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Scharfe UN-Kritik an Branche fossiler Brennstoffe

Angesichts der Klimakrise nimmt der UN-Generalsekretär die Industrie ins Visier, die Profite mit fossilen Brennstoffen macht. Er erntet für seinen Boykottaufruf Zustimmung.

«Es gibt keinen Grund, dass Tech-Konzerne wie Google bei Klima-Suchanfragen Propaganda für fossile Brennstoffe ausspucken sollten», sagt Michael Khoo von der Umweltorganisation Friends of the Earth.
Foto: Anupam Nath/AP/dpa

Wissenschaftler und Klimaschützer haben die scharfe Kritik von UN-Generalsekretär António Guterres an der Branche für fossile Brennstoffe begrüßt. «Gelder fossiler Konzerne stecken überall drin und machen die ehrgeizigen Klimaschutzmaßnahmen, die wir laut Wissenschaft brauchen, schwierig oder unmöglich», sagte Timmons Roberts, Professor an der US-amerikanischen Brown University.

Die PR-Aktivitäten der Branche seien katastrophal. «PR-Firmen, Medienhäuser, Beratungsfirmen, Anwaltskanzleien und Finanzakteure profitieren von fossilem Marketing und verhindern so den Aufbau einer lebenswerten Zukunft ohne Kohle, Öl und Gas.»

Guterres beschuldigte gestern die Industrie, den Übergang zu erneuerbaren Energien absichtlich mit Fehlinformationen zu behindern. Er forderte zum Boykott auf: Die Werbebranche solle keine Aufträge mehr von der Industrie annehmen, Medien und Technologieunternehmen sollten keine Werbung mehr von der Branche annehmen. Er forderte Regierungen auf, ein Werbeverbot zu erlassen, und riet Finanzinstituten, sich von der Industrie abzuwenden und stattdessen in erneuerbare Energien zu investieren.

Guterres: «Spielen mit unserem Planeten russisches Roulette»

Er nannte mehr als 30 konkrete nötige Schritte, um die Erderwärmung zu begrenzen und die Welt vor mehr Klimachaos zu bewahren. Die Konflikte in der Ukraine, in Gaza und anderswo hätten das Klimathema verdrängt, es sei aber eine Bedrohung für die Menschheit und müsse höchste Priorität behalten. «Wir spielen mit unserem Planeten russisches Roulette», sagte er. «Wir brauchen eine Ausfahrt vom Highway zur Klimahölle.»

Tom Holen von der Denkfabrik InfluenceMap für Klimaschutz sagte: «Wir wissen, dass fossile Konzerne ausgeklügelte Kommunikationsstrategien nutzen, um Klimaschutz zu verhindern und den Status quo zu erhalten. Regierungen müssen handeln und dafür sorgen, dass endlich Maßnahmen ergriffen werden, die verhindern, dass mächtige Interessengruppen Klimaschutz blockieren.»

Michael Khoo von der Umweltorganisation Friends of the Earth beschäftigt sich mit Klima-Desinformation. «Es gibt keinen Grund, dass Tech-Konzerne wie Google bei Klima-Suchanfragen Propaganda für fossile Brennstoffe ausspucken sollten», sagte er. «Regierungen weltweit sollten ein Werbeverbot für Fossile erlassen – ähnlich wie beim Umgang mit Tabakwerbung.»

Guterres sagte nach seiner Rede, jeder Einzelne müsse sich engagieren: Bei Wahlen, um Politikerinnen und Politiker an die Macht zu bringen, die es mit dem Klimawandel ernst meinten und durch eigenes Engagement für mehr Klimaschutz. Er bedankte sich bei jungen Leuten, die dies täten. «Ihr steht auf der richtigen Seite der Geschichte», sagte er. «Macht weiter.»

2023 war das heißeste Jahr mit 1,45 Grad plus

In seiner Rede bezog er sich auf drei Klimaberichte mit beunruhigenden Ergebnissen, die gestern veröffentlicht wurden. Laut diesen Berichten hat sich der Klimawandel beschleunigt. Gemäß der IGCC-Studie stieg die globale Durchschnittstemperatur von 2014 bis 2023 um 0,26 Grad, im Vergleich zu 0,20 Grad in der vorherigen Dekade. Der Mai war der zwölfte Monat in Folge, in dem die globale Durchschnittstemperatur einen Rekordwert für den jeweiligen Monat erreichte, wie der EU-Klimawandeldienst Copernicus berichtete.

Der Rekord bezieht sich mindestens auf den Zeitraum seit 1850. Die Weltwetterorganisation WMO geht nun davon aus, dass mit einer 80-prozentigen Wahrscheinlichkeit eines der nächsten fünf Jahre 1,5 Grad oder mehr wärmer sein wird als die Welt es in vorindustrieller Zeit war. 2023 war bisher das wärmste Jahr mit einem Plus von 1,45 Grad im Vergleich zum Zeitraum von 1850 bis 1900.

dpa