Indonesien baut gerade eine neue Hauptstadt auf Borneo, die langsam Form annimmt. Nusantara soll eine futuristische Smart City werden – samt fliegender Taxis. Jetzt gab es erste Tests.
Fliegende Taxis: Indonesiens neue Hauptstadt hebt ab
Indonesien strebt mit seiner neuen Hauptstadt Nusantara hoch hinaus – und das wortwörtlich. Was fast überall auf der Welt noch wie eine Utopie aus einem Science-Fiction-Film erscheint, wird auf Borneo gerade Realität: Fliegende Autos sollen dort die Lüfte erobern und das Transportsystem revolutionieren. Ein erster unbemannter Testflug am Flughafen von Samarinda auf der Insel Borneo, etwa 100 Kilometer von Nusantara entfernt, endete jedenfalls erfolgreich.
Der Prototyp schwebte zehn Minuten lang in einer Höhe von 50 Metern durch die Lüfte und war dabei mit etwa 50 Kilometern pro Stunde unterwegs. Die fliegenden Taxis sind mit Elektroantrieb und mehreren Rotoren ausgestattet und können senkrecht starten und landen. Lange Start- und Landebahnen seien somit nicht nötig, sagten mit dem Projekt vertraute Beamte. Auch sind demnach die ultramodernen Fluggeräte leiser als Hubschrauber und verringern so die Lärmbelästigung in städtischen Gebieten.
Fliegen ohne Piloten
In Zukunft sollen zwei Modelle die Lüfte von Nusantara beherrschen: Größere Taxis, die neben einem Piloten bis zu vier Passagiere und ihr Gepäck transportieren können, sowie kleinere Cargo-Flieger für bis zu 100 Kilo Frachtgüter. Beide Modelle sind in der Lage, autonom ohne Piloten zu fliegen.
Entwickelt wurden die Prototypen von der südkoreanischen Hyundai Motor Group (HMG) zusammen mit dem Korea Aerospace Research Institute. «Indonesiens einzigartige Geografie und schnelle Urbanisierung machen das Land zu einem idealen Testgelände für urbane Luftmobilitätslösungen», sagte Cheol-ung Kim, ein leitender HMG-Mitarbeiter. Das Unternehmen arbeite eng mit der indonesischen Regierung und Industrie zusammen, um die Vision Wirklichkeit werden zu lassen.
Hauptstadt als grüne Smart City
Derzeit steckt die Technologie zwar noch in den Anfängen, aber die indonesische Regierung ist zuversichtlich, dass sie das zukünftige Verkehrswesen in dem südostasiatischen Inselstaat grundlegend verändern wird. Nusantara in der Provinz Ost-Kalimantan wird als nachhaltige Smart City entwickelt – und die fliegenden Taxis sind ein wesentlicher Bestandteil dieses Konzepts.
«Nusantara ist als lebendiges Labor für Innovationen konzipiert, und dieser erfolgreiche Testflug ist ein Beweis dafür, dass wir uns dabei ultramodernen Technologien wie urbaner Luftmobilität verpflichtet haben», sagte Muhammad Ali Berawi, der bei der Hauptstadtbehörde von Nusantara für grüne und digitale Transformation mitverantwortlich ist. Der Testflug sei ein «bedeutender Meilenstein» gewesen.
An dem Tag, an dem der noch amtierende Präsident Joko Widodo erstmals nicht in Jakarta, sondern in einem Büro im neuen Präsidentenpalast von Nusantara arbeitete, fand die Veranstaltung statt. Vor Kurzem hatte der beliebte Politiker erklärt, dass die erste Bauphase bereits zu 80 Prozent abgeschlossen sei.
Natur wird mit High-Tech gepaart
Jokowi, wie der Regierungschef in seiner Heimat genannt wird, hatte den Umzug nach Nusantara 2019 angekündigt. Der Grund dafür ist hauptsächlich, dass die bisherige Hauptstadt Jakarta auf Java langsam absinkt und bereits große Teile der Stadt unter dem Meeresspiegel liegen. Bis 2050 könnte das gesamte Gebiet von Nord-Jakarta überflutet sein. Zusätzlich gibt es Verkehrschaos und Smog in der Mega-Metropole mit elf Millionen Einwohnern (und sogar fast 34 Millionen in der Metropolregion).
Die Arbeiten begannen im Jahr 2022. Nusantara ist als urbanes Utopia geplant, in dem sich Grünflächen und Natur mit Hightech paaren. So sollen ausschließlich Elektro-Fahrzeuge erlaubt sein, und die gesamte Energie soll aus erneuerbaren Quellen gewonnen werden.
Die neue Hauptstadt ist das Vermächtnis Jokowis, der die Geschicke der aufstrebenden Regionalmacht seit 2014 lenkt. Nach zwei Amtszeiten muss er im Oktober abtreten und wird vom derzeitigen Verteidigungsminister Prabowo Subianto abgelöst, der die Wahl im Februar gewonnen hatte.
Bis zum Jahr 2045 sollen ungefähr 1,9 Millionen Einwohner auf einer Fläche von 260.000 Hektar in Nusantara leben. (Berlin vergleichsweise: 89.100 Hektar). Dann könnten fliegende Taxis bereits zum Alltagsbild gehören.
Einweihung am Unabhängigkeitstag
Jokowi lobte nach seinem ersten Arbeitstag im neuen Büro die gute Funktionsfähigkeit der Wasser- und Stromversorgung sowie der Internetverbindungen. „Tausende Arbeiter sind derweil unermüdlich damit beschäftigt, die notwendige Infrastruktur aus dem Boden zu stampfen, darunter Krankenhäuser, den Flughafen, Wohnungen für Beamte und Schulen“, so der Präsident.
Am Unabhängigkeitstag am 17. August sollen erstmals Feierlichkeiten nicht nur in Jakarta, sondern auch in Nusantara stattfinden. An diesem Tag soll die neue Hauptstadt offiziell eingeweiht werden, was ein neues Kapitel in der Geschichte des größten Inselstaates der Welt einläutet.
Es gibt jedoch auch Kritiker. Laut Berichten wurde vielen Bewohnern von Borneo ihr Land weggenommen, ohne dass sie angemessen entschädigt wurden. Umweltschützer warnen auch vor den Auswirkungen der massiven Migration auf die einzigartige Flora und Fauna in den Wäldern von Ost-Kalimantan, wo einige der letzten Orang-Utans leben.