Die Bundesregierung will Aufnahmeprogramme für gefährdete Menschen aus Afghanistan nicht fortsetzen. Das sorgt für Protest. Und wird die Justiz beschäftigen.
Aufnahme von Afghanen – Klagen gegen Bundesregierung
Mit Klagen gegen das Auswärtige Amt will die Organisation «Kabul Luftbrücke» die Fortsetzung des Bundesaufnahmeprogramms für besonders gefährdete Afghaninnen und Afghanen erzwingen. Eine «erste Welle» mit 26 Verfahren zur Erteilung von Visa sei beim Verwaltungsgericht Berlin eingereicht worden, teilte die Initiative mit. Mit einer Protestaktion zum Weltflüchtlingstag vor dem Auswärtigen Amt unterstrichen Aktivisten ihre Forderung.
Laut einem Sprecher des Bundesinnenministeriums sind die Klagen bisher nicht bekannt. Ebenso konnte eine Sprecherin des Verwaltungsgerichts den Eingang der Verfahren nicht bestätigen. Allerdings liegen den Richtern ähnliche Fälle vor.
Eine Frau, die mit ihrer Familie in Pakistan auf ein Visum wartet, hat einen Eilantrag und eine Klage eingereicht, um das Auswärtige Amt dazu zu verpflichten, ihnen die erforderlichen Visa für die Einreise nach Deutschland zu erteilen. Sie beziehen sich auf eine Zusage zur Aufnahme. Es wird voraussichtlich Ende Juni oder Anfang Juli eine Entscheidung im Eilverfahren geben.
Bundesregierung stoppt Aufnahme
Nach der Machtübernahme der Taliban im August 2021 wurden verschiedene Aufnahmeverfahren für Menschen aus Afghanistan eingerichtet. Die neue Bundesregierung stoppte die Programme Anfang Mai. Der Koalitionsvertrag von Union und SPD im Bund sehe vor, die Aufnahme zu beenden, soweit dies möglich sei, sagte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums «Wir befinden uns in einer fortgesetzten Prüfung», so der Sprecher. Bis dahin sei die Aufnahme ausgesetzt. Laut Auswärtigem Amt steht die Bundesregierung im Austausch mit den Behörden in Pakistan.
Kanzleramtsminister Thorsten Frei (CDU) betonte in der ARD, es handele sich um unterschiedliche Programme, bei denen jeweils der Einzelfall geprüft werden müsse. «Im Wesentlichen geht es um ein Bundesaufnahmeprogramm, also von Menschen, die gar keinen unmittelbaren Bezug zu Deutschland haben», so Frei.
Nach Angaben des Auswärtigen Amtes warten derzeit rund 2.400 Menschen in Pakistan darauf, dass sie ein Visum bekommen. Sie hätten ihre Heimat verlassen im Vertrauen auf deutsche Versprechen, erklärte die Sprecherin von «Kabul Luftbrücke», Eva Beyer. Ihnen drohe trotz einer anerkannten Gefährdung die Abschiebung aus Pakistan. Trotz rechtlich bindender Aufnahmeversprechen und verfügbarer Haushaltsmittel sei das Bundesaufnahmeprogramm seit Monaten blockiert.
Nach den Angaben sind Menschen betroffen, die sich für Gleichberechtigung und Demokratie engagiert haben. Auch Richter, Journalistinnen und Künstler gehören zu den Betroffenen.
SPD-Bundestragfraktion: Deutschland steht im Wort
Nach einem Bericht des «Stern» drängt die SPD-Bundestagsfraktion auf eine sofortige Einreise der Afghanen mit Aufnahme-Zusagen aus Deutschland. «Bei allen Personen mit bestehenden Aufnahmezusagen steht Deutschland im Wort», sagte der zuständige Berichterstatter, der Bundestagsabgeordnete Hakan Demir, dem Magazin. «Sie müssen kommen dürfen. Sofort. Nicht erst, nachdem sie sich ihr Recht eingeklagt haben.»
Die Bundestagsabgeordnete Schahina Gambir von den Grünen sprach von einem Skandal. «Dass die Betroffenen ihr Recht einklagen müssen, zeigt erneut, dass das Rechtsverständnis der unionsgeführten Bundesregierung alarmierend ist», teilte sie mit.
Laut der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Grünen gibt es insgesamt 2.384 afghanische Staatsangehörige mit Aufnahmezusage in Pakistan (Stand: 28. Mai). Davon fallen 1.245 Personen unter das Bundesaufnahmeprogramm. Des Weiteren warten 50 Ortskräfte mit ihren Familien auf ein Visum (insgesamt 297 Personen). Außerdem sind 70 Personen auf einer Menschenrechtsliste vermerkt und 772 Personen sind Teil eines Überbrückungsprogramms.