Mit dem Hitze- und Dürresommer 2022 ist der Klimawandel auch hierzulande in aller Munde. Die Folgen werde immer klarer, die Warnungen drastischer. Nur: wird genug dagegen getan?
Von Klima-Hölle bis Klima-Kleber: 2022 an der Klimafront
Wie sehr hat Deutschland in diesem Sommer geschwitzt – und die Menschen in Großbritannien, Spanien, Portugal und vielen anderen Ländern auch. Bezogen auf die Durchschnittstemperatur war der Sommer 2022 in Europa der heißeste seit Beginn der Messungen vor mehr als 140 Jahren, wie der europäische Copernicus-Klimawandeldienst berichtete.
Die Wissenschaft hat unlängst gezeigt, dass der Klimawandel für die Häufung der Extreme verantwortlich ist. Klar ist auch, dass Regierungen längst nicht genug für eine radikale und nachhaltige Energiewende tun. Der Klimawandel 2022 in sechs Schlagworten:
Klima-Hölle
So drastisch beschrieb es UN-Generalsekretär António Guterres im November auf der Weltklimakonferenz in Ägypten: «Wir sind auf dem Highway zur Klimahölle – mit dem Fuß auf dem Gaspedal.» Nach Ansicht von Klimschützern etwa von Greenpeace beugte sich die Konferenzleitung der Öl-Lobby und brachte nur ein dürres Abschlussdokument mit vagen Versprechungen für einen neuen Fonds für Entwicklungsländer zustande, während das dringend nötige Ende von Öl- und Gasförderung nicht einmal erwähnt wurde.
Klima-Kleber
Seit dem Sommer machen Klimaaktivisten des Netzwerks «Letzte Generation» mit drastischen Aktionen Schlagzeilen: Sie beschütten Kunstwerke in Museen etwa mit Tomatensoße und kleben sich an die Rahmen. Sie kleben sich auch auf Straßen und auf Flughäfen-Gelände fest, in Berlin legte sie dabei einmal stundenlang den Betrieb lahm.
Manche halten die Alarmstimmung für gerechtfertigt, aber es gibt auch viel Kritik an den Aktionen. «Gewalt als Mittel der politischen Auseinandersetzungen hat in der Demokratie nichts verloren», sagte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP).
Klima und Wetter-Extreme: gab es zuhauf
In Deutschland und anderen Ländern Europas wurden unter anderem Rekord-Tiefstände in Flüssen und Rekord-Trockenheit gemessen, in Portugal und Großbritannien wurden Hitzerekorde aufgestellt. In Südasien gab es extreme Hitze mit fast 50 Grad in Indien im Frühjahr, gefolgt von verheerenden Überschwemmungen ab August, vor allem in Pakistan.
China erlebte die längste und schlimmste Hitze seit Beginn der Aufzeichnungen vor rund 60 Jahren, in der Sahelzone in Afrika ging die katastrophale Dürre weiter. Extreme Trockenheit gab es auch in Nordamerika, ebenso wie Rekordtiefstände in Flüssen und Seen. Auf der Südhalbkugel verwüsteten mehrere Zyklone Madagaskar.
Klima-Ziel 1,5 Grad
Schafft die Welt das Pariser Klimaziel von 2015, die Erderwärmung bis 2100 möglichst auf 1,5 Grad über dem vorindustriellen Niveau (1850-1900) zu begrenzen? Nach derzeitigen Trends nicht. Die bisherigen Klimaschutzpläne würden nach Schätzungen zu plus 2,5 Grad bis Ende des Jahrhunderts führen.
«Die Ambitionen zur Reduktion der Emissionen bis 2030 müssten siebenmal größer sein, um das Ziel von 1,5 Grad zu erreichen», so die Weltwetterorganisation (WMO). Die globale Durchschnittstemperatur ist schon gut 1,1 Grad höher als vor der Industrialisierung. Die Chance, dass der Rekord des heißesten Jahres – 2016 mit plus 1,3 Grad – bis 2026 eingestellt wird, liegt nach WMO-Angaben bei 93 Prozent.
Klima-Indikatoren
Die Hoffnung hat sich zerschlagen, dass der Rückgang der CO2-Emissionen um 5,4 Prozent infolge der Corona-Pandemie und den Wirtschaftseinbrüchen eine Trendwende war. Die Emissionen liegen nach vorläufigen Daten in den ersten Monaten 2022 schon wieder höher als im gleichen Zeitraum vor der Pandemie.
Die Treibhausgaskonzentration in der Atmosphäre erreicht Rekorde, ebenso der Wärme-Inhalt (OHC) der Ozeane, wie Klimaexperte Kevin Trenberth von der Universität Auckland sagt. «Außergewöhnlich warme Tiefengewässer im tropischen Westpazifik deuten das nächste El-Niño-Ereignis 2023 an, das möglicherweise zu weiteren globalen Temperaturrekorden im Jahr 2024 führen wird, wenn ein Teil der Meereswärme in die Atmosphäre zurückkehrt», warnt er.
Klima-Wissenschaft
Das recht junge Feld der Attributionsforschung hat sich 2022 rasant weiterentwickelt. Die Forschenden untersuchen anhand von Modellrechnungen, inwieweit der Klimawandel für ein Extremwetter-Ereignis verantwortlich ist. Sie vergleichen, ob solche Ereignisse auch ohne die globale Erwärmung passiert wären. Einige Ergebnisse vom Imperial College in London: Der Klimawandel hat die extreme Trockenheit in Deutschland und anderswo in diesem Jahr 20 mal wahrscheinlicher gemacht.
Die extremen Regenfälle in den pakistanischen Provinzen Sindh und Balochistan waren 75 Prozent intensiver als sie es ohne die globale Erwärmung gewesen wären. Der Klimawandel hat die starken Regenfälle in Westafrika, die von Juni bis Oktober verheerende Überschwemmungen verursachten, 80 mal wahrscheinlicher gemacht.