Ein Urteil des Obersten Gerichtshofs gibt Donald Trump die Chance, seine Verurteilung in New York anzugreifen. Nun verzögert sich wohl zumindest die Verkündung seiner Strafe.
Trump-Strafe in New York wohl verzögert
Gemäß einem Grundsatzurteil des Supreme Courts der Vereinigten Staaten zur Immunität von US-Präsidenten könnte es zu einer Verzögerung der Strafmaßverkündung gegen Donald Trump in seinem New Yorker Prozess kommen. Die Staatsanwaltschaft teilte Richter Juan Merchan in einem Brief mit, dass sie keinen Einwand gegen eine spätere Bekanntgabe des Strafmaßes habe.
Die Anklage bat ihrerseits um eine Frist bis zum 24. Juli, um auf einen Antrag Trumps zur Aufhebung des Schuldspruchs antworten zu können. Wenn Merchan dem zustimmt, würde sich die für den 11. Juli festgelegte Verkündung des Strafmaßes um mindestens zwei Wochen verzögern.
Geschworene im Schweigegeld-Prozess sprachen Trump schuldig
Der Grund dafür ist, dass Trump das Urteil gegen ihn nach einer wichtigen Entscheidung des Obersten Gerichtshofs vom Montag anfechtet. Das Urteil besagt, dass US-Präsidenten einen umfassenden Schutz vor Strafverfolgung für offizielle Handlungen im Amt genießen. Trumps Anwälte haben diesen Schritt erwartungsgemäß unternommen und er wird als wenig aussichtsreich angesehen, da der Fall in New York sich größtenteils um Handlungen dreht, die vor seiner Amtszeit stattfanden.
Die Geschworenen in New York haben vor kurzem den ehemaligen Präsidenten in 34 Anklagepunkten schuldig befunden. Der Prozess drehte sich um die illegale Verschleierung von Schweigegeld-Zahlungen an eine Pornodarstellerin. Es war das erste Mal in der Geschichte der Vereinigten Staaten, dass ein ehemaliger Präsident wegen einer Straftat verurteilt wurde. Trump könnte im schlimmsten Fall eine mehrjährige Haftstrafe drohen.
Biden sieht «gefährlichen Präzedenzfall»
Trumps Erfolg vor dem höchsten US-Gericht ist wegweisend: Der Supreme Court urteilte, dass er zwar keine vollständige Immunität für die Handlungen während seiner Zeit als Präsident genießt, aber der Schutz vor Strafverfolgung sehr weitgehend ist. US-Präsident Joe Biden sprach mit Blick auf die Entscheidung des Supreme Courts von einem «gefährlichen Präzedenzfall».
Die Richterinnen und Richter haben mit ihrer Entscheidung auch den Start des Wahlbetrugsprozesses gegen den 78-Jährigen in der US-Hauptstadt Washington weiter verzögert. Eine untere Instanz muss nun klären, für welche Handlungen Trumps Immunität gilt. Es ist sehr unwahrscheinlich, dass der Prozess in Washington noch vor der Präsidentenwahl im November beginnen wird.
Juristische Streitigkeiten dürften noch lange andauern
Der Fall in New York unterscheidet sich von dem Wahlbetrugsverfahren in Washington. In Manhattan ging es hauptsächlich um Trumps Handlungen als Präsidentschaftskandidat vor der Wahl 2016. Trump ist bereits in der Vergangenheit daran gescheitert, zu argumentieren, dass der Fall seine Präsidentschaft betrifft.
Trump’s lawyers could argue that the indictment in this case was also based on evidence from Trump’s time in the White House. The Supreme Court ruled that actions by US presidents are not only protected from prosecution. They also cannot be used as evidence in criminal proceedings. This issue is likely to arise at the latest in an appeal. Trump had already announced that he would challenge the verdict after the sentencing.
Biden: «Die einzigen Grenzen werden vom Präsidenten selbst gesetzt»
US-Präsident Biden kritisierte das Immunitätsurteil des Supreme Court und warnte vor schwerwiegenden Folgen. «Die heutige Entscheidung bedeutet mit ziemlicher Sicherheit, dass es praktisch keine Grenzen für das Handeln eines Präsidenten gibt», sagte der Demokrat bei einer kurzfristig anberaumten Ansprache im Weißen Haus. Jeder Präsident, einschließlich Trump, werde nun die Freiheit haben, das Gesetz zu ignorieren, warnte der 81-Jährige. Er will bei der Präsidentenwahl im November gegen Trump antreten.
Der Supreme Court habe mit seiner Entscheidung ein «grundlegend neues Prinzip» geschaffen: Die Macht des Präsidentenamtes werde künftig nicht mehr durch Gesetze eingeschränkt, auch nicht durch das Oberste Gericht, warnte Biden. «Die einzigen Grenzen werden vom Präsidenten selbst gesetzt.» Die Menschen in den USA hätten ein Recht darauf, vor den nahenden Präsidentenwahlen im November eine Antwort der Gerichte zur Rolle Trumps beim Sturm auf das Kapitol am 6. Januar 2021 zu erhalten. Diese Antwort werde es nach dem Urteil wohl aber nicht mehr geben.
Biden, der sich nach einem desaströsen Auftritt bei der TV-Debatte in der vergangenen Woche in einer kritischen Phase seines Wahlkampfs befindet, nutzte die Gelegenheit und rief die Menschen zum Wählen auf. Fragen zu seiner Kandidatur beantwortete er nicht.
Liberale Richterinnen äußern «Angst um unsere Demokratie»
Das Urteil des Supreme Courts war mit sechs zu drei Stimmen ausgefallen. Die drei als liberal geltenden Richterinnen hatten sich nicht der rechtskonservativen Mehrheit des Supreme Courts angeschlossen, die Trump durch Personalentscheidungen während seiner Zeit als Präsident zementiert hatte. In der von Richterin Sonia Sotomayor verfassten abweichenden Meinung äußerten die Juristinnen ihre «Angst um unsere Demokratie».
Sotomayor beschrieb mögliche Szenarien, in denen der Schutz des Präsidenten vor Strafverfolgung in Zukunft relevant sein könnte – wie zum Beispiel einen von ihm in Auftrag gegebenen Mordanschlag auf einen Rivalen, einen Militärputsch des abgewählten Präsidenten oder den Nachweis von Bestechlichkeit.
«Selbst, wenn diese Albtraumszenarien nie eintreten sollten, und ich bete, dass sie es nie tun, ist der Schaden bereits angerichtet», schrieb Sotomayor. «Bei jeder Ausübung seiner Amtsgewalt ist der Präsident jetzt ein König, der über dem Gesetz steht.» Die langfristigen Folgen der Entscheidung seien erheblich. Das Gericht schaffe damit «effektiv eine rechtsfreie Zone um den Präsidenten und rüttelt am Status quo, der seit der Gründung der Nation existiert».