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Carpaccio – Ein Klassiker der italienischen Küche, erfunden in Venedig und immer noch beliebt weltweit.

Die Geschichte des Carpaccios und seine Verbindung zu Venedig, einer berühmten Bar und einem Renaissance-Maler.

Ein Teller Rindfleisch, ein Schüsselchen Eisbergsalat - sonst nichts.
Foto: Christoph Sator/dpa

Vittorio Carpaccio, Italiens Königin Margherita und John Montagu, der vierte Earl of Sandwich, wären längst vergessen, aber ihr Name lebt weiter in den Speisen, die nach ihnen benannt wurden.

Die Königin (1851-1926) hatte eine Vorliebe für Pizza, der Earl (1718-1792) für belegte Brote, aber für den Maler (1465-1525/26) war eine Vorspeise aus hauchdünn geschnittenen Scheiben rohen Rindfleischs das Richtige. Diesen Herbst wird Carpaccio 75 Jahre alt. Im Gegensatz zu Margherita und Sandwich hatte er zu Lebzeiten jedoch nichts mit dem Gericht zu tun, das nach ihm benannt wurde.

Das Originalrezept: Ohne Trüffel, Rucola oder Parmesan

Entwickelt wurde Carpaccio erst 1950 in «Harry’s Bar» in Venedig, einer der bekanntesten Bars der Welt, die damals noch von echter Prominenz wie Ernest Hemingway und Orson Welles besucht wurde. 

Giuseppe Cipriani, der Gründer der Bar, soll es für eine venezianische Stammkundin namens Gräfin Amalia Nani Mocenigo kreiert haben, der die Ärzte eine Diät ohne gegartes oder gebratenes Fleisch empfohlen hatten.

Das ursprüngliche Rezept ist sehr einfach: Man schneidet eiskaltes, aber nicht gefrorenes Rindfleisch aus der Lende in hauchdünne Scheiben, so dass man fast hindurchsehen kann. Dann wird es gesalzen, gepfeffert, erneut kalt gestellt und man wartet und wartet.

Es wird mit einer Mayonnaise aus Olivenöl, Eigelb, Weißweinessig, Senf, Zitronensaft und Worcestersoße serviert, die mit einem feinen Strich darüber getupft wird.

Auf die Idee, das Gericht «Carpaccio» zu nennen, kam Cipriani, weil in Venedig damals gerade eine Ausstellung über den einheimischen Künstler lief. 

In den Wimmelbildern, die der Maler im 16. und 17. Jahrhundert erstellte, fällt immer wieder ein kräftiges Rot auf, das fast als Blut- oder Fleischrot bezeichnet werden könnte.

Zwei Jahre zuvor hatte Cipriani bereits einen Cocktail nach einem Renaissance-Maler benannt: den Bellini, nach dem Venezianer Giovanni Bellini, heute ebenfalls ein Klassiker.

Carpaccio auch aus Fisch, Pilzen – und Ananas

Dies ist die Geschichte des Carpaccios, wie sie in Venedig und auch anderswo erzählt wird: Heutzutage ist das Gericht mit rohem Fleisch auf Speisekarten in vielen Ländern der Welt zu finden.

In Deutschland ist Carpaccio oft das Unterscheidungsmerkmal zwischen Pizzerien, die auch Pasta servieren, und hochwertigeren italienischen Restaurants. Es wird in der Regel als Vorspeise gegessen. Nicht nur mit Fleisch: Carpaccio gibt es mittlerweile auch mit Lachs, Thunfisch, Jakobsmuscheln, Trüffeln, Pilzen, Tomaten, sogar Erdbeeren und Ananas.

Es gibt jedoch einige Experten wie den Küchenhistoriker Alberto Grandi, die bezweifeln, ob Cipriani, der in der Vermarktung genauso geschickt war wie in der Küche und Bar, nicht ein wenig etwas erfunden hat.

So wird vermutet, dass die Gräfin weniger auf Empfehlung der Ärzte rohes Fleisch haben wollte, sondern eher, weil dies damals als Garant für eine gesunde Gesichtsfarbe galt, gegen «Blutarmut», wie das hieß.

Historiker: Erfindung nicht allein in Venedig

Es ist sicher, dass schon lange vor 1950 anderswo als in Venedig rohes Fleisch in dünnen Scheiben serviert wurde. Grandi, der mit seinem Buch «Mythos Nationalgericht» über Etikettenschwindel in Italiens Küche einen internationalen Bestseller landete, sagt der Deutschen Presse-Agentur: «Natürlich gab Cipriani dem Rezept seinen Namen. Aber die Erfindung ist nicht allein ihm zuzuschreiben.» Im Italienischen heißt es dazu: «Se non è vero, è ben trovato.» Auf Deutsch: Wenn es nicht wahr ist, dann ist es gut erfunden.

Im Piemont, weiter westlich und südlich, wird tatsächlich seit dem 19. Jahrhundert Carne crudo all’albanese gegessen, rohes Fleisch nach Art der Stadt Alba: Rindfleisch, fein geschnitten oder gehackt, angemacht mit Zitrone, Olivenöl, Salz und Pfeffer.

In Frankreich wird das Steak Tartare ähnlich lange bekannt, manchmal auch in feinen Scheiben. In Skandinavien gibt es neben rohem Lachs (gravlax) auch sehr dünn geschnittenes rohes Fleisch (gravet kött). In Japan wurde schon vor Jahrhunderten Basashi gegessen: rohes Pferdefleisch, nur millimeterdick.

Preis pro Portion: 60 Euro

Von solchem Wissen lassen sie sich aber in «Harry’s Bar» nicht abhalten, Carpaccio als ihren Klassiker zu feiern – und zwar nur in der Originalversion. Davon, Trüffel, Parmesan oder Rucola darüberzustreuen (oder gar alles zusammen), wollen sie nichts wissen. 

Es gibt nur ein Schüsselchen mit Eisbergsalat und fein geschnittenen Radieschen und Karotten, beträufelt mit Olivenöl. Der Preis für das Nicht-einmal-hundert-Gramm-Gericht beträgt mittlerweile 60 Euro.

Trotzdem gehört das Carpaccio in «Harry’s Bar» nach wie vor zu den meistbestellten Speisen. Den Namen kennen auch die vielen amerikanischen Touristen, die einen Großteil der Kundschaft ausmachen. 

Die Bezeichnung ist eigentlich nur die halbe Wahrheit: Carpaccio ist ein Künstlername. Eigentlich sollte das Gericht Scarpazo heißen. Der venezianische Maler stammte aus einer Einwandererfamilie aus Albanien und wurde als Vittorio Scarpazo getauft.

dpa