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Prozess gegen Sean «Diddy» Combs: Verstörende Sex-Details und grausame Gewaltberichte

Ein Rückblick auf sechs Prozesswochen – und ein Ausblick auf ein mögliches Urteil. Die Schlussplädoyers stehen bevor.

Im Verfahren gegen den Rapper Sean Combs ist eine Entscheidung gefallen. (Archivbild)
Foto: Elizabeth Williams/AP/dpa

Verstörende Sex-Details und grausame Gewaltberichte: Rund sechs Wochen lang sagten im Prozess gegen den früheren Rap-Superstar Sean «Diddy» Combs mehr als 30 Zeugen und Zeuginnen aus – und das alles im grellen Scheinwerferlicht der Weltpresse. Jetzt folgen die Schlussplädoyers. 

Und was dann? Eine Zusammenfassung von sechs Prozesswochen – und ein Blick auf ein mögliches Urteil.

Was bisher geschah

Im Prozess präsentierte die anklagende Staatsanwaltschaft mehr als 30 Zeugen und Zeuginnen, darunter frühere Partnerinnen und Mitarbeiter des Rappers. Ex-Freundin und Schlüsselzeugin Cassie Ventura beispielsweise schilderte, wie Combs sie zu Sex mit fremden Männern gezwungen habe. Sie berichtete auch von Drogen und körperlicher Gewalt.

Auch andere Frauen beschuldigten den Rapper des langjährigen sexuellen Missbrauchs und der Gewalt. Viele andere Zeugen schilderten ausführlich, wie sie Combs halfen, Sex-Veranstaltungen in Hotels zu organisieren.

Die Verteidigung hat erneut keinen einzigen Zeugen vorgelegt. Combs, der alle Anschuldigungen bestreitet und auf nicht schuldig plädiert, hat auch selbst nicht ausgesagt.

Das Verfahren erinnerte an ähnliche Prozesse wegen Sexualstraftaten gegen Ex-Superstars in den vergangenen Jahren – darunter Musiker R. Kelly, Comedian Bill Cosby und Produzent Harvey Weinstein. Die Vorwürfe gegen Weinstein lösten vor etwa acht Jahren die weltweite MeToo-Bewegung aus, die jedoch mittlerweile auf viel Gegenwind gestoßen ist.

Was als Nächstes ansteht

Die Schlussplädoyers, die laut Gericht bis einschließlich Freitag dauern sollen, bieten beiden Seiten die Möglichkeit, der Jury noch einmal ihren Standpunkt klarzumachen. Es wird erläutert, warum Combs schuldig ist – oder eben nicht.

Zum Auftakt warf die Anklage Combs die Leitung eines «kriminellen Unternehmens» vor. «In den vergangenen Wochen habt ihr viel über Sean „Diddy“ Combs gelernt», sagte die stellvertretende Staatsanwältin Christy Slavik der Jury vor Gericht in New York, wie US-Medien übereinstimmend berichteten. «Er ist der Anführer eines kriminellen Unternehmens. Er akzeptiert keinen Widerspruch und jetzt kennt ihr die vielen Verbrechen, die der Angeklagte mit Mitgliedern seines Unternehmens begangen hat.» 

Nachdem die Schlussplädoyers abgeschlossen sind – möglicherweise am Montag – ziehen sich die zwölf Geschworenen zur Beratung über das Urteil zurück. Sie haben so viel Zeit, wie sie benötigen – bis zu einem Urteil könnten also wenige Stunden oder auch viele Tage vergehen.

Wie ein Urteil aussehen könnte

Combs ist unter anderem wegen Sexhandels, organisierter Kriminalität und weiterer Straftaten angeklagt. Die New Yorker Staatsanwaltschaft wirft dem Rapper vor, über Jahre hinweg Frauen missbraucht, bedroht und genötigt zu haben, seine sexuellen Wünsche zu erfüllen. Er habe ein «kriminelles Unternehmen» mit Helfern geführt. Bei einer Verurteilung droht Combs – der in der Vergangenheit unter anderem die Pseudonyme «Puff Daddy», «P. Diddy» und «Diddy» benutzte – eine lebenslange Haftstrafe. 

Die Jury muss über die Einzelheiten des Urteils entscheiden – es ist möglich, dass Combs nur teilweise schuldig gesprochen wird. Die zentrale Frage ist nicht, ob das Verhalten von Combs redlich war. Selbst die Verteidigung räumt ein, dass es das nicht war. Aber: War es auch strafbar?

Anklage und Verteidigung – zwei Narrative 

Die Verteidigung hat auch keine eigenen Zeugen oder Zeuginnen vorgeladen, da sie argumentierten, dass ihr Narrativ bereits in den Zeugenaussagen deutlich geworden sei: Combs behandelte viele Menschen, insbesondere seine Ex-Freundinnen, teils schlecht und führte toxische Beziehungen – diese seien jedoch einvernehmlich gewesen. Eine Ex-Freundin berichtete zum Beispiel, dass sie trotz allem immer Zuneigung für Combs empfunden habe.

Die Anklage behauptet, dass Combs‘ Handlungen die Schwelle zur Straftat überschritten haben. Sie beschuldigt ihn sogar der organisierten Kriminalität, ein Vorwurf, der ursprünglich für Bandenkriminalität wie die der Mafia geschaffen wurde. Dieser Vorwurf wurde bereits im Prozess gegen Sänger R. Kelly erfolgreich verwendet, um eine systematische Struktur von sexuellem Missbrauch aufzudecken.

Die Frage bleibt: Hat die Anklage die Geschworenen erfolgreich überzeugt? Viele Beobachter halten es eher für wahrscheinlich, dass es zwar zu einer Verurteilung von Combs kommt – die Jury aber nicht bei allen Anklagepunkten der Staatsanwaltschaft mitgeht.

Und dann? Die Zukunft von Sean Combs

Der Musiker, der 1969 im New Yorker Stadtteil Harlem geboren wurde, befindet sich seit September in Untersuchungshaft. Im Falle eines Freispruchs könnte er diese verlassen. Sollte er für schuldig befunden werden, wird das Strafmaß von Richter Arun Subramanian wie gewöhnlich zu einem späteren Zeitpunkt bekannt gegeben. Combs hätte die Möglichkeit, in Berufung zu gehen.

Es gibt neben der Anklage der New Yorker Staatsanwaltschaft auch viele Zivilklagen gegen Combs, der dreimal verheiratet war und sieben Kinder hat. Eine Anwaltskanzlei in Houston, Texas, vertritt eigenen Angaben zufolge rund 120 Menschen mit Vorwürfen gegen den Rapper.

Unterstützung bekam Combs im Prozess von seiner Mutter und seinen Kindern, die häufig im Publikum waren. Auch Combs‘ umstrittener Rap-Kollege Kanye West schaute einmal vorbei. Ansonsten haben sich viele seiner früheren Freunde von ihm abgewendet. Ein Comeback des früheren Superstars, der mit Hits wie «I’ll Be Missing You» und «Bad Boy For Life» sowie einem eigenen Musiklabel und einer Modemarke in den vergangenen Jahrzehnten zu den erfolgreichsten Rappern der Welt gehörte, scheint also zumindest erstmal schwierig.

dpa