Am 6. Mai 1955 trat Deutschland der Nato bei. In Brüssel wird der historische Schritt bereits an diesem Montag gefeiert. Das sicherheitspolitische Umfeld ist düster.
70 Jahre Bündnistreue: Nato feiert Beitritt Deutschlands
Heute wird in Brüssel mit einem Festakt an den Beitritt Deutschlands zur Nato vor knapp 70 Jahren erinnert. Unter anderem werden Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und der geschäftsführende Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) zu dem Festakt im Hauptquartier des Militärbündnisses erwartet. Gastgeber ist Nato-Generalsekretär Mark Rutte.
Am 6. Mai 1955 wurde die Bundesrepublik das 15. Mitglied des transatlantischen Verteidigungsbündnisses. Der Allianz gehören mittlerweile 32 Länder an – zuletzt sind Schweden und Finnland unter dem Eindruck des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine beigetreten.
Düsteres Sicherheitsumfeld
Die Zeremonie an diesem Montag wird vom fortgesetzten russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine und der unsicheren Zukunft der Nato überschattet. Das Bündnis durchläuft derzeit einen tiefgreifenden Umbruch. Ausgelöst wurde dies hauptsächlich durch die Ankündigung der USA, in Zukunft wesentlich weniger sicherheitspolitische Verantwortung für Europa übernehmen zu wollen.
US-Präsident Donald Trump ließ kürzlich verlauten, dass die europäischen Alliierten in Zukunft für die konventionelle Verteidigung und Abschreckung des Kontinents selbst verantwortlich sein sollen. Lediglich bei der nuklearen Abschreckung könnte alles beim Alten bleiben.
Die europäischen Alliierten müssen aufgrund der Entwicklungen vor allem massiv aufrüsten und deutlich mehr Geld für Verteidigung ausgeben. Im vergangenen Jahr betrug der Anteil der USA an den gesamten Verteidigungsausgaben der Nato-Staaten noch mehr als 60 Prozent.
Gefeiert wird eine Woche vor dem Jahrestag
Die Gedenkfeier zum deutschen Nato-Beitritt wird nicht erst am 6. Mai organisiert, aus Termingründen. Es musste ein Datum gefunden werden, an dem sowohl Steinmeier als auch Rutte teilnehmen können. Zudem soll nach derzeitigen Planungen am 6. Mai CDU-Chef Friedrich Merz vom Bundestag zum neuen Kanzler gewählt werden.
Im Koalitionsvertrag haben sich CDU, CSU und SPD darauf verständigt, die Verteidigungsausgaben bis zum Ende der Wahlperiode deutlich zu steigern. Sie wollen den Weg zur Einführung moderner Militärtechnik freimachen und auch Deutschlands Verteidigungsfähigkeit im Weltraum ausbauen. Vereinbart wurde zudem, ein «auf Freiwilligkeit basierendes Wehrdienstmodell» für die Bundeswehr zu schaffen.
Gemeinsam mit den Grünen hatte der alte Bundestag Änderungen im Grundgesetz mit der erforderlichen Zwei-Drittel-Mehrheit beschlossen, um die in der Verfassung verankerte Schuldenbremse für Verteidigungsausgaben zu lockern.
Gesellschaftliche Debatten
Die Aufrüstung Deutschlands ist heute politisch und gesellschaftlich kein sehr großes Thema mehr. Laut einer Umfrage für das ZDF-Politbarometer unterstützten zuletzt etwa drei Viertel der Befragten und Mehrheiten in allen Parteianhängergruppen eine Erhöhung der finanziellen Mittel für Bundeswehr und Verteidigung.
Im Jahr 1955, nur zehn Jahre nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs, sah die Situation anders aus. Kritiker in der Bundesrepublik fürchteten neue Kriegsrisiken und befürchteten, dass die deutsche Einheit durch eine Wiederbewaffnung gefährdet würde. Befürworter hingegen betrachteten dies als den schnellsten Weg für Westdeutschland zur Souveränität zurück. Der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer (CDU) wird zitiert mit dem Satz, dass ein Staat ohne Armee kein richtiger Staat sei.
Die USA und Großbritannien argumentierten international, dass Deutschland auch seinen Beitrag zum Schutz Westeuropas vor der sowjetischen Bedrohung leisten sollte. Frankreich war zunächst skeptisch und bevorzugte den Aufbau einer europäischen Armee, in die Deutschland nur Truppen entsenden sollte. Schließlich stimmte auch Paris zu, nachdem Deutschland umfangreiche Bedingungen akzeptiert hatte, darunter der Verzicht auf atomare, biologische und chemische Massenvernichtungswaffen.