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Ukraine-Krieg: Angriff auf Atomkraftwerk – Starke Explosion

Erneuter Raketenangriff auf ein Atomkraftwerk in der Ukraine. Provoziert Russland einen Nuklearen-Supergau? Die News im Überblick.

Ein ukrainischer Soldat steht an einem Kontrollpunkt nahe des kürzlich zurückeroberten Gebiets von Isjum.
Foto: Evgeniy Maloletka/AP/dpa

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat eine neue Offensive angekündigt. An einer Stelle im Osten des Landes bildete die ukrainische Armee nach eigenen Angaben bereits einen Brückenkopf, um weiter vordringen zu können. Selenskyjs Berater halten angesichts der derzeitigen militärischen Lage, aber auch wegen der Vielzahl an Kriegsverbrechen, die sie dem russischen Militär vorwerfen, Verhandlungen für sinnlos.

In Moskau übte derweil eine der bekanntesten Schlagersängerinnen des Landes überraschend harte Kritik am russischen Angriffskrieg. Die Pop-Diva Alla Pugatschowa, die erst kürzlich aus Israel nach Russland zurückgekehrt war, forderte das Justizministerium auf, sie zum «Auslandsagenten» zu stempeln, weil sie für den Frieden sei. Heute ist der 208. Tag des Kriegs in der Ukraine.

London: Russische Luftwaffe immer stärker unter Druck

Die russische Luftwaffe gerät im Krieg gegen die Ukraine nach britischer Einschätzung zunehmend unter Druck. In den vergangenen zehn Tage habe Russland offensichtlich vier Kampfjets verloren und damit insgesamt 55 Maschinen seit Beginn des Angriffs Ende Februar. Das teilte das Verteidigungsministerium in London am Montag unter Berufung auf Geheimdiensterkenntnisse mit.

Der Anstieg der Verluste sei womöglich teilweise darauf zurückzuführen, dass die russische Luftwaffe ein größeres Risiko eingehe, um Bodentruppen unter dem Druck ukrainischer Vorstöße aus nächster Nähe zu unterstützen, hieß es weiter. Hinzu komme das schlechte Situationsbewusstsein russischer Piloten. Einige Flugzeuge seien wegen der sich schnell bewegenden Front über ukrainisch kontrolliertem Gebiet in dichtere Luftverteidigungszonen geraten.

Selenskyj: Russische Rakete nahe AKW Südukraine eingeschlagen

In der Nähe des Atomkraftwerks (AKW) Juschnoukrajinsk in der Südukraine ist nach Angaben von Präsident Wolodymyr Selenskyj in Kiew eine russische Rakete eingeschlagen.

Er warf Russland am Montag die Gefährdung der ganzen Welt vor. «Wir müssen es stoppen, solange es nicht zu spät ist», schrieb er in den sozialen Netzwerken.

Das AKW Südukraine liegt knapp dreihundert Kilometer südlich der Hauptstadt Kiew. Im Betrieb befinden sich drei Reaktoren mit einer Nettoleistung von 2850 Megawatt.

Auch der staatliche ukrainische Atomkraftwerksbetreiber Enerhoatom berichtete von einem Raketenangriff auf das Industriegelände und einer „starken Explosion“ beim AKW. Dabei seien drei Hochspannungsleitungen und eine Anlage des nahen Wasserkraftwerks beschädigt worden.

Selenskyj spricht von bevorstehender neuer Offensive

Selenskyj kündigte neue Angriffe auf das von russischen Truppen besetzte Gebiet in der Ukraine an. «Vielleicht erscheint es irgendjemandem unter Ihnen so, dass nach einer Reihe von Siegen Stille eingetreten ist, doch das ist keine Stille», sagte Selenskyj in seiner täglichen Videoansprache. Vielmehr sei es die Vorbereitung auf die nächste Offensive, deren Ziel die Rückeroberung von Mariupol, Melitopol und Cherson sei.

Nach Angaben Selenskyjs wird sich die Ukraine dabei nicht nur auf die Gebiete konzentrieren, die es vor dem russischen Überfall im Februar kontrollierte. Auch die Territorien der von Moskau unterstützten Separatisten im Osten des Landes und Städte auf der seit 2014 von Russland annektierten Krim würden zurückerobert, kündigte der 44-Jährige an. «Denn die gesamte Ukraine muss frei sein.»

Russland hat nach seinem Einmarsch in der Ukraine am 24. Februar große Gebiete im Süden und Osten des Landes erobert. Derzeit hält Moskau immer noch rund 125.000 Quadratkilometer besetzt – das ist etwa ein Fünftel des ukrainischen Staatsgebietes inklusive der Halbinsel Krim.

Kiew lehnt Verhandlungen als sinnlos ab

Kiew schloss Verhandlungen und ein Treffen von Russlands Präsidenten Wladimir Putin und Selenskyj zum jetzigen Zeitpunkt aus. «Kurz gesagt, der Verhandlungsprozess an sich und ein persönliches Treffen der Präsidenten ergeben derzeit keinen Sinn», sagte der externe Berater des ukrainischen Präsidentenbürochefs, Mychajlo Podoljak, ukrainischen Medien zufolge.

Podoljak nannte drei Gründe, warum Gespräche in dieser Phase zwecklos seien. Erstens werde Russland dabei versuchen, Geländegewinne festzuhalten und zu legitimieren. Zweitens diene das Festhalten des Status quo Russland nur als Atempause, um dann die Angriffe auf der neuen Linie fortsetzen zu können. Und drittens müsse Russland für die auf ukrainischem Terrain begangenen Verbrechen zur Rechenschaft gezogen werden. Verhandlungen seien also erst möglich, wenn sich die russischen Truppen von ukrainischem Gebiet zurückgezogen hätten. Dann könne über die Höhe der Reparationszahlungen und die Herausgabe von Kriegsverbrechern verhandelt werden, sagte Podoljak. Russland und die Ukraine hatten kurz nach dem russischen Einmarsch über eine Friedenslösung verhandelt, waren jedoch nicht zu einer endgültigen Einigung gelangt.

Brückenkopf für mögliche Fortsetzung der Offensive

Kiew bezieht sein Selbstbewusstsein aus der jüngsten eigenen Offensive im Norden des Landes. Dabei wurde der Großteil des Gebietes Charkiw befreit. Die russischen Truppen bauten die neue Front am Ostufer des Flusses Oskil auf, doch auch diese Linie scheint zu wackeln. Das ukrainische Militär konnte nach eigenen Angaben an dem Fluss Truppenteile übersetzen und damit einen Brückenkopf gen Osten bilden.

«Die ukrainischen Streitkräfte haben den Oskil überwunden. Seit gestern kontrolliert die Ukraine auch das linke Ufer», teilte die Pressestelle der ukrainischen Streitkräfte per Video auf ihrem Telegram-Kanal mit. Zuvor gab es Berichte, dass Kiew sich die Kontrolle über den Ostteil der Stadt Kupjansk gesichert habe. Unabhängig können die Angaben nicht überprüft werden.

Bei ihrer Gegenoffensive Anfang September waren die ukrainischen Kräfte im Gebiet Charkiw bis an den Oskil vorgestoßen. Dahinter bauten die russischen Truppen nach ihrem Rückzug eine neue Frontlinie auf und wehrten mehrere Versuche der Ukrainer ab, den Fluss zu überqueren. Die Bildung eines Brückenkopfs auf der Ostseite des Oskil wäre ein strategisch wichtiger Erfolg für die ukrainischen Truppen. Damit könnten sie ihren Angriff Richtung Gebiet Luhansk fortsetzen. Über den genauen Ort der Flussquerung machte das Militär keine Angaben.

Kritik am Krieg in Moskau

Die bekannte russische Popsängerin Pugatschowa kritisierte Russlands Angriffskrieg gegen die Ukraine. Da das Justizministerium ihren Ehemann Maxim Galkin als «Auslandsagent» auf eine Schwarze Liste gesetzt habe, bitte sie darum, ebenfalls zu den Auslandsagenten gezählt zu werden, schrieb die 73-Jährige auf ihrem Instagram-Account. Seit den 70er Jahren prägte Pugatschowa die Rock- und Popmusik in Russland. Nach Beginn des Kriegs gegen die Ukraine reiste das Paar nach Israel aus.

Im Gegensatz zu Galkin, der Kritik an der russischen Führung übte, hat sich Pugatschowa mit politischen Äußerungen bislang zurückgehalten. Umso größer ist das Echo, das nun auf ihre harte Kriegskritik folgen könnte. Der Politologe Abbas Galljamow, einst Redenschreiber von Präsident Putin, sprach von einer «kräftigen Ohrfeige» für den Kreml.

Das wird heute wichtig

Im ostukrainischen Gebiet Charkiw wollen die Ermittler weitere Beweise für russische Kriegsverbrechen sammeln. In Isjum, wo zuletzt 440 Gräber gefunden wurden, soll die Exhumierung der Leichen weiter gehen. Einige der Opfer weisen nach ukrainischen Angaben Folterspuren auf.

An der Grenze zu Polen und dem Baltikum geht es derweil für russische Staatsbürger mit Schengen-Visum ab heute nicht mehr weiter. Die vier Staaten haben beschlossen, Russen trotz gültiger Visa für touristische Aufenthalte, Geschäftsreisen, Sport- und Kulturveranstaltungen die Einreise zu verwehren. Die Maßnahme soll den Druck auf Moskau erhöhen, ist aber selbst innerhalb der EU nicht unumstritten.

dpa