In Thüringen stellt die AfD erstmals in einem Bundesland die stärkste Landtagsfraktion. Schon bei der Wahl des neuen Landtagspräsidenten kam es zum erwarteten Streit – Ausgang ungewiss.
Thüringer CDU-Fraktion ruft Verfassungsgericht an
Die CDU-Fraktion im Thüringer Landtag hat das Landesverfassungsgericht im Streit um das Verfahren zur Wahl des Landtagspräsidenten angerufen. Andreas Bühl, der parlamentarische Geschäftsführer der CDU-Fraktion, erklärte während der turbulenten ersten Plenarsitzung nach der Landtagswahl, dass das Gericht darüber entscheiden solle, welche Regeln bei der Wahl gelten. Es war zunächst unklar, wann das Gericht eine Entscheidung treffen wird.
Hintergrund ist, dass die AfD als stärkste Fraktion auf das alleinige Vorschlagsrecht für das Amt an der Landtagsspitze pocht. Die anderen Fraktionen wollen die Geschäftsordnung ändern, so dass der Landtagspräsident «aus der Mitte des Parlaments» gewählt werden kann und schon im ersten Wahlgang dementsprechende Vorschläge gemacht werden können.
AfD erstmals stärkste Kraft in einem Landtag
Der Alterspräsident Jürgen Treutler (AfD), der von den anderen Fraktionen außer seiner eigenen heftig kritisiert wurde, verschob die Sitzung daraufhin auf Samstag. CDU, SPD, BSW und Linke waren verärgert darüber, dass er nicht über die von ihnen geforderte Änderung der Geschäftsordnung abstimmen ließ. Treutler begründete dies damit, dass sich der Landtag zuerst konstituieren und ein neuer Landtagspräsident gewählt werden müsse.
Die AfD ist bei der Landtagswahl am 1. September erstmals in einem Bundesland stärkste Kraft geworden, diese hat in der Regel das Vorschlagsrecht für den Landtagspräsidenten. Doch CDU, BSW, SPD und Linke, die anderen Fraktionen im Landtag in Erfurt, hatten früh signalisiert, dass sie für den Posten keinen AfD-Kandidaten wählen wollen. So hatte CDU-Chef Mario Voigt betont, dass der «Hüter der Verfassung» nicht von einer Partei gestellt werden sollte, die vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestuft wird.
Der Landtagspräsident in Thüringen repräsentiert das Parlament, hat die Befugnis, den Landtag jederzeit einzuberufen und leitet die Landtagsverwaltung. Bei einer Ministerpräsidentenwahl ist der Präsident oder die Präsidentin für den formal reibungslosen Ablauf verantwortlich.
Pattsituation im Landtag
Der Ablauf der ersten Landtagssitzung gibt einen Vorgeschmack auf die bevorstehende Wahl des Ministerpräsidenten. Die CDU als zweitstärkste Fraktion plant, in der nächsten Woche Sondierungsgespräche für eine Koalition mit dem Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) und der SPD zu führen. Diese Brombeer-Koalition verfügt jedoch nur über 44 von 88 Sitzen im Landtag. Es fehlt ihr daher eine Stimme zur Mehrheit.
Die AfD unter der Führung von Björn Höcke hat bei der Landtagswahl in Erfurt mit 32,8 Prozent ihr bisher bestes bundesweites Ergebnis erzielt und verfügt somit über eine Sperrminorität im Landtag, die bei der Wahl von Verfassungsrichtern relevant sein könnte. Seit 2021 wird die Thüringer AfD vom Landesverfassungsschutz als erwiesenermaßen rechtsextremistisch eingestuft und überwacht.
Die CDU erzielte bei der Landtagswahl 23,6 Prozent der Stimmen und strebt erstmals seit zehn Jahren an, in Thüringen mit ihrem Parteichef Mario Voigt wieder den Ministerpräsidenten zu stellen. Das BSW erreichte aus dem Stand 15,8 Prozent, die Linke unter Noch-Ministerpräsident Bodo Ramelow 13,1 Prozent und die SPD 6,1 Prozent.