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Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage am Abend

Der Mord an der Kriegsunterstützerin Darja Dugina spitzt die Lage zwischen Moskau und Kiew weiter zu. Die Ukraine warnt vor Schauprozessen gegen Gefangene. Die Ereignisse im Überblick.

Ukrainische Soldaten sitzen in ihren Kojen in einem Dorf in der Region Donezk.
Foto: David Goldman/AP/dpa

Der Mordanschlag auf die russische Kriegsunterstützerin Darja Dugina ist für Moskau ein Akt ukrainischen Staatsterrors. «Das Verbrechen wurde von ukrainischen Geheimdiensten vorbereitet und begangen», teilte Russlands Inlandsgeheimdienst FSB am Montag der Agentur Interfax zufolge mit. Kiew hatte zuvor schon zurückgewiesen, mit der Ermordung der 29-Jährigen etwas zu tun zu haben. Präsident Wolodymyr Selenskyj warnte Moskau vor Schauprozessen gegen Kriegsgefangene. Bundeskanzler Olaf Scholz will bei einem Besuch in Kanada über weitere Unterstützung für die Ukraine beraten. Der russische Angriffskrieg dauert am Mittwoch genau ein halbes Jahr.

Schwere Vorwürfe nach Anschlag gegen Dugina

Der russische Inlandsgeheimdienst FSB machte für den Mord in der Nacht zum Sonntag eine 1979 geborene Ukrainerin verantwortlich und veröffentlichte dazu auch ein Video. Die Frau soll Ende Juli gemeinsam mit ihrer Tochter nach Russland eingereist sein und nach der Tat nach Estland geflohen sein. Dugina – Tochter des bekannten rechtsnationalistischen Ideologen Alexander Dugin – galt als glühende Verfechterin des russischen Angriffskriegs. Vertreter staatlicher russischer Medien lasteten das Attentat sogleich der Ukraine an, ohne dafür Beweise vorzulegen. Angeblich soll das Attentat eigentlich Dugin selbst gegolten haben.

Der FSB veröffentlichte ein Video, das die angebliche Mörderin Duginas zeigen soll. Mehrere aneinander geschnittene Aufnahmen in dem rund zwei Minuten langen Clip sollen zeigen, wie die Ukrainerin in Russland ankommt, das Haus ihres mutmaßlichen Opfers betritt und dann nach der Tat das Land wieder verlässt.

Wer steckt hinter dem Attentat?

Andere vermuten, dass der Anschlag das Werk russischer Sicherheitsbehörden sein könnte. Wieder andere verweisen auf eine Erklärung des Exil-Russen Ilja Ponomarjow, wonach eine bislang unbekannte russische Partisanenbewegung – bestehend aus Gegnern von Präsident Wladimir Putin – hinter dem Mord steckt. Es gibt aber Zweifel, ob diese «Nationale Republikanische Armee» überhaupt existiert. Russlands Präsident Wladimir Putin kondolierte der Familie. Er lobte Dugina als «glänzenden, talentierten Menschen mit einem echten russischen Herz, gut, liebevoll, hilfsbereit und offen».

Der Vater der Getöteten, Alexander Dugin, rief unterdessen die Russen auf, im Sinne seiner rechtsnationalistischen und imperialistischen Ideologie zu kämpfen. «Unsere Herzen dürstet es nicht einfach nach Rache oder Vergeltung. Das wäre zu klein, nicht russisch», ließ Dugin über seinen Vertrauten, den Oligarchen Konstantin Malofejew, auf Telegram ausrichten. «Wir brauchen nur unseren Sieg. Auf dessen Altar hat meine Tochter ihr mädchenhaftes Leben gelegt. Also siegt bitte!»

Selenksyj warnt vor Schauprozessen

Selenskyj sieht in möglichen Schauprozessen gegen ukrainische Kriegsgefangene ein großes Hindernis für spätere politische Lösungen. Wenn Russland solche Tribunale organisiere, seien keine Verhandlungen mehr möglich. «Russland schneidet sich selbst von den Verhandlungen ab.» Vor einem international nicht anerkannten Gericht könnten die Kriegsgefangenen auch zur Todesstrafe verurteilt werden. Die Besatzungsbehörden werfen ihnen Kriegsverbrechen vor.

Separatistenführer bereiten erste Stufe eines Tribunals vor

Unbeeindruckt von den Warnungen aus Kiew bereitet der Separatistenführer im Gebiet Donezk, Denis Puschilin, ein Tribunal in der eroberten Hafenstadt Mariupol vor. «Alle Verbrecher, Kriegsverbrecher, vor allem die Neonazis von «Asow», müssen ihre entsprechende Strafe bekommen. Solche Verbrechen gibt es ziemlich viele», sagte Puschilin im russischen Staatsfernsehen. Der Beginn des Prozesses hänge von Ermittlern ab. Puschilin sprach von 23 Verhaftungen.

Geheimdienst: Russische Hilfstruppen mit Motivationsproblemen

Russland kann nach britischer Einschätzung seine Hilfstruppen aus den moskautreuen Separatistengebieten immer schwerer für den Krieg motivieren. Das Verteidigungsministerium in London verwies auf ein Video von Mitte August, wonach sich Mitglieder einer Einheit der selbst ernannten «Volkrepublik Luhansk» weigerten, an Offensivoperationen teilzunehmen. Sie hätten mit der vollständigen Eroberung des Gebiets ihre Aufgabe erfüllt.

Kiew beklagt offiziell fast 9000 tote Soldaten

Nach fast einem halben Jahr Krieg bezifferte die Ukraine die Zahl der Todesopfer in den eigenen Reihen auf annähernd 9000. Der Oberkommandierende der Armee, Walerij Saluschnyj, machte keine Angaben zu Vermissten, Gefangenen und Verwundeten. Beobachter gehen mit Blick auf frühere Äußerungen aus Kiew von deutlich höheren Todeszahlen aus. Bei den russischen Streitkräften soll es nach ukrainischen Angaben schon mehr als 45.000 Tote geben. Überprüfbar ist das nicht. Moskau selbst macht schon lange keine Angaben mehr zu Verlusten in den eigenen Reihen.

Europaabgeordnete wollen weitere 6000 Russen auf Sanktionsliste sehen

Europaabgeordnete fordern eine drastische Ausweitung von EU-Einreiseverboten gegen Unterstützer des russischen Präsidenten und dessen Krieges gegen die Ukraine. Es müssten zumindest die mehr als 6000 Personen mit Strafmaßnahmen belegt werden, die auf einer Liste der Stiftung des inhaftierten Kremlgegners Alexej Nawalny stünden, heißt es in einem am Montag an den EU-Außenbeauftragten Josep Borrell verschickten Brief. Neben einem EU-Einreiseverbot sollten die Sanktionen auch das Einfrieren von Vermögen umfassen.

Scholz: Rechtzeitig Weichen für Wiederaufbau der Ukraine stellen

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) sieht Deutschland in Mitverantwortung für den Wiederaufbau der Ukraine. Das sei «eine wichtige Aufgabe, wo die Weltgemeinschaft rechtzeitig die richtigen Weichen stellen muss», sagte der SPD-Politiker am Montag bei einem Treffen mit Kanadas Premierminister Justin Trudeau in Montreal. Man müsse sich schon jetzt im Krieg mit dem Wiederaufbau des Landes beschäftigen. Deutschland und die EU wollten dies auf einer Wiederaufbaukonferenz vorantreiben.

dpa