Die Zahl der Todesopfer steigt auf 360, unabhängig überprüfbar sind die Angaben nicht.
Regierungstruppen beginnen Abzug aus Suwaida nach tagelanger Gewalt
Nachdem es tagelang zu Gewalt im Süden Syriens gekommen war, haben Regierungstruppen laut Aktivisten damit begonnen, sich aus der mehrheitlich von Drusen bewohnten Stadt Suwaida zurückzuziehen. Die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte gab zudem in der Nacht bekannt, dass die Zahl der Todesopfer seit Beginn der Gewalt am Wochenende auf 360 gestiegen sei. Die Genauigkeit dieser Zahl kann nicht unabhängig überprüft werden. Die Angaben der Beobachtungsstelle mit Sitz in Großbritannien, die den Konflikt in Syrien mithilfe eines Aktivisten-Netzwerks verfolgt, gelten jedoch in der Regel als verlässlich.
Gemäß Berichten der Medien hat die Regierung angekündigt, dass gemäß einer neuen Vereinbarung über eine Waffenruhe alle militärischen Einsätze unverzüglich eingestellt werden sollen. In einer Erklärung des Verteidigungsministeriums zum Rückzug der Truppen aus Suwaida wurde jedoch nicht erwähnt, dass auch andere Sicherheitskräfte die Stadt verlassen sollen. Ein Ausschuss aus Regierungsvertretern und drusischen Geistlichen wird laut Berichten die Einhaltung der Waffenruhe überwachen.
USA erwarten Ende der Gewalt
Zuvor hatte US-Außenminister Marco Rubio mitgeteilt, die USA hätten mit allen Beteiligten des Konflikts gesprochen. Man habe sich auf «konkrete Schritte geeinigt, die dieser beunruhigenden und entsetzlichen Situation» später am Mittwochabend ein Ende setzen sollten. Alle Parteien müssten die von ihnen eingegangenen Verpflichtungen einhalten, schrieb Rubio auf der Plattform X.
Nachdem die Gewalt zwischen drusischen Milizen und sunnitischen Beduinen in der Provinz Suwaida ausgebrochen war, entsandte die syrische Regierung Truppen und andere Sicherheitskräfte, um für Stabilität zu sorgen und Zivilisten zu schützen. Laut der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte kämpften die Truppen und Sicherheitskräfte jedoch an der Seite der Beduinen und gegen drusische Milizen.
Israel intervenierte angeblich zum Schutz der drusischen Minderheit. Die israelische Luftwaffe griff am Mittwoch Ziele in Damaskus an, darunter das Verteidigungsministerium und ein Ziel in der Nähe des Präsidentenpalastes. Laut der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte wurden bei den israelischen Luftangriffen 15 Angehörige des syrischen Verteidigungs- und Innenministeriums getötet.
Israel droht mit weiteren Angriffen
Der israelische Generalstabschef Ejal Zamir hat bei einer Lagebesprechung auf den Golanhöhen erklärt, dass er eine weitere Aufstockung der Aufklärungs- und Angriffskapazitäten angeordnet hat, um bei Bedarf verstärkt zuschlagen zu können und die Übergriffe auf die Drusen in Syrien zu stoppen. Israel fühlt sich dem Schutz der Drusen verpflichtet, da viele von ihnen im israelischen Militär dienen. Die Drusen sind eine religiöse Minderheit, die aus dem schiitischen Islam hervorgegangen ist. Sie leben hauptsächlich in Syrien, aber auch in Israel, dem Libanon und Jordanien. Die syrische Provinz Suwaida im Süden ist ihre Hochburg.
Am Mittwoch versuchten erneut einige Drusen aus Israel, die Grenze zu Syrien zu überqueren, um andere Drusen dort zu unterstützen. Laut Israels Armee versuchten zugleich «Dutzende Verdächtige» von Syrien aus auf israelisch kontrolliertes Gebiet zu gelangen. Laut der Syrischen Beobachtungsstelle für Menschenrechte handelte es sich um Drusen, die in Israel Schutz suchten.
UN-Generalsekretär fordert Ende der Kämpfe
UN-Generalsekretär António Guterres forderte ein Ende der Kämpfe. «Er verurteilt unmissverständlich jegliche Gewalt gegen Zivilisten, einschließlich Berichte über willkürliche Tötungen und Taten, die konfessionelle Spannungen anfachen», sagte UN-Sprecher Stéphane Dujarric. Die Vorfälle nähmen dem syrischen Volk nach vierzehn Jahren brutalen Konflikts die Chance auf Frieden und Versöhnung. Guterres verurteile auch Israels Angriffe in dem Nachbarland und fordere ein sofortiges Ende aller Verletzungen syrischer Souveränität.
Es herrschte zunächst Verwirrung darüber, ob die Waffenruhe zwischen Drusen, Beduinen und Regierungstruppen tatsächlich von allen Seiten akzeptiert wurde. Aus der drusischen Führung gab es widersprüchliche Angaben. Einer ihrer geistlichen Führer, Jusuf al-Dscharbu, veröffentlichte die Bedingungen der Waffenruhe. Laut diesen soll Suwaida in die Strukturen des Staates integriert werden und Damaskus die Kontrolle über die gesamte Provinz behalten.
Verwirrung um Waffenruhe
Gleichzeitig widersprach der geistliche Drusenführer Hikmat al-Hidschri Angaben, wonach so eine Waffenruhe vereinbart worden sei. Er rief Kämpfer dazu auf, weiterhin Widerstand gegen «kriminelle Gangs» zu leisten, die in Suwaida Tod und Zerstörung anrichteten. Suwaida müsse «bedingungslos» von diesen Kräften befreit werden. Es gebe keine Verhandlungen und auch keine Einigung mit «bewaffneten Gangs, die sich selbst als Regierung bezeichnen». Schon am Dienstag war eine Waffenruhe in Syrien verkündet worden, der al-Hidschri aber widersprochen hatte. Bald darauf war es zu neuen Kämpfen gekommen.