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UN warnt vor beschleunigter Erderwärmung

Die Vereinten Nationen mahnen zu drastischen Maßnahmen angesichts von Rekordtemperaturen und Klimawandel. Es ist höchste Zeit zu handeln.

Die Klimakrise verschärft sich.
Foto: Anupam Nath/AP/dpa

In Anbetracht von drei Klimaberichten mit alarmierenden Daten über eine beschleunigte Erderwärmung fordern die Vereinten Nationen nachdrücklich drastische Maßnahmen. «Wir spielen mit unserem Planeten russisches Roulette», sagte UN-Generalsekretär António Guterres am Mittwoch laut Redetext in einer großen Klima-Rede in New York. «Wir brauchen eine Ausfahrt vom Highway zur Klimahölle.»

Der Mai war der zwölfte Monat in Folge, in dem die globale Durchschnittstemperatur einen Rekordwert für den jeweiligen Monat erreichte, wie der EU-Klimawandeldienst Copernicus mitteilte. Die menschengemachte Erderwärmung habe zuletzt so schnell zugenommen wie nie seit dem Start der instrumentellen Aufzeichnungen, heißt es im Bericht «Indicators of Global Climate Change» (IGCC) vom Mittwoch. Und die WMO prognostizierte, dass die Jahresmittelwerte in den anstehenden Jahren wohl mindestens einmal über der 1,5-Grad-Schwelle liegen werden.

Guterres fordert Boykott der Industrie für fossile Brennstoffe 

Guterres rief angesichts der Berichte zu einem Finanzierungs- und Werbeboykott der Industrie auf, die Profite mit fossilen Brennstoffen wie Gas, Öl und Kohle macht. Regierungen sollten Werbung der Branche verbieten, ähnlich wie Tabakwerbung. Finanzinstitute sollten stattdessen in erneuerbare Energien investieren. Er nannte die Unternehmen der Branche «Paten des Klimachaos». Sie hätten jahrzehntelang Fortschritte in Richtung klimafreundliche Energie blockiert. «Milliarden von Dollar wurden dafür aufgewendet, die Wahrheit zu verdrehen, die Öffentlichkeit zu täuschen und Zweifel zu säen», sagte er. 

Solche Unternehmen haben gleichzeitig mit Milliarden an Subventionen aus Steuergeldern Rekordgewinne erzielt. Es ist dringend erforderlich, diese Gewinne mit einer Sondersteuer zu belegen, um Klimaschutzprojekte zu finanzieren.

Guterres schlug auch vor, Abgaben auf Schifffahrt, Luftverkehr und die Brennstoffindustrie einzuführen, um zusätzliches Geld für die Umstellung auf nachhaltige Energie in ärmeren Ländern zu generieren. Die führenden Industrie- und Schwellenländer (G20), die für 80 Prozent der weltweiten klimaschädlichen Emissionen verantwortlich sind, sollten mehr tun und ärmeren Ländern sowohl Technologien als auch finanzielle Unterstützung bereitstellen.

Klimabericht 1: Erderwärmung beschleunigt sich 

Allein im vergangenen Jahrzehnt (2014 bis 2023) stieg die Temperatur durch Aktivitäten des Menschen dem IGCC-Report zufolge um rund 0,26 Grad. Das sei ein Rekord bei der Aufzeichnung mit Messgeräten, die bis ins 19. Jahrhundert zurückreiche, berichtet die Gruppe um Piers Forster von der Universität Leeds im Journal «Earth System Science Data». Ein Jahrzehnt zuvor (2004 bis 2013) waren es nach Angaben der Universität rund 0,20 Grad.

Laut dem Bericht darf der Mensch grob geschätzt noch 200 Milliarden Tonnen CO2 ausstoßen, um die Erderwärmung langfristig auf 1,5 Grad zu begrenzen. Dies entspricht ungefähr den aktuellen Emissionen von fünf Jahren. Die Bandbreite liegt jedoch laut der Universität Leeds hoch und reicht von 100 bis 450 Milliarden Tonnen.

Klimabericht 2: Jeden Monat neuer Rekord 

Der EU-Klimawandeldienst Copernicus gab bekannt, dass mit dem Mai jeder der letzten zwölf Monate einen Rekordwert für die globale Durchschnittstemperatur erreicht hat. Im Vergleich zur vorindustriellen Referenzperiode von 1850 bis 1900 war der Mai 1,52 Grad wärmer. Die durchschnittliche globale Temperatur der letzten zwölf Monate – von Juni 2023 bis Mai 2024 – erreichte ebenfalls einen Höchstwert: Sie lag 1,63 Grad über dem vorindustriellen Niveau, also für einen Zeitraum von einem Jahr über der 1,5-Grad-Schwelle.

Die Erkenntnisse von Copernicus basieren auf computergenerierten Analysen, die Milliarden von Messungen von Satelliten, Schiffen, Flugzeugen und Wetterstationen weltweit einschließen. Laut einer Sprecherin reichen die Daten bis in die 1940er Jahre zurück. Durch den Vergleich mit älteren Datensätzen kann noch weiter zurückgerechnet werden.

Klimabericht 3: 1,5-Grad-Schwelle wird überschritten

Die Weltwetterorganisation geht davon aus, dass die 1,5-Grad-Schwelle der Erderwärmung in den nächsten fünf Jahren mindestens einmal überschritten wird. Im Zeitraum von Januar bis Dezember hatte der Wert bereits im Januar (Februar 2023 bis Januar 2024) erstmals über zwölf Monate hinweg im Durchschnitt mehr als 1,5 Grad im Vergleich zum vorindustriellen Zeitalter gelegen.

Bislang war das Jahr 2023 von Januar bis Dezember das wärmste seit Beginn der Industrialisierung, mit einer globalen Durchschnittstemperatur, die laut Daten der Weltwetterorganisation (WMO) um 1,45 Grad über dem Durchschnitt von 1850 bis 1900 lag.

Laut der WMO beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass die globale Durchschnittstemperatur in einem der Jahre von 2024 bis 2028 mehr als 1,5 Grad über dem Niveau von 1850 bis 1900 liegt, 80 Prozent. Das Risiko, dass sie für die gesamte Fünf-Jahres-Periode über 1,5 Grad liegt, beträgt 50 Prozent.

Das Ziel, die Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, stammt aus dem Pariser Klimaabkommen von 2015. Dabei handelt es sich jedoch um die Durchschnittstemperatur über längere Zeiträume, nicht einzelne Jahre. Somit wäre das Ziel noch nicht verfehlt, wenn es kurzfristige Überschreitungen gäbe.

Es gibt keine formell vereinbarte Definition, was genau als Überschreiten des 1,5-Grad-Ziels gilt. Viele Klimaexperten sind der Meinung, dass die 1,5-Grad-Schwelle bereits lange nicht mehr einzuhalten ist.

Es gibt Sondereffekte

Die gemeldeten Rekordwerte und Entwicklungen müssen berücksichtigt werden, da zuletzt Sondereffekte wie das erwärmend wirkende natürliche Klimaphänomen El Niño eine größere Rolle spielten. Im IGCC-Bericht wird auch erwähnt, dass der Anstieg einerseits auf den hohen Treibhausgas-Ausstoß zurückzuführen ist, andererseits ist die Menge an kühlenden Aerosolen in der Atmosphäre gesunken. Zum Beispiel ist der Gehalt an Sulfat-Aerosolen aufgrund einer neuen Verordnung für sauberere Schiffskraftstoffe stark zurückgegangen.

Auch wenn also – etwa durch das Nachlassen von El Niño – nicht stetig weiter neue Rekorde folgen werden: Der Trend des vom Menschen verursachten Klimawandels bleibt bestehen, solange weiter Treibhausgase erzeugt werden. Copernicus-Direktor Carlo Buontempo betonte: «Zwar wird diese Abfolge von Rekordmonaten irgendwann unterbrochen werden, doch die allgemeine Signatur des Klimawandels bleibt bestehen, und es ist keine Änderung dieses Trends in Sicht.»

Lichtblick und Chancen

Die Autoren des IGCC-Berichts führen Hinweise an, «dass sich der Anstieg der CO2-Emissionen im vergangenen Jahrzehnt im Vergleich zu den 2000er-Jahren verlangsamt hat». Je nachdem, welche Klimaschutzmaßnahmen umgesetzt werden, könnte das aktuelle Jahrzehnt eine Umkehr einiger Werte bringen. 

Guterres betonte, dass es in der Hand der Menschen liege, das Ruder noch herumzureißen. Dafür müsse jedoch in den nächsten 18 Monaten deutlich mehr Maßnahmen zum Klimaschutz ergriffen werden. Diejenigen, die den geringsten Beitrag zum Klimawandel leisten, seien am stärksten von den Auswirkungen betroffen. Allerdings fließen nur 15 Prozent der Investitionen in erneuerbare Energien in Entwicklungsländer außerhalb von China.

«Wir können eine Zukunft nicht akzeptieren, in der die Reichen in klimatisierten Blasen geschützt sind, während der Rest der Menschheit von tödlichem Wetter in unbewohnbaren Ländern heimgesucht wird», sagte er.  

dpa