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Privatrakete eines deutschen Start-ups soll abheben

Elon Musk hat auch klein angefangen: Erstmals seit Jahrzehnten soll nun eine kommerzielle Trägerrakete eines deutschen Unternehmens starten. Die zwölf Meter lange Rakete wird in Australien getestet.

60 Kilometer in die Höhe will das Unternehmen HyImpulse die Trägerrakete SR75 schicken.
Foto: HyImpulse/dpa

In der privaten Raumfahrt sind vor allem Personen wie Elon Musk und Jeff Bezos bekannt. Aber auch deutsche private Raketenbauer drängen derzeit auf den Markt. Der erste Start einer Trägerrakete eines dieser deutschen Start-ups ist für Dienstag im australischen Koonibba geplant. Die zwölf Meter lange Rakete soll mit Kerzenwachs und Sauerstoff fliegen, jedoch die Grenze zum Weltraum nicht überschreiten. Es handelt sich nicht um den ersten Start einer privaten Trägerrakete aus Deutschland.

Was genau soll da in die Luft fliegen?

Das Unternehmen HyImpulse, mit Sitz in der Nähe von Heilbronn, plant, die Trägerrakete SR75 60 Kilometer hoch zu schicken. Laut Co-CEO und Mitgründer Christian Schmierer kann die Rakete eine Nutzlast von 250 Kilogramm transportieren und ins All fliegen. Dies ist jedoch nicht Teil der aktuellen Genehmigung.

Die Ingenieure wollen das Triebwerk der Rakete testen. Das Antriebskonzept sei etwas Besonderes. Die Rakete fliege mit Paraffin, also Kerzenwachs, und flüssigem Sauerstoff.  An dem Triebwerk werde mittlerweile seit mehr als zehn Jahren gearbeitet. Die Technik sei schon bekannt, habe sich aber bei Startraketen bisher nicht durchgesetzt, sagt Martin Tajmar, Experte für Raumfahrttechnik an der TU Dresden. «Es gibt keine kommerzielle Rakete, die so eine Technologie in groß verwendet.» 

Welchen Zweck hat das Ganze?

Die Idee sei, mit der Trägerrakete ein besseres Angebot für Kleinsatelliten zu machen, sagt Schmierer. «Bisher gibt es vor allem Raketen auf dem Markt, die man sich wie Busse oder Züge vorstellen kann. Sie laden die Satelliten nur an bestimmten Orten im Orbit ab – wie an einer Haltestelle. Unsere Rakete ist eher wie ein Taxi.» 

Die Raketen seien aufgrund des hybriden Triebwerks aus festem und flüssigem Treibstoff kostengünstiger, da weniger Bauteile benötigt würden als bei herkömmlichen Antrieben. „Die nächsten Starts seien bereits geplant“, sagt der 36-Jährige.

Laut Angaben von HyImpulse handelt es sich bei der Rakete um das erste Produkt des Unternehmens. Es wird auch an einer zweiten, größeren Rakete gearbeitet, die über größere Kapazitäten verfügen soll. Ziel ist es, dass die Raketen in ungefähr anderthalb Jahren Satelliten ins Weltall transportieren können.

Wie ist der Start im internationalen Kontext zu bewerten?

Die Welt mag zwar nicht auf den Start schauen, aber für Deutschland ist es ein wichtiges Ereignis, sagt Raumfahrtexperte Tajmar. Insgesamt betrachtet handelt es sich um einen Nischenmarkt. Dennoch ist es für Europa relevant, da es momentan niemanden gibt. In Europa spielen bisher die Raketen des Unternehmens Arianespace eine entscheidende Rolle beim Transport von Satelliten. Ein Ariane-Launcher, der etwas ins All bringen könnte, ist jedoch gerade nicht in Betrieb.

In anderen Ländern ist die private Raumfahrt stärker, oder?

Die Raketen von Tech-Milliardär Elon Musk seien in diesem Jahr für rund 90 Prozent aller weltweiten Raketenstarts zuständig, erklärt Tajmar. Danach folge China. Das Übrige falle auf den Rest der Welt. «Das ist sowas von unwichtig.» In China gebe es jede Menge privater Start-ups, die auch schon ins All geflogen seien.

Der SpaceX-Gründer habe den Maßstab hochgelegt. «Da schauen alle nur ehrfürchtig zu und die Chinesen versuchen es zu kopieren.» Sonst tue sich aktuell nicht viel. Musk habe auch mit einer kleinen Rakete angefangen. Doch er sei relativ schnell zu größeren Modellen übergegangen, die dann auch wiederverwendbar wurden, ein enormer Vorteil für Preis und Verfügbarkeit. Aber: «Man muss irgendwo anfangen», sagt Tajmar mit Blick auf die deutschen Start-ups.

Was erwartet der Anbieter langfristig?

Schmierer ist sich bewusst, dass es bereits Anbieter von kleinen Raketen in den USA und China gibt. Er sagt jedoch, dass diese viel zu teuer seien. HyImpulse strebe an, preislich deutlich attraktiver zu sein.

Die größere kommerzielle Rakete kostet ungefähr sechs Millionen Euro für den Start. Etwa 6500 Euro pro Kilogramm Nutzlast sind geplant. Es gibt bereits viele Kundenanfragen und die Auftragsbücher sind gut gefüllt. Auch die Politik hofft auf Kostensenkungen durch die Nutzung privater Anbieter.

Wer braucht solche Satelliten-Taxis?

Zu den Kunden gehört laut Schmierer etwa die Automobilindustrie, die Satelliten für die Navigation und das autonome Fahren bräuchten. Man wolle den Markt nicht China und den USA überlassen. «Wir brauchen auch als Europäer Unabhängigkeit von den Amerikanern, auch wenn sie unsere Partner sind.»

Auch der ehemalige Astronaut Ulrich Walter sieht viele Möglichkeiten für private Hersteller von kleineren Raketen. Die Satelliten werden nach seinen Angaben immer kleiner. Die neuen Anbieter von Kleinraketen seien flexibler als die großen, bei denen man bereits zwei Jahre im Voraus einen Platz buchen müsse. In Zukunft werde der Markt deutlich wachsen, so der Professor für Raumfahrttechnik an der TU München. Daher unterstützt er die Ideen der Start-ups.

Bereits in den späten 1970er-Jahren hat eine deutsche Firma laut Walter schon eine Privatrakete entwickelt, die eine günstigere Alternative sein sollte. Es habe einige Raketentests des Unternehmens Otrag in Afrika gegeben. «Nach heutigem Sprachgebrauch würde man Otrag als Start-up bezeichnen.» Die Firma Otrag (Orbital Transport- und Raketen Aktiengesellschaft) sei jedoch in den 80er-Jahren eingegangen. 

Welche deutschen Firmen stehen noch in den Startlöchern?

HyImpulse ist nicht das einzige Start-up in Deutschland, das an der Entwicklung von sogenannten Microlauncher arbeitet. Im Nachbarbundesland Bayern gibt es zwei Mitbewerber: Rocket Factory in Augsburg und Isar Aerospace nahe München. Alle drei wurden in den vergangenen Jahren gegründet. Sie arbeiten alle an Trägerraketen, mit denen Satelliten ins All befördert werden können und planen demnächst erste Testflüge.

Walter ist sicher, dass trotz der Größe des Marktes nicht so viele deutsche Anbieter benötigt werden. Es bleibt abzuwarten, welches Start-up erfolgreich sein wird.

dpa