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Studie: Felchen leiden unter höheren Wassertemperaturen

Felchen gelten als Delikatesse am Bodensee und als Leitart. Doch die Erwärmung tut den Fischlarven nicht gut, wie eine neue Studie zeigt.

Der Bodensee-Fisch schlechthin: Felchen
Foto: Felix Kästle/dpa

Steigende Wassertemperaturen können laut einer Studie für Bodensee-Felchen bestandsbedrohend sein. Mit den Temperaturen steigt auch die Sterblichkeit der Fischlarven, wie Biologen der Fischereiforschungsstelle Baden-Württemberg in Langenargen und der Universität Konstanz nun nachweisen konnten. Dafür untersuchten sie die Entwicklung von Eiern und Larven der Blaufelchen in unterschiedlichen Wassertemperaturen. «Die Resultate geben wenig Anlass zur Entwarnung», teilten die Forscherinnen und Forscher mit. 

Felchen schlüpfen zu früh 

Die Larven der Kälte-liebenden Felchen würden bei höheren Temperaturen deutlich früher schlüpfen – «also nicht wie üblich im Februar, sondern vielleicht schon Ende Januar», erklärten die Forscher. Dieser «Frühstart» könne sich als problematisch erweisen, weil zu diesem Zeitpunkt meist noch nicht ausreichend Futterorganismen vorhanden seien. «Außerdem konnte eine höhere Sterblichkeit der Eier nachgewiesen werden, da diese bei wärmerem Wasser mit einem höheren Befall von Mikroorganismen zu kämpfen haben.» 

Für Larven, die erfolgreich geschlüpft sind, geht der Überlebenskampf weiter. Normalerweise sind sie zunächst gut versorgt über den Dottersack, einem kleinen eingebauten Nahrungsvorrat. Jedoch verbraucht sich der Vorrat bei höheren Temperaturen überproportional schnell – was auch die Überlebenswahrscheinlichkeit verringert.

Bodensee wird immer wärmer

Im tiefen Wasser, wo sich die Eier der Blaufelchen entwickeln und die Larven schlüpfen, überschreite die Wassertemperaturen schon heute Werte, die ursprünglich erst für das Jahr 2040 prognostiziert worden seien. «Auch im Flachwasser, wo die Gangfische laichen, ist es heute rund ein Grad wärmer als üblich.»

Gemäß einer Analyse des Seeforschungsinstituts Langenargen betrug die durchschnittliche Wassertemperatur in der Tiefe im Jahr 2023 5,4 Grad. Dies markiert einen neuen Rekord. Vor zehn Jahren lag sie noch bei 4,3 Grad. Die Temperatur steigt kontinuierlich von Jahr zu Jahr an.

Im Jahr 2022 erreichte die Temperatur in dem Binnengewässer im Jahresdurchschnitt an der Wasseroberfläche einen Höchstwert von 14,1 Grad. Das Seeforschungsinstitut Langenargen der Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW) misst die Wassertemperatur im See seit 1962. Damals betrug sie im Schnitt noch 10,5 Grad.

Es wird auch für die adulten Felchen befürchtet, dass sie im Sommer, wenn sie üblicherweise Wasserflöhe in den lichtdurchfluteten Bereichen an der Oberfläche des Sees fressen, aufgrund des zu stark erwärmten Wassers nicht mehr in diese Bereiche gelangen. Das führt dazu, dass sie von ihrer Nahrung abgeschnitten sind.

Mensch muss nachhelfen 

Felchen sind laut den Forschern nicht nur ein Wahrzeichen der Bodenseeregion und eine geschätzte Delikatesse: «Als Leitart des Freiwassers sind sie gleichzeitig von immenser Bedeutung für das Funktionieren und die Widerstandsfähigkeit des gesamten Ökosystems.» 

Die durch die Klimakrise verursachten Veränderungen erfolgten aus erdgeschichtlicher Sicht so schnell, dass die natürliche Anpassungsfähigkeit oft nicht Schritt halten könne. Deshalb müsse man bei den Felchen nachhelfen. Dies werde durch die gezielte Aufzucht von größeren Besatzlarven versucht, die die kritischen ersten Lebenswochen behütet und kühl in der Zucht «überspringen» und anschließend auch kürzere Hungerphasen vielleicht besser überstehen. 

Felchenfangverbot seit Januar 

Aufgrund des seit Jahren rückläufigen Felchertrags ist es seit Januar im Bodensee-Obersee nicht mehr erlaubt, Fische zu fangen. Im Fangjahr 2023 wurden nur 9,9 Tonnen von den Fischern gefangen, was 94 Prozent weniger ist als das bereits sehr geringe 10-Jahres-Mittel (165 Tonnen). Die von der Internationalen Bevollmächtigtenkonferenz für die Bodenseefischerei (IBKF) im Juni 2023 beschlossene dreijährige Schonzeit für Felchen soll dazu beitragen, dass sich der Bestand erholt.

Die Ursachen für den dramatischen Rückgang der Erträge sind vielfältig. Die Felchen finden weniger Nahrung, da der Bodensee wieder nährstoffarm geworden ist. Doch laut Fischexperten spielt der Stichling derzeit die größte Rolle. Dieser kleine silberne Fisch wurde erstmals Anfang der 1950er Jahre im Bodensee entdeckt und hat sich nach unauffälligen Jahrzehnten überraschend ab 2012 explosionsartig vermehrt und beherrscht nun den größten Lebensraum des Sees, das Freiwasser.

dpa