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Russische Führung unter Druck: Massenschlägerei in Militärbasis bei Moskau

Russland hat weiter Probleme bei der Mobilmachung und an der Front. Kiew freut sich – zankt aber auf einem Nebenkriegsschauplatz mit Elon Musk. Die News im Überblick.

Ukrainische Soldaten suchen in der kürzlich zurückeroberten Stadt Lyman nach den Leichen ihrer Kameraden.
Foto: Evgeniy Maloletka/AP/dpa

Während in Moskau die russische Staatsduma die Annexion der besetzten ukrainischen Gebiete Cherson, Donezk, Luhansk und Saporischschja ratifiziert hat und die Territorien mit neuen Gesetzten an sich binden will, gehen die Probleme an der Front für das russische Militär weiter. Sowohl im Nordosten als auch im Süden der Ukraine rückten die Kiewer Truppen weiter vor.

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj versuchte, die Menschen in den besetzten Gebieten zu beruhigen. Kiew werde die dortige Bevölkerung nicht als Kollaborateure behandeln, versicherte er. Die ukrainische Führung hält an ihrem Bestreben einer vollständigen Rückeroberung ihrer Gebiete fest und liefert sich dabei auch einen Schlagabtausch mit dem US-Milliardär Elon Musk.

Selenskyj wirbt um Vertrauen im besetzten Gebiet

Vor dem Hintergrund der ukrainischen Offensive warb Selenskyj um die Bevölkerung in den besetzten Gebieten. «Russische Propagandisten schüchtern die Menschen in den noch von den Besatzern kontrollierten Gebieten ein, dass die Ukraine angeblich fast jeden, der in den besetzten Gebieten bleibt, als Kollaborateure betrachten werde. Absolut wirres Zeug», sagte Selenskyj in seiner täglichen Videoansprache. Wer sich den Russen nicht angedient habe, habe nichts zu befürchten, sagte er.

Der 44-Jährige betonte, dass es nur vereinzelt Unterstützung für die russischen Okkupanten gegeben habe, obwohl sich «Hunderttausende» vorübergehend unter der Besatzungsmacht befunden hätten. Damit widersprach er dem russischen Narrativ, dass die Menschen in den vier besetzten ukrainischen Gebieten Cherson, Donezk, Luhansk und Saporischschja mehrheitlich nach Russland strebten. Mit dieser Begründung hatte Kremlchef Wladimir Putin nach der Abhaltung von Scheinreferenden die Gebiete annektiert.

Kiew widerspricht Musk

Gleichzeitig lieferte sich die ukrainische Führung eine Debatte mit Musk. Dieser hatte bei Twitter eine vermeintliche Lösung für das Ende des russisch-ukrainischen Krieges angeboten. Demnach solle in den vier vom Kreml annektierten Gebieten unter Aufsicht der Vereinten Nationen neu abgestimmt werden. Russland müsse die Gebiete verlassen, wenn es der Wille der Menschen sei. Die Ukraine werde neutral. Die 2014 von Russland annektierte Halbinsel Krim solle Moskau zugeschlagen werden. Das Szenario sei im Gegensatz zu einem Atomkrieg «sehr wahrscheinlich».

Als erstes reagierte der Berater des Präsidentenbüros, Mychajlo Podljak: «Es gibt einen besseren Vorschlag», schrieb er auf Twitter. Demnach werde die Ukraine ihr Territorium einschließlich der «annektierten Krim» komplett befreien. Russland werde danach komplett demilitarisiert, müsse seine Atomwaffen abgeben und «kann niemandem mehr drohen». Die russischen Kriegsverbrechen würden vor ein internationales Tribunal gebracht.

Später warfen auch Selenskyj und der ukrainische Außenminister Dmytro Kuleba Musk mehr oder weniger deutlich vor, Russland zu unterstützen.

Russische Führung unter Druck

Die Führung in Moskau hat derweil ihre eigenen Probleme. An der Front fehlt das Personal, was zu schmerzhaften Niederlagen in den letzten Wochen führte und die Teilmobilmachung ist nicht nur nach Einschätzung britischer Geheimdienste mit erheblichen Schwierigkeiten verbunden.

Mehrere Hunderttausend Russen flohen vor der Einberufung ins Ausland. Die Mobilmachung selbst offenbart Mängel in der Organisation. So sind von «einigen Tausend» Einberufenen aus der Region Chabarowsk im russischen Fernen Osten inzwischen die Hälfte zurückgekehrt. Sie waren demnach eingezogen worden, obwohl sie nicht den Kriterien entsprachen.

Massenschlägerei in Militärbasis bei Moskau

Vor diesem Hintergrund ist es auf einer Militärbasis bei Moskau Medienberichten zufolge zu einer Massenschlägerei zwischen den neu Einberufenen und längerdienenden Zeitsoldaten gekommen. «Die Neuen wurden dort nicht mit Brot und Salz empfangen – sondern im Gegenteil: Die dort dienenden Soldaten forderten von den Neuen deren Kleidung und Mobiltelefone», berichtete das Internetportal Baza. Der Konflikt eskalierte in eine Massenschlägerei – bei der die frisch Rekrutierten die Oberhand behielten.

Der Konflikt beleuchtet die Spannungen, die die von Putin vor knapp zwei Wochen angeordnete Teilmobilmachung hervorgerufen hat. Vielerorts verläuft die Mobilmachung Medienberichten zufolge chaotisch. So werden Männer etwa trotz Vorerkrankungen oder fehlender Qualifikation einberufen oder nach der Einberufung auf dem freien Feld ohne Ausbilder abgesetzt. Es soll vielerorts an Ausrüstung und Verpflegung fehlen. Nach Angaben des Anwalts Pawel Tschikow sind inzwischen sechs mobilisierte Männer noch während der Ausbildungsphase gestorben.

Erste Rekruten im Donbass eingetroffen

Derweil sind nach Angaben des russischen Militärs die ersten im Zuge der Teilmobilmachung in Russland einberufenen Rekruten in die besetzten ukrainischen Regionen Donezk und Luhansk verlegt worden. «Mobilisierte Soldaten durchlaufen ihre Kampfausbildung in der Donezker Volksrepublik», teilte das Verteidigungsministerium in Moskau auf seinem Telegram-Kanal mit.

Zuvor hatte das russische Militär schon die Ankunft von Reservisten im Gebiet Luhansk vermeldet. Offiziellen russischen Angaben nach sollen die Rekruten nicht sofort an die Front. Aus Kiew heißt es hingegen, dass die ersten Reservisten dort schon eingesetzt worden seien.

Was heute wichtig wird

Im Süden der Ukraine wollen die Kiewer Truppen ihren Vormarsch entlang des Flusses Dnipro fortsetzen, um auf die Stadt Cherson vorzustoßen. Im Nordosten des Landes rückt der noch unter russischer Kontrolle stehende Verkehrsknoten Swatowe in das Visier.

Derweil ist noch unklar, wann der Chef der Internationalen Atombehörde, Rafael Grossi, Kiew und Moskau seinen Besuch abstattet. Grossi hatte angekündigt, im Laufe der Woche beide Hauptstädte zu bereisen, um das Problem der Atomsicherheit – speziell die Risiken rund um das umkämpfte Atomkraftwerk Saporischschja – zu besprechen.

dpa