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So bedroht die Klimakrise Eisbären

Der Klimawandel verlängert die eisfreie Zeit in der Arktis. Dadurch verlieren Eisbären zunehmend ihr Jagdrevier. Können sich die Tiere anpassen und auf dem Festland genügend Beute finden?

Ein Eisbär (Ursus maritimus) in der westlichen Hudson Bay Region im nordöstlichen Teil Kanadas.
Foto: David McGeachy/Springer Nature/dpa

Kaum ein Tier steht so für die verheerenden Folgen der Klimaerwärmung wie der Eisbär – und tatsächlich machen längere eisfreie Phasen in der Arktis den Raubtieren schwer zu schaffen. Das zeigt eine aufwendige Studie im Fachblatt «Nature Communications», für die Forschende 20 Eisbären in Kanada über mehrere Wochen sehr genau beobachtet haben. Dabei stellte das Team um Anthony Pagano vom Alaska Science Center fest, dass die Eisbären zwar auch an Land auf Futtersuche gehen, dabei aber weniger erfolgreich sind und an Gewicht verlieren.

Der fortschreitende Klimawandel führt in der Arktis zu einem Rückgang des Meereises, was für die Eisbären ein Problem darstellt. Sie jagen auf dem Eis von spätem Frühling bis Frühsommer Robben, die zu dieser Zeit ihre Jungen zur Welt bringen. Wenn sich das Meereis zurückzieht, sind die Eisbären gezwungen, an Land zu gehen. Aufgrund der Erderwärmung haben sich die eisfreien Phasen bereits von 1979 bis 2015 um drei Wochen verlängert, sodass Eisbären mittlerweile 130 Tage im Jahr an Land verbringen.

22 bis 67 Prozent weniger Jungtiere

Obwohl Eisbären anpassungsfähig sind und gelegentlich auch an Land jagen, haben Wissenschaftler Bedenken, dass das Überleben dieser Tierart stark gefährdet wird, wenn die eisfreie Zeit weiter zunimmt. Es wird geschätzt, dass bis 2050 22 bis 67 Prozent weniger Jungtiere geboren werden könnten. Andere Forscher gehen davon aus, dass ein Viertel der männlichen Eisbären verhungern wird, wenn das arktische Meer 180 Tage lang eisfrei bleibt.

Obwohl diese Vermutungen bestehen, ist es ungewiss, ob Eisbären während der meereisfreien Zeit länger überleben könnten, indem sie weniger Energie verbrauchen oder neue Nahrungsquellen finden. Um dies herauszufinden, hat das Team um Pagano 20 Eisbären in der kanadischen Hudson Bay während der meereisfreien Zeit untersucht.

Die Wissenschaftler haben den täglichen Energieverbrauch der Tiere und die Veränderungen ihrer Körpermasse ermittelt. Mithilfe von GPS-Trackern, die mit Kameras ausgestattet waren, konnten die Forscher beobachten, wie sich die Tiere verhielten, was sie fraßen und wie viel sie sich bewegten.

19 von 20 Eisbären verloren Gewicht

«Wir beobachteten sehr unterschiedliche Verhaltensweisen bei den Eisbären», sagte Pagano laut einer Pressemitteilung der Washington State University. «Manche Bären legten sich einfach hin und verbrauchten ähnlich wenig Energie wie beim Winterschlaf. Andere suchten aktiv nach Futter und ernährten sich von Vogel- und Karibu-Kadavern, Seetang und Beeren. Drei Tiere schwammen sogar über etliche Kilometer durchs Meer, um dort nach Nahrung zu suchen.»

Je nach Aktivität stellten die Forschenden auch große Unterschiede im täglichen Energieverbrauch der Tiere fest. Insgesamt verloren aber 19 der 20 Eisbären an Gewicht: 0,4 bis 1,7 Kilogramm pro Tag und damit 8 bis 36 Kilogramm innerhalb des dreiwöchigen Beobachtungszeitraums. «Zwar konnten manche Tiere Nahrung finden. Doch verbrauchten sie für die Futtersuche im Endeffekt mehr Energie, als sie über die Nahrungsaufnahme wieder zurückgewinnen konnten», erklärt Pagano.

Eisbären sind mit Grizzlys nicht zu vergleichen

Manche Fachleute hatten angenommen, dass Eisbären sich auf dem Festland so verhalten würden wie ihre Verwandten, die Grizzly-Bären: Entweder gehen sie in den Ruhemodus oder suchen Nahrung an Land. Doch das ist offenbar nicht der Fall. «Eisbären sind keine Grizzlys mit weißem Fell. Sie unterscheiden sich sehr stark voneinander», sagte Co-Autor Charles Robbins, Direktor des Washington State University Bear Centers. «Eisbären sind größer und wiegen auch wesentlich mehr. Um ihr Gewicht zu halten, fressen sie das energiereiche Fett von Robben – und die fangen sie über das Meereis.»

Obwohl Eisbären ihr Verhalten sehr stark anpassen können, verdeutlichen die Ergebnisse, wie stark eine längere meereisfreie Phase das Risiko erhöht, dass die Tiere verhungern. «Dadurch, dass Eisbären sich früher aufs Festland zurückziehen müssen, haben sie auch weniger Zeit, um überlebenswichtige Energiereserven aufzubauen», schildert Pagano. «Wir gehen davon aus, dass somit zukünftig mehr Tiere verhungern werden, insbesondere jüngere Eisbären und Weibchen mit Jungtieren.»

Die Naturschutzorganisation WWF wies darauf hin, dass die Entwicklung auch Auswirkungen auf Menschen haben kann. «Je mehr Zeit Eisbären an Land verbringen, desto größer ist das Risiko von Interaktionen und Konflikten mit den Menschen in den arktischen Küstengemeinden», teilte die Organisation mit. «Als großes Raubtier stellen Eisbären eine erhebliche Gefahr für das menschliche Leben dar, und Begegnungen können zu Sachschäden, Verletzungen und dem Verlust des Lebens sowohl von Menschen als auch von Bären führen.»

Laut Pagano sind die Eisbären in der westlichen Hudson Bay wahrscheinlich stärker von den Auswirkungen des Klimawandels betroffen als diejenigen in anderen Gebieten der Arktis.

dpa