Deutsche geben jährlich 2,4 Milliarden Euro für IGeL-Angebote aus – mit möglichen schädlichen Folgen.
Studie: Selbstzahler-Untersuchungen beim Arzt oft ohne Nutzen
Eine wissenschaftliche Studie wirft Zweifel auf die Selbstzahler-Untersuchungen beim Arzt. Laut einer Umfrage im Auftrag des Medizinischen Dienstes (MD) geben die Deutschen jährlich rund 2,4 Milliarden Euro für sogenannte IGeL-Angebote aus – obwohl diese oft keinen nachgewiesenen Nutzen haben, erklärte der MD-Vorsitzende Stefan Gronemeyer in Berlin. Es besteht sogar die Gefahr von folgenschweren falsch-positiven Ergebnissen, die den Betroffenen schaden könnten.
Die Individuellen Gesundheits-Leistungen (IGeL) sind ärztliche Untersuchungen, die nicht von den Krankenkassen bezahlt werden und daher aus eigener Tasche finanziert werden müssen. Im Auftrag des Medizinischen Dienstes, dem Begutachtungsdienst der gesetzlichen Krankenkassen, wurden über 2.000 Patientinnen und Patienten im Alter von 18 bis 80 Jahren vom Marktforschungsinstitut Forsa befragt, um einen Überblick über die Inanspruchnahme der Leistungen zu erhalten.
Schaden oder Nutzen?
Ultraschalluntersuchungen der Eierstöcke und der Gebärmutter werden am häufigsten zur Krebsfrüherkennung eingesetzt. Laut Gronemeyer ist der mögliche Schaden größer als der Nutzen. Er warnte davor, dass aufgrund unklarer Ergebnisse weitere Behandlungen bis hin zur unnötigen Entfernung der Eierstöcke drohen. Es gibt jedoch keinen Beweis dafür, dass das Risiko einer Krebserkrankung durch diese Untersuchung reduziert wird.
Zu den beliebtesten IGeL-Angeboten gehören auch Augeninnendruckmessungen zur Früherkennung von Glaukom sowie der PSA-Bluttest zur Früherkennung von Prostatakrebs – zwei Untersuchungen, bei denen laut den MD-Experten das Risiko von Fehlalarmen und unnötigen Behandlungen höher ist als der medizinische Nutzen. Nur jeder vierte Versicherte gab an, gut über die angebotenen Leistungen informiert worden zu sein.
14-tägige Bedenkzeit gefordert
Der Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Stefan Schwartze, bezeichnete diese Zahl als «alarmierend». Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) will Ärzte dazu verpflichten, den Patienten im Beratungsgespräch neutrale, standardisierte Informationsblätter auszuhändigen. Eugen Brysch von der Stiftung Patientenschutz fordert sogar eine verpflichtende 14-tägige Bedenkzeit: «Überrumpeln und Ängste zu schüren, sind Bestandteil dieses Geschäftsmodells.»
Die Vorstandsvorsitzende des AOK-Bundesverbands, Carola Reimann, sieht einen Zusammenhang zwischen den Selbstzahler-Leistungen und den immer längeren Wartezeiten auf einen Arzttermin: «Wenn ein Facharzt seine Zeit mit Schönheitsbehandlungen oder fragwürdigen Vorsorgeuntersuchungen ohne wissenschaftlich belegbaren Nutzen verbringt, fehlen eben Kapazitäten für die vertragsärztliche Versorgung.»