvor hatten ukrainische Truppen, unterstützt von Panzern und Artillerie, die russische Grenze vom Gebiet Sumy aus bei Sudscha überschritten und laut Berichten mehrere Dörfer unter ihre Kontrolle gebracht. Russischen Angaben zufolge sind etwa 1.000 ukrainische Soldaten an der Operation beteiligt. Unbestätigten Berichten zufolge sind sie dabei bis zu 15 Kilometer in Richtung des Atomkraftwerks vorgedrungen.

Direkt hinter der Grenze könnte somit auch die Gasmessstation Sudscha unter ukrainische Kontrolle geraten. Über sie erfolgt der Transit von russischem Erdgas durch die Ukraine und weiter in die Slowakei und nach Österreich. Im Jahr 2023 wurden entlang dieser Route trotz des anhaltenden Krieges 14,6 Milliarden Kubikmeter Erdgas in die Europäische Union transportiert.

Ein Video, das auf ukrainischen Kanälen verbreitet wurde, zeigte angeblich rund 20 gefangene russische Grenzsoldaten im Gebiet Kursk. Die Aufnahmen ließen sich jedoch nicht unabhängig bestätigen.

Weiter kein offizieller Kommentar aus Kiew

Die Behörden in Kiew kommentierten die Situation im Gebiet Kursk nicht weiter. In seiner Abendansprache erwähnte Präsident Wolodymyr Selenskyj lediglich eine Beratung mit Armeeoberbefehlshaber Olexander Syrskyj. «Details folgen später», sagte der Staatschef. Zudem habe er mit Verteidigungsminister Rustem Umjerow den Ausbau des ukrainischen Raketenprogramms besprochen.

Selenskyj erwähnt darüber hinaus, dass er mit Regierungsmitgliedern über das bereits seit langem diskutierte Smartphoneprogramm «Army+» gesprochen habe, mit dem künftig Berichte von Kommandeuren gleich digital erfasst werden sollen. «Das wird eindeutig die tagtäglichen Aufgaben der Kommandeure erleichtern», unterstrich der Präsident. Später werde dies auch für jeden Soldaten zugänglich gemacht.

Einsatz von Gleit- und Streubomben

Der ukrainische Generalstab informierte erneut über einen starken Einsatz von russischen Gleitbomben im grenznahen Bereich des Gebiets Sumy, das an Kursk grenzt. Es wurden dort allein etwa 30 Gleitbomben abgeworfen. Darüber hinaus wurden laut Bericht etwa ein halbes Dutzend Orte von russischer Artillerie beschossen.

Das russische Verteidigungsministerium zeigte am Abend ein Video vom Einsatz einer Kurzstreckenrakete des Typs «Iskander-M». Der Raketenangriff mit einem Streubombensprengkopf habe einer ukrainischen Truppenkonzentration unweit der russischen Grenze im Gebiet Sumy gegolten. Auch diese Angaben waren nicht überprüfbar.

In Anbetracht der schweren Kämpfe im russischen Nachbargebiet Kursk und des russischen Beschusses haben die ukrainischen Behörden Evakuierungen weiterer Orte in der Grenzregion Sumy angeordnet. Die Maßnahmen betreffen 23 Siedlungen, wie der Militärgouverneur von Sumy im ukrainischen Fernsehen mitteilte. Etwa 6.000 Menschen, darunter mehr als 400 Kinder und Jugendliche, sollen aus der grenznahen Region in Sicherheit gebracht werden.

Intensivere Kämpfe im Gebiet Charkiw erwartet

Das ukrainische Militär erwartet unterdessen eine Intensivierung der Kämpfe im ostukrainischen Gebiet Charkiw. «Der Gegner setzt Artillerie, Mörser und Mehrfachraketenwerfer ein, was von der Absicht des Feindes zeugen kann, aktive Sturmhandlungen zu beginnen», teilte die in dem Gebiet aktive ukrainische Armeegruppierung bei Telegram mit. Besonders betreffe das die Region um die seit Mai umkämpfte grenznahe Stadt Wowtschansk.

Auch in der Region Donezk gibt es weiterhin heftige Kämpfe, insbesondere um die Stadt Torezk und das Dorf Nju-Jork (New York). Ein von ukrainischen Militärbeobachtern registrierter Rückzug der ukrainischen Truppen östlich von Nju-Jork wurde bisher nicht offiziell bestätigt.

Die Ukraine kämpft seit fast zweieinhalb Jahren gegen die russische Invasion.

dpa