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Bahn-Sabotage: Angriff auf kritische Infrastruktur

Die Bahn steht heute in weiten Teilen Deutschlands still. Nach Stunden wird klar: Ein Sabotage-Akt hat die Infrastruktur des Unternehmens empfindlich getroffen. Wie verwundbar ist der Schienenverkehr?

Durch den massiven Zugausfall bildeten sich vor den DB-Reisezentren lange Schlangen.
Foto: Paul Zinken/dpa

Unter der Überschrift «Aktuelle Verkehrsmeldungen» informiert die Deutsche Bahn stets über Verspätungen und Zugausfälle.

Was dort allerdings am Samstagmorgen auf der Internetseite steht, kommt für viele Reisende einer Hiobsbotschaft gleich: Fast der gesamte Bahnverkehr im Norden des Landes steht still.

Sabotage als Ausfall-Grund

Schuld, das wird im Laufe des Tages klar, sind nicht etwa ein technischer Defekt oder ein heftiger Sturm. Nein, der Grund ist Sabotage. Die Bahn wurde Opfer eines gezielten Angriffs. Das machten erst das Unternehmen selbst und wenig später auch Bundesverkehrsminister Volker Wissing öffentlich. «Es wurden Kabel mutwillig und vorsätzlich durchtrennt, die für den Zugverkehr unverzichtbar sind», so der FDP-Politiker. Ohne sie ging nichts mehr.

Da stellen sich vor allem zwei zentrale Fragen: Wer war das? Und wie verwundbar ist die kritische Infrastruktur hierzulande? Zu dieser zählen nach einer Definition der Bundesregierung alle «Organisationen oder Einrichtungen mit wichtiger Bedeutung für das staatliche Gemeinwesen, bei deren Ausfall oder Beeinträchtigung nachhaltig wirkende Versorgungsengpässe, erhebliche Störungen der öffentlichen Sicherheit oder andere dramatische Folgen eintreten würden» – neben Energieversorgern und Gesundheitswesen eben auch die Bahn.

Beim Schutz dieser Systeme gebe es «erhebliche Probleme», auf die seit langem hingewiesen werde, sagt der Grünen-Politiker Konstantin von Notz, der Vorsitzende des Parlamentarische Kontrollgremiums für die Geheimdienste im Bundestag. «Zum Teil liegt das daran, dass Zuständigkeiten unklar sind.» Seine Partei wolle das mit einem neuen Dachgesetz besser regeln.

Grünen-Chef will Gesetzentwurf zum Schutz von Infrastruktur

Omid Nouripour fordert nun rasche Verbesserungen beim Schutz der kritischen Infrastruktur. «Der heutige Anschlag auf die Kabelverbindungen der Bahn hat Chaos auf den Bahnhöfen, Verzögerungen in den Lieferketten und massive Verunsicherung in der Bevölkerung ausgelöst», sagte Nouripour am Samstag der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. Die kritischen Infrastrukturen und damit wir alle seien angreifbar und verletzlich.

«Der Vorfall zeigt deutlich, dass wir drei Dinge tun müssen», sagte Nouripour. Erstens müsse erheblich in den Schutz kritischer Infrastruktur investiert werden, zu der unter anderem Energieversorgung, Telekommunikation oder Verkehr gehörten. Er verwies auf die Vereinbarung im Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP für ein «Dachgesetz», das den Schutz dieser Strukturen regeln soll.

«Nancy Faeser und ihr Innenministerium müssen hier schnellstens einen Gesetzentwurf vorlegen», verlangte Nouripour von der SPD-Politikerin. «Zweitens müssen wir den Zivil- und Katastrophenschutz besser ausstatten, um gut auf Gefahren vorbereitet zu sein. Drittens müssen Polizei und Nachrichtendienste verstärkt den Schutz besonders gefährdeter Anlagen in den Blick nehmen.» Es brauche dringend eine gemeinsame Kraftanstrengung und massive Investitionen in die Sicherheit.

Schutz des Schienennetzes nicht möglich

Apropos kritische Infrastruktur: Nicht einmal zwei Wochen ist es her, dass insgesamt vier Unterwasser-Lecks an den Pipelines Nord Stream 1 und 2 in der Ostsee festgestellt wurden. Große Mengen Gas traten aus, EU und Nato gehen von Sabotage aus, der Kreml erklärte, dass er einen staatlichen Akteur dahinter vermute.

«Die Problematik hat sich mit dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine verschärft», sagt von Notz, wenngleich er darauf verweist, dass die Hintergründe der Bahn-Sabotage noch völlig unklar seien und schnellstmöglich aufgeklärt werden müssten. «Unabhängig von den Ergebnissen muss der Schutz der kritischen Infrastruktur auch vor Cyberbedrohungen deutlich ausgebaut werden, was auch ausreichende finanzielle Mittel erfordert.»

Das Schienenetz «dauerhaft flächendeckend zu schützen ist nicht möglich», hatte erst vor wenigen Tagen eine Sprecherin der Bahn der Wochenzeitung «Die Zeit» gesagt. Anschläge auf die Bahn gab es – in anderer Dimension – in der Vergangenheit immer mal wieder. Häufig geriet dabei die linksextreme Szene in Verdacht.

Drahtzieher hinter Sabotage noch unbekannt

Zur Frage der Täter im aktuellen Fall ist bislang jedoch kaum etwas bekannt. «Wir haben einen Tatort in Berlin-Hohenschönhausen», sagte ein Sprecher der Bundespolizeidirektion Berlin. «Ein weiterer befindet sich in Nordrhein-Westfalen.» Aus Sicherheitskreisen hieß es, es seien am Karower Kreuz in Berlin und in Herne in NRW vorsätzlich so genannte Lichtwellenleiterkabel beschädigt worden. Auch das Backup-System sei damit ausgefallen.

Die Ermittlungen würden mit Hochdruck in alle Richtungen geführt, erklärte die Bundespolizei. «Aktuell ist von einer zielgerichteten Fremdeinwirkung von außen auf Kabel der Deutschen Bahn auszugehen», sagte der Sprecher. Zu weiteren Details könne er auch aus ermittlungstaktischen Gründen keine Auskunft geben.

Für Aufsehen hatte unter anderem ein Fall aus dem Jahr 2020 gesorgt. Ein Mann hatte damals an der ICE-Strecke Frankfurt-Köln über 250 Schrauben der Schienenbefestigung gelöst. Hätte dies niemand bemerkt, wäre ein Zug entgleist. Zu Schaden kam letztlich dank aufmerksamer ICE-Lokführer niemand; der Täter wurde im März 2021 vom Wiesbadener Landgericht unter anderem wegen versuchten Mordes zu einer Haftstrafe von neun Jahren und zehn Monaten verurteilt.

dpa