Mobiles Menü schließen
Startseite Schlagzeilen

200 Afghanen in Kabul fordern: Holt uns nach Deutschland

Die Bundesregierung hat ein Aufnahmeprogramm für Afghanen auf Eis gelegt. Rund 200 Menschen, die schon Zusagen haben, berichten ihr nun über Gefahren, die ihnen in Kabul drohten.

Die einen haben es nach Deutschland geschafft - andere sind aus Pakistan nach Afghanistan abgeschoben worden und schreiben nun an die Bundesregierung.
Foto: Stefan Rampfel/dpa

Etwa 200 Afghanen mit einer Aufnahmezusage Deutschlands verlangen in einem Brief an Kanzler Friedrich Merz eine möglichst schnelle Ausreise in die Bundesrepublik. Die Gruppe wurde Mitte des Monats von Pakistan nach Afghanistan abgeschoben und fühlt sich dort von den herrschenden islamistischen Taliban bedroht. Zu befürchten seien Entführungen, Folter, willkürliche Verhaftungen und sogar Hinrichtungen, heißt es in dem Brief, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. Zuvor hatte bereits der «Spiegel» berichtet.

Die Gruppe besteht nach eigenen Angaben aus Künstlern, Bürger- und Menschenrechtsaktivisten, Richtern, Staatsanwälten, ehemaligen afghanischen Regierungsangestellten, weiblichen Haushaltsvorständen sowie Ortskräften der Bundesregierung und Journalisten. Sie sind nun in Kabul in sogenannten Schutzhäusern untergebracht, die von der deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) bereitgestellt werden. Trotzdem betrachten sie ihr Versteck als unsicher.

Wörtlich heißt es in dem Schreiben, das auch an das Außen- und Innenministerium gerichtet ist: «Die ständige Bedrohung, dass die Taliban eindringen, die Angst vor Rache, willkürlicher Inhaftierung, Entführung, Folter oder Tod haben zu unerträglichen psychischen Traumata geführt.» Jede Stunde Verzögerung könne sie das Leben kosten. «Wir haben an Ihre Versprechen geglaubt. Bitte lassen Sie nicht zu, dass dieses Vertrauen uns – und unsere Kinder – das Leben kostet.» 

Die Grünen unterstützen die Gruppe. Parteichef Felix Banaszak und mehrere Bundestagsabgeordnete schrieben ebenfalls an die Bundesregierung und unterstützten die Forderungen der Afghanen.

Nach ihrem Amtsantritt im Mai hatte die schwarz-rote Bundesregierung beschlossen, das Aufnahmeprogramm für gefährdete Afghaninnen und Afghanen zu stoppen. Dies betraf nicht nur ehemalige Ortskräfte deutscher Institutionen und ihre Familien, sondern auch Afghanen, die aufgrund der Bedrohung durch die islamistischen Taliban aufgenommen werden sollten, beispielsweise aufgrund ihres Engagements für Menschenrechte in der Vergangenheit.

Familien nach Hannover gebracht

Am Montag wurden dennoch mehrere Familien, die in Pakistan geblieben waren, per Linienflug mit Zwischenstopp in Istanbul nach Hannover gebracht. Laut einer Sprecherin des Bundesinnenministeriums handelt es sich bei den 45 afghanischen Staatsangehörigen ausschließlich um Personen, die Visa durch Gerichtsverfahren erhalten haben. Alle haben das Aufnahmeverfahren und die Sicherheitsprüfung vollständig abgeschlossen.

Gemäß Angaben des Auswärtigen Amts befinden sich derzeit 2.100 Personen in Pakistan und 200 in Afghanistan im Aufnahmeprogramm.

Bundesinnenminister Alexander Dobrindt (CSU) hat vor etwa einer Woche die Kritik an der Dauer des Aufnahmeprozesses abgelehnt. Er sei nicht bereit, auf reguläre Aufnahmeverfahren und Sicherheitsüberprüfungen zu verzichten.

dpa