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AfD-Parteitag kürt Weidel zur Kanzlerkandidatin

Die AfD trifft sich in Riesa zum Parteitag, um Alice Weidel zur Kanzlerkandidatin zu küren und das Wahlprogramm zu beschließen. Hier droht bei einigen Themen Streit. Vor der Halle wird demonstriert.

Im AfD-Spitzenduo tritt Co-Chef Tino Chrupalla (l.) einen Schritt zurück für Alice Weidel, die von der Partei als Kanzlerkandidatin im Bundestagswahlkampf ins Rampenlicht gerückt wird.
Foto: Jörg Ratzsch/dpa

In Riesa, Sachsen, findet heute ein Bundesparteitag der AfD statt. Co-Parteichefin Alice Weidel soll von den rund 600 Delegierten zur Kanzlerkandidatin gewählt werden. Auf der Tagesordnung steht auch der Beschluss des Wahlprogramms für die Bundestagswahl. Gegner haben zu Protesten in Riesa aufgerufen. Die Organisatoren erwarten mehr als 10.000 Menschen.

Der Höhepunkt des Parteitags ist gleich am ersten Tag die Wahl von Weidel. Geplant ist, dass die Kandidatin von Co-Parteichef Tino Chrupalla vorgestellt wird, gefolgt von einer einfachen Abstimmung durch Aufstehen oder per Handzeichen. Es wird daher voraussichtlich keine genauen Abstimmungsergebnisse geben. Die Teilnehmer erwarten eine große Zustimmung für die 45-Jährige, die dann eine Rede halten wird.

Klärung offener Punkte im AfD-Wahlprogramm

Bis jetzt hat die AfD kein fertiges Wahlprogramm für die anstehende Bundestagswahl am 23. Februar. Es liegt lediglich ein Entwurf vor. Darin werden unter anderem Forderungen nach einem Austritt aus der EU, dem Euro und dem Pariser Klimaabkommen aufgestellt. Einige Punkte sind jedoch noch umstritten. Es gibt zahlreiche Änderungsanträge, insbesondere in den Bereichen Außen-, Energie-, Migrations- und Familienpolitik, über die in Riesa diskutiert und abgestimmt werden soll.

Debatte über «Dexit»

Im Entwurf des Wahlprogramms wird ausdrücklich ein sogenannter Dexit – ein deutscher Austritt aus der EU – befürwortet. Es wird betont, dass dies und die Gründung einer neuen europäischen Gemeinschaft als notwendig erachtet werden. Allerdings zielen Änderungsanträge darauf ab, dies abzuschwächen. Es wird darauf abgezielt, das Ziel einer neuen Gemeinschaft beizubehalten, ohne jedoch explizit einen Austritt Deutschlands aus der EU zu fordern.

Dies wäre ohnehin nur möglich durch eine Grundgesetzänderung mit nötigen Zweidrittelmehrheiten in Bundestag und Bundesrat. Denn im Grundgesetz hat sich die Bundesrepublik dazu verpflichtet, «zur Verwirklichung eines vereinten Europas» bei der Entwicklung der Europäischen Union mitzuwirken.

Wehrpflicht und «Remigration»

Diskussionen innerhalb der AfD gibt es auch bezüglich der Wehrpflicht, für deren Wiederbelebung die Partei in ihrem Grundsatzprogramm eintritt, die jedoch im Wahlprogramm-Entwurf nicht enthalten ist. In Teilen der AfD, insbesondere im Osten, gab es Bedenken, dass das Thema aufgrund des Krieges in der Ukraine bei Wählern auf Ablehnung stoßen könnte. Nach innerparteilicher Kritik soll die Wehrpflicht nun jedoch doch in das Wahlprogramm aufgenommen werden.

In der Migrationspolitik haben Partei-Rechtsaußen Björn Höcke und andere Änderungen beantragt. Sie wollen unter anderem das viel diskutierte Wort «Remigration» im Wahlprogramm unterbringen, das im Entwurf nicht auftaucht. Der Thüringer AfD-Landeschef und andere setzen sich zudem für eine Abschaffung oder Einschränkung des Volksverhetzungsparagrafen und des Straftatbestandes des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen ein und wollen das ins Wahlprogramm bringen. 

«Vater, Mutter, Kind»

Im Entwurf des AfD-Wahlprogramms heißt es bisher: «Die Familie ist die Keimzelle unserer Gesellschaft». Verschiedene Antragsteller fordern, dass in dem Satz auch untergebracht wird, dass die Familie aus Vater, Mutter und Kindern bestehe. Auch das ist nicht unumstritten. Denn entscheidet sich der Parteitag dafür, könnte das wie eine indirekte Missbilligung des Lebensmodells der eigenen Kanzlerkandidatin wirken, die mit einer Frau zusammenlebt.

«Patriotische Jugend» statt «Junge Alternative» 

Die wohl kontroverseste Punkt auf der Tagesordnung dreht sich um den AfD-Nachwuchs: Die AfD-Spitze und einige Vertreter aus Landes- und Kreisverbänden wollen die Jugendorganisation «Junge Alternative» (JA), die der Verfassungsschutz als «gesichert extremistische Bestrebung» einstuft, durch eine neue Organisation mit dem Namen «Patriotische Jugend» ersetzen.

Mehr Durchgriff und möglicher Schutz vor Verbot

Alle AfD-Mitglieder bis zum Alter von 36 Jahren sollen automatisch Mitglied dieser Jugendorganisation sein, im Gegensatz zur JA, die unabhängig ist. Mitglieder müssen hier – mit Ausnahme der Vorstände – nicht Mitglied der AfD sein. Die AfD-Spitze erhofft sich durch die Reform nach eigenen Angaben mehr Einfluss, insbesondere bei Fehlverhalten.

Experten, wie die Parteienrechtlerin Sophie Schönberger von der Universität Düsseldorf, sehen eine weitere Motivation für eine Eingliederung der Jugendorganisation in die AfD: «Vereine wie die Junge Alternative unterliegen dem Vereinsrecht und können viel leichter verboten werden als Parteien», sagte sie im September dem ZDF.

Zweidrittelmehrheit nötig

Es wird jedoch eine Zweidrittelmehrheit auf dem Parteitag benötigt, um die AfD-Satzung entsprechend zu ändern. Es ist unklar, ob dies zustande kommt. Die JA widersetzt sich den Plänen und hat einen Gegenantrag eingereicht, der von vielen Delegierten unterstützt wird.

dpa