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Adria mit Algenschleim

Auf Italienisch klingt das gut: Mucillagine. Aber der glibbrige Schaum kann einem das Bad im Meer arg vermiesen. Die Hoteliers in Rimini&Co. hoffen, dass die Plage bald vorbei ist. Und nicht nur sie.

Das Phänomen Algenschleim ist schon lange bekannt. Vermutlich begünstigen heiße Sommer ein verstärktes Algenwachstum in der Adria.
Foto: Roberto Danovaro/dpa

Die Adria, das Stück Mittelmeer zwischen Italien und dem ehemaligen Jugoslawien sowie Albanien, gilt insgesamt als eher friedliches Meer. Kein Vergleich zum Atlantik oder Pazifik, die sehr stürmisch sein können. Im Moment erfordert es jedoch an einigen Stellen der Adria einige Überwindung, ins Wasser zu gehen. Dies liegt weniger an den Wellen, sondern vielmehr an: Algenschleim.

An verschiedenen Stränden in Italien, aber auch in Kroatien oder Slowenien, treibt in diesem Jahr ein glitschig-glibbriger Schaum an der Oberfläche, mal mehr, mal weniger dick, durchsetzt mit kleinen Bläschen. Manchmal sind es nur kleinere Flecken mit viel Platz dazwischen, manchmal aber auch ein dichter Teppich. Die Farbe variiert von Weiß über Gelb bis ins Bräunliche. Wer es freundlich meint, sagt kaffeebraun. Nach einhelliger Einschätzung der Wissenschaft gefährdet der Schleim die Gesundheit nicht. Giftig ist er schon gar nicht.

Nach dem Bad im Meer ein- oder zweimal unter die Dusche

Den Anfang nahm die Plage vor ein paar Wochen im Norden, im Golf von Triest. Inzwischen sind weitere Städte betroffen, Ravenna zum Beispiel, die Urlauberhochburg Rimini oder Ancona, noch weiter unten im Süden. Am dortigen Stadtstrand ergab eine Umfrage von Italiens öffentlich-rechtlichem Fernsehsender Rai nahezu unisono: Man kann durchaus ins Wasser, muss aber anschließend unbedingt unter die Dusche. «Klebrig», meint einer der Einheimischen. Andere klagen darüber, dass es ziemlich kribbelt auf der Haut.

Mit Algenschleim – oder auch «Meeresrotz», wie manche sagen – haben die Leute hier Erfahrung. Ende der 1980er, Anfang der 1990er war es schon einmal schlimm. Mehrere Jahre hintereinander verdarb die Mucillagine, wie das auf Italienisch heißt, damals das Sommergeschäft. Auch 2006/07 war der Ekelfaktor recht hoch. Bislang war dann nach einigen Tagen oder Wochen aber stets alles wieder vorbei. Jetzt, in der Hauptsaison, sind die Sorgen natürlich besonders groß. Wer mit Urlaubern sein Geld verdient, will am liebsten gar nicht über Algenschleim sprechen. 

«Schmutziges Meer» schon vor Jahrhunderten

Aber eigentlich ist das Phänomen viel älter als der Massentourismus. Einer der Ersten, dem es nachweislich auffiel, war der Zisterziensermönch Paolo Boccone. Der passionierte Botaniker notierte an den Stränden vor Venedig in der Adria schon 1697 «Reste von verflochtenen und verwobenen Fasern, bedeckt mit Schleim». In der Fachliteratur gibt es dafür schon seit anderthalb Jahrhunderten auch den Begriff «mare sporco» («schmutziges Meer»). Auf alten Fotos aus der Anfangszeit des Tourismus sind Männer in Badeanzügen und Frauen mit Hut und Schirm zu sehen, die sich ob des Gestanks am Strand die Nase zuhalten. 

In all der Zeit hat aber noch niemand eine alle überzeugende Erklärung gefunden, warum es in der Adria – woanders übrigens nicht – manchmal solchen Schleim gibt und sie dann wieder längere Zeit verschont wird. Vermutet wird, dass besonders heiße Sommer mit folglich hohen Wassertemperaturen in dem verhältnismäßig kleinen Meer das Wachstum begünstigen – der Klimawandel also? Der Meeresbiologe Roberto Danovaro von der Universität Ancona sagte der Tageszeitung «La Repubblica»: «Die Adria ist ein tropisches Meer geworden. Wir sind jetzt auf dem Niveau der Malediven, nur ohne die tropische Farbe.» 

Tropische Temperaturen lassen Algen blühen

Vor ein paar Tagen wurden tatsächlich 30 Grad Wassertemperatur gemessen – Badewanne nahezu. Dann vermehren sich manche Algenarten besonders gut. Es wird auch vermutet, dass der viele Regen dieses Frühjahr ungewöhnlich viel Wasser ins Meer gespült hat, was zur Algenblüte beiträgt. Sicher ist, dass Italiens längster Fluss, der Po, enorme Mengen Düngemittel, Pestizide und Fäkalien aus der Landwirtschaft in die Adria spült. «Wenn alle diese Faktoren zusammenkommen, können aus einigen Hundert Algen innerhalb weniger Tage Hunderte Millionen werden, sagt Danovaro.

Neben dem Tourismus leidet auch die Fischerei unter den Auswirkungen des Schleims. Einige kleinere Boote können aufgrund der Verschmutzung nicht mehr aufs offene Meer fahren, da die Schiffsschrauben blockiert sind. Falls es dennoch möglich ist, müssen mechanische Teile mühsam vom Schleim gereinigt werden. Zudem kommt es regelmäßig zu Schäden an den Netzen. Aus diesem Grund hat der Branchenverband Fedagripesca diese Woche Hilfe vom Staat und die Einsetzung einer Expertenkommission gefordert.

Positiver Ausblick

Trotz aller Beschwerden ist Meeresbiologe Danovaro optimistisch: Insgesamt sei die Adria heute weniger verschmutzt als vor 40 Jahren, sagt er. Auch haben die Forscher festgestellt, dass der Algenschleim derzeit an vielen Stellen quasi schmilzt und sich in weiße Flocken auflöst – ein Zeichen, dass Bakterien im Meer dabei sind, ihn zu zersetzen. Möglicherweise sogar noch, bevor die große Menge der Urlauber kommt.

dpa