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«Nur nicht lachen» – Geheimnisse des Karnevals von A bis Z

Was will das Narrenvolk wirklich, wenn es «Kamelle» schreit? Und welches ist das Kostüm, dessen Name nicht genannt werden darf? Das kleine Karnevals-ABC gibt Antworten auf nicht immer einfache Fragen.

Rosenmontag ist der Höhepunkt der Karnevalszeit.
Foto: Rolf Vennenbernd/dpa

Der Karneval bildet eine eigene Welt. Hier sind einige wichtige Fachbegriffe und Problemfelder in alphabetischer Reihenfolge:

ALAAF: Ruf der Kölner Karnevalisten. Bedeutet so viel wie «Köln über alles». Soll erstmals ertönt sein, als Kölner Wutbürger im Mittelalter einen erzbischöflichen Festungsturm stürmten (heute sitzt dort Alice Schwarzers «Emma»-Redaktion). Vorsicht: Der Düsseldorfer Karnevalsruf «Helau» wird im Kölner Raum sanktioniert.

BÜTT: Ein pultartiges Möbelstück, an dem Reden von mehr oder weniger lustiger Natur gehalten werden. Es sollte nicht mit Bützje verwechselt werden, was einen unverbindlichen Wangenkuss bedeutet.

CARNEVAL: Ursprüngliche Schreibweise von «Karneval». Der Begriff setzt sich wahrscheinlich zusammen aus den beiden lateinischen Wörtern «carnis» (Fleisch) und «levare» (wegnehmen) und bezieht sich auf die Fastenzeit, in der man kein Fleisch essen durfte.

DAVIDSTERN: Findet sich unter der Karnevalsmütze der «Kölsche Kippa Köpp», des ersten jüdischen Karnevalsvereins seit der Nazizeit.

ENTHEMMUNG, BEFRISTETE: Während des Karnevals wird die Welt für einige Tage auf den Kopf gestellt. Die Devise bleibt unverändert: Heute wird gefeiert, morgen wird wieder in der Reihe getanzt.

FASCHING: In Bayern wird der Karneval so genannt. Für Rheinländer ist er exotischer als der Karneval in Rio.

GRASS, GÜNTER: Studierte in der Karnevalshochburg Düsseldorf und schrieb 1968 die Kurzgeschichte «Einer unserer Mitbürger: Prinz Karneval». Darin geht es um einen Prinzen, der SA-Sturmführer gewesen ist. Angesichts der sehr viel später bekannt gewordenen Mitgliedschaft des Autors in der Waffen-SS nicht ohne Brisanz.

HÖHNER: Die Karnevalsband, die den Kölnern immer wieder versichert, dass es an ihrer Stadt nichts mehr zu verbessern gibt.

INDIANER: Früher der Klassiker, heute nur das Kostüm, dessen Name nicht genannt werden darf. Das «I-Kostüm» wird zunehmend als ein Fall von bedenklicher kultureller Aneignung begriffen.

JUNGFRAU: Während der Nazizeit war die Travestie verboten, daher wurde das Mitglied des Kölner Dreigestirns traditionell von einem Mann verkörpert.

KAMELLE: Ursprünglich Karamellbonbons, die aber heute niemand mehr haben will. Das Narrenvolk ruft an Rosenmontag zwar «Kamelle!», erwartet dafür aber mindestens Schokoladentafeln, Pralinen und Blumensträuße.

Lob der Torheit: Dies ist der Titel eines Buches von Erasmus von Rotterdam (1466/69-1536), einem Humanisten. In der europäischen Geistesgeschichte dient es als theoretische Grundlage für jegliche Formen von Spott, Parodie und Satire.

MÖBELHAUS: Fluchtpunkt nicht karnevalisierbarer Gegner des organisierten Frohsinns. Ihr Motto: «Der Trick ist, dass man sich verpisst, bis wieder Aschermittwoch ist.»

NEGER, ERNST: Größter aller Fastnachts-Stars. Lebte von 1909 bis 1989 in Mainz. Eine Theorie besagt, dass sein Lied «Heile heile Gänsje» den schuldbeladenen Deutschen der Nachkriegszeit unterschwellig die Vergebung ihrer Sünden suggerierte.

ORDEN: Sollten einst höfische und militärische Ehrungen parodieren, wurden dann aber selbst zum Prestigeobjekt. Merke: Der Sitzungskarneval kann eine sehr ernste Sache sein, es gilt die Regel: «Nur nit laache!» (Nur nicht lachen!) Jedenfalls nicht an der falschen Stelle.

PRINZ KARNEVAL: Anfangs existierte kein Karnevalsprinz, sondern ein Karnevalskönig. Jedoch erzwang die preußische Polizei im Jahr 1824, dass aus dem König Carneval ein Held Carneval und später ein Prinz wurde. Die Begründung lautete: In Preußen gibt es nur einen König – und der residiert in Berlin.

QUERULANTENTUM: Falls man durch Kamelle oder andere Wurfgeschosse beim Rosenmontagszug verletzt wird, hat man sich das selbst zuzuschreiben. Kamelle-Werfen sei in Köln «sozial üblich, allgemein anerkannt und erlaubt», hat das örtliche Amtsgericht entschieden.

ROSENMONTAG: Der Höhepunkt des Straßenkarnevals mit Umzügen, die gefühlt 24 Stunden lang im Fernsehen übertragen werden.

SESSION: Der Karnevalist verwendet nicht den Begriff “neue Saison”, sondern spricht von der Session.

TUSCH: Signalisiert den Teilnehmern einer Karnevalssitzung, zu welchem Zeitpunkt gelacht werden soll.

UNIFORM: Achtung! Die Prinzengarde trägt keine Verkleidung, sondern eine Uniform.

VIVA COLONIA: Karnevalshymne, bei der der rheinische Gemütsmensch sogar in Düsseldorf auf den Tischen tanzt.

WILDPINKLER: Der Kölner Dom ist das prominenteste Opfer des Wildpinklers an Karneval, wo der ätzende Urin das jahrhundertealte Gestein zersetzt.

X-FACHE WIEDERHOLUNG: Der Karneval zelebriert die Wiederkehr des immer Gleichen. So sang Ernst Hilbich 20 Jahre lang in der Fastnachtsausgabe der ARD-Show «Zum Blauen Bock» das Lied «Heut ist Karneval in Knieritz an der Knatter». Man sah ihn als Kind, und wenn man selbst Kinder hatte, sah man ihn immer noch.

Y-CHROMOSOM: Der Karneval ist immer noch stark männerdominiert, früher allerdings war es noch schlimmer. Wenn Carolin Kebekus zu Beginn ihrer Karriere anrief und fragte, ob sie bei einer bestimmten Karnevalssitzung auftreten könne, bekam sie oft zur Antwort: «Der Frauen-Slot ist leider schon besetzt.»

ZOCH: Diejenigen, die nicht wissen, was der Zoch ist, gehören wahrscheinlich zu der Mehrheit der Bundesbürger, denen Karneval egal ist.

dpa