Joe Bidens Umfragewerte sinken, erste Parteimitglieder fordern offen seinen Rückzug aus dem Rennen um die Präsidentschaft. Nun rückt seine Stellvertreterin in den Fokus.
Steigt Biden aus US-Wahlkampf aus? Demokraten nervös
Im US-Wahlkampf gerät Präsident Joe Biden unter Druck: Nach seinem katastrophalen Auftritt in der TV-Debatte gegen Herausforderer Donald Trump sinken die Umfragewerte des Demokraten. Es gibt zunehmend Stimmen in der eigenen Partei, die fordern, dass der 81-Jährige sich aus dem Rennen um die Präsidentschaft zurückzieht. Biden strebt weiterhin eine zweite Amtszeit bei der US-Wahl im November an und will verhindern, dass Trump wieder ins Weiße Haus einzieht. Es bleibt jedoch fraglich, ob und wie lange er dem Druck standhalten kann.
Umfragewerte im Keller
In den vergangenen Wochen lieferten sich Trump und Biden in den Umfragen ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Der Republikaner lag stets ein bis zwei Prozentpunkte vorn – trotz seiner Skandale und der Verurteilung in einem New Yorker Strafprozess. Seit der Fernsehdebatte konnte Trump seinen Vorsprung in der Wählergunst jedoch signifikant ausbauen, wie aktuelle Umfragen zeigen. Befragungen der «New York Times», von CNN und «Wall Street Journal» sehen ihn nun mit sechs bis acht Prozentpunkten vor Biden. Bei den Demokraten steigert das die Nervosität – und offenbar auch die Bereitschaft, über einen anderen Kandidaten nachzudenken.
Solche Umfragen spielen in den USA eine bedeutende Rolle, obwohl sie aufgrund verschiedener Faktoren oft ungenau sind. Wenn sich die Umfragewerte eines Politikers verschlechtern, kann dies ein wichtiges Signal für dessen Unterstützer sein, einschließlich der unverzichtbaren Geldgeber im US-Wahlkampf.
Druck auf Biden wächst
Spitzenpolitiker der Partei von Biden hatten in den letzten Tagen öffentliche Kritik zurückgehalten. Am Dienstag forderte der erste demokratische Abgeordnete im US-Repräsentantenhaus, Lloyd Doggett aus Texas, Biden öffentlich auf, aus dem Rennen auszusteigen und Platz für einen anderen Kandidaten zu machen. Ein zweiter demokratischer Abgeordneter, Raúl Grijalva aus Arizona, schloss sich den Forderungen am Mittwoch an.
Jedoch vor allem im Hintergrund gibt es Unruhe: Biden griff für Krisengespräche selbst zum Hörer, wie das Weiße Haus mitteilte. Laut der Mitteilung telefonierte er am Mittwoch mit hochrangigen Demokraten wie dem Mehrheitsführer im Senat, Chuck Schumer, dem Minderheitenführer im Repräsentantenhaus, Hakeem Jeffries, und anderen Parlamentariern.
Am Abend schaltete sich Biden mit mehr als 20 demokratischen Gouverneuren zusammen – wohl mit dem Ziel, sich deren Unterstützung zu sichern. Der Gouverneur von Maryland, Wes Moore, bezeichnete das Gespräch im Anschluss als «aufrichtig». Man stehe hinter Biden, aber sorge sich um den Stand der Demokraten im Rennen um die Präsidentschaft.
Im Weißen Haus bemühte sich Bidens Stabschef Jeff Zients um Schadensbegrenzung. In einer Telefonschalte mit mehr als 500 Regierungsmitarbeitern rief Zients übereinstimmenden Medienberichten zufolge dazu auf, den «Lärm» um Biden auszublenden und sich auf die Regierungsarbeit zu konzentrieren. Die vergangenen Tage seien eine Herausforderung gewesen. Die Fokussierung aller Mitarbeiter auf die Regierungsarbeit werde in der heißen Wahlkampfphase noch wichtiger, sagte er demnach.
Weißes Haus: Biden bleibt im Rennen
Die Regierungszentrale bemüht sich weiterhin nachdrücklich, alle Zweifel an der Eignung des Präsidenten für sein Amt zu beseitigen. Die Sprecherin des Weißen Hauses, Karine Jean-Pierre, die normalerweise nur zu Regierungsangelegenheiten und nicht explizit zum Wahlkampf spricht, betonte mehrmals, dass Biden im Rennen bleiben werde.
Zuvor hatte das Weiße Haus Medienberichte zurückgewiesen, die nahelegen, dass Biden über einen Rückzug nachdenkt. In dem Bericht der «New York Times» heißt es, der Präsident habe mit einem «wichtigen Verbündeten» darüber gesprochen. Nach dessen Angaben habe Biden in dem Gespräch gesagt, er wisse, dass er seine Kandidatur möglicherweise nicht mehr retten könne, wenn er in den kommenden Tagen nicht von seiner Eignung als Präsidentschaftskandidat überzeugen könne. «Diese Behauptung ist absolut falsch», teilte ein Sprecher der Regierungszentrale daraufhin mit.
In den nächsten Tagen plant Biden mehrere Auftritte: Am Freitag ist ein Fernsehinterview geplant, in den kommenden Tagen sollen Wahlkampfauftritte in den Bundesstaaten Wisconsin und Pennsylvania sowie in der kommenden Woche eine Pressekonferenz beim Nato-Gipfel in der US-Hauptstadt Washington folgen.
Vize Harris rückt in den Fokus
Derweil richtet sich der Fokus zunehmend auf Bidens Stellvertreterin Kamala Harris. Sie könnte Biden im Rennen um die Präsidentschaft ersetzen. Während besonders in den sozialen Medien haufenweise Spekulationen über einen möglichen Wechsel kursierten, ging ein Unterstützerteam von Ex-Präsident Donald Trump zum verbalen Frontalangriff auf die Demokratin über. «Die Demokraten beginnen, sich hinter Kamala Harris zu versammeln, da es nicht mehr zu leugnen ist, dass Joe Biden ungeeignet für das Amt ist», hieß es in einer Mitteilung der Wahlkämpfer.